Mehr Ärzte gegen den Mangel? Entscheidung naht
03.04.2011, 14:57 UhrWeite Wege zum nächsten Arzt, verwaiste Praxen: Der Ärztemangel auf dem Land wächst und wächst. Jetzt wollen sich die Länder selbst um mehr Mediziner in ihren Mangelregionen kümmern. Der Entscheidung am 6. April ging monatelanges Tauziehen voraus.

Angesichts von Tausenden fehlenden Medizinern in ländlichen Regionen fordern die Länder vor einem entscheidenden Ministertreffen deutlich mehr Rechte bei der Ärzteplanung.
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Ärzte auf dem Land in Ost und West finden reihenweise keine Nachfolger für ihre Praxen - und tausende stehen vor dem Ruhestand. Vor allem für viele ältere Patienten wird der Ärztemangel zum bestimmenden Problem. Auf einem Bund-Länder-Sondertreffen am kommenden Mittwoch wollen sich die Länder erstmals das Recht erstreiten, selbst für mehr Ärzte in Mangelgebieten zu sorgen. Es könnte ein Dammbruch werden.
Die Verhandlungen von Bund und Ländern zum Versorgungsgesetz begannen im Oktober mit einem kleinen Eklat. Bei Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) stießen die Länder auf so wenig Entgegenkommen, dass sie sich mit deutlicher Kritik auf offener Bühne revanchierten. Über Monate tagte man in verschiedenen Runden. Vor dem entscheidenden Treffen der Gesundheitsminister in Berlin sagt Mecklenburg-Vorpommerns Ressortchefin Manuela Schwesig (SPD): "Ich hoffe nach den Vorgesprächen, dass ein Umdenken einsetzt und die Länder endlich bei der Ärzteplanung ein Mitspracherecht erhalten."
Aufbegehren der Länder

In der Frage der ärztlichen Versorgung müsse man endlich an einem Strang ziehen, so Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin Manuela Schwesig (SPD).
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Bislang entscheiden Ärzte und Krankenkassen allein, wo welche Arztpraxen eingerichtet werden. Doch für Mangelregionen ist diese Planung zu grobmaschig, monieren die Länder. "In vielen ländlichen Gebieten kommt es bereits zu Engpässen bei der hausärztlichen Versorgung. Das wird sich verschärfen", mahnt der Vorsitzende der Ministerkonferenz, Hessens Ressortchef Stefan Grüttner (CDU). Jetzt wollen die Länder in den entscheidenden Gremien der Ärzte und Kassen mitbestimmen.
Die Patienten, denen der nahe Arzt fehlt, wissen in der Regel nichts über die Funktionärszirkel, in denen darüber verhandelt wird. Deshalb fordern viele von den staatlichen Stellen vor Ort Abhilfe. Doch denen sind die Hände gebunden.
Bund und Krankenkassen sind aber auf der Hut vor den aufbegehrenden Ländern. Diese sollen ihre Regionen keineswegs reichlich mit Ärzten bestücken - wofür letztlich die Kassen finanziell bluten müssten. "Ich bin zuversichtlich", sagt Grüttner, "dass wir einen Weg finden, die Einflussnahme der Länder so zu gestalten, dass die Ängste der Kassen unbegründet sind".
Lockruf des Geldes
Gibt es eine Umverteilung von den zahlreichen Ärzten in den Städten hin aufs Land? Niemand kann die Freiberufler dazu zwingen. Hausbesuche in großem Umkreis und wenig Kulturangebot lassen viele Einsatzgebiete unattraktiv erscheinen. Doch wenn ganze Landstriche künftig unter Mithilfe der Länder als Mangelregion eingestuft werden, könnten Ärzte dort wohl mehr verdienen. Aus Kassensicht spricht dagegen, dass die Arztzahlen insgesamt in den vergangenen Jahren rasant auf mehr als 140.000 angestiegen sind - und bereits 2011 ein Rekordhonorar von 32,5 Milliarden Euro anfällt.
Doch Rösler hat sich bereits für mehr Ärzte stark gemacht. Vor dem Bund-Länder-Treffen will am Dienstag die Koalition eine einheitliche Linie finden. Um überhaupt eine Chance auf eine Umverteilung von Ärzten zu bekommen, hat die Unionsfraktion Entschädigungen vorgeschlagen. Ärzte sollen sie bekommen, wenn sie eine Praxis in einem Ballungsraum dicht machen und auf den Verkauf ihres Patientenstamms verzichten. Ohne frisches Geld - so scheint es - dürften Bund und Länder beim neuen Gesetz gegen Ärztemangel nicht auskommen. Es dürfte von den Beitragszahlern stammen.
Quelle: ntv.de, Basil Wegener, dpa