Von Anhängern umjubelt Erdogan: Ich soll mich also zum Teufel scheren?
24.05.2014, 18:22 Uhr
In der Köln-Arena zeigt sich der krasse Kontrast zwischen Erdogan-Anhängern und -Gegnern. Zehntausende protestierten am Nachmittag in der Kölner Innenstadt.
(Foto: REUTERS)
Der türkische Ministerpräsident Erdogan kritisiert bei seiner umstrittenen Rede in Köln deutlich die deutschen Medien und verspricht Aufklärung des Grubenunglücks von Soma. Mit Pathos beschwört er die Heimatliebe der Deutschtürken und mahnt sie zugleich, Deutsch zu lernen.
Rund 20.000 Anhänger haben in der Kölner Lanxess-Arena den Auftritt des türkischen Regierungschefs Recep Tayyip Erdogan gefeiert. Erdogan beschwor zu Beginn seiner Rede die Heimatliebe der Türken in der Türkei und in Deutschland. "Unser Volk ist stolz auf euch", rief Erdogan in die vollbesetzte Sportarena. "77 Millionen Schwestern und Brüder grüßen euch herzlich!"
Der 60-Jährige wurde bei seinem Erscheinen gefeiert wie ein König, berichtete n-tv Reporter Ulrich Klose aus der Halle.
Erdogan kam schnell auf das Grubenunglück von Soma zu sprechen. "Letzte Woche haben wir in Soma ein großes Unglück erlitten. In diesem Unglück haben wir viele Brüder verloren." Erdogan schlug mildere Töne an als direkt nach der Bergbaukatastrophe und versprach, alles aufzuklären, was zu dem Unglück geführt haben könnte. "Wir stehen an der Seite der Waisen und Witwen, die ihre Lieben verloren haben."
Zugleich griff Erdogan die Kritik an ihm wegen seines Umgangs mit dem Umglück von Soma auf: "301 Menschen haben ihr Leben gelassen. Unsere Seele ist zutiefst betrübt und unser Herz brennt. Aber das wird instrumentalisiert. Das ist nicht hinnehmbar. Wir leiden, wir empfinden Schmerz. Man sagte, dass ich gegenüber denjenigen, die in der Grube gearbeitet haben, unsensibel gewesen sei - was verstehen sie denn davon?" Er sei selbst unten gewesen.
Integration ja, Assimilierung nein
Erdogan griff deutsche Medien scharf an und zitierte eine Schlagzeile des "Spiegel", dessen Reporter seither Morddrohungen ausgesetzt ist und nach Deutschland zurückgeholt wurde. "Ich soll mich also zum Teufel scheren", fragte Erdogan spöttisch. Der "Spiegel" hatte einen Grubenarbeiter aus Soma entsprechend zitiert. Erdogan sagte dazu unter Beifall: "Nur mein Volk hat das zu entscheiden. Wenn in irgendeinem Land Wahlen stattfinden, gehen wir dann hin und kommentieren alles?"
Auch die Kritik am Umgang der türkischen Polizei mit Demonstrationen sei verfehlt, denn es handele sich um "Terrorakte". Erdogan bekräftigte, er sei für die Integration der Türken in Deutschland, aber gegen eine "Assimilierung". Er mahnte aber auch: "Ihr müsst sehr gut Deutsch lernen und sprechen. Ihr dürft hier nicht wie Fremde leben!"
Verkappter Wahlkampfauftritt
Veranstalter und Vorredner hatten die Zuhörer zuvor über Stunden auf den Gast eingeschworen. Egal welche Propaganda gegen Erdogan gemacht werde, "wir stehen hinter dir", versicherte ein Redner. Die Besucher jubeln und schwenken Tausende türkische Fahnen. Zur Gebetszeit beteten tausende gemeinsam in der Veranstaltungshalle.
"Gott ist groß", skandierten viele. Ein Redner warf den Deutschen vor, nichts für die Türken getan zu haben. "Die Türkei ist die größte Nation", rief er. Anschließend wurde eine Schweigeminute für die Opfer des Bergwerkunglücks von Soma abgehalten.
Erdogan sprach offiziell zum zehnjährigen Bestehen der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), die als verlängerter Arm seiner Partei AKP gilt. Inoffiziell war es allerdings eher ein Wahlkampfauftritt: Im August will Erdogan als Präsident der Türkei kanidideren. Allerdings verriet Erdogan noch nicht, ob er für das Amt des Staatspräsidenten kandidiert.
Etwa 1,5 Millionen der in Deutschland lebenden Türken sind wahlberechtigt und haben damit nicht unerheblichen Einfluss auf den Ausgang der Wahl. Als Präsident genösse Erdogan, der sich schwerwiegenden Korruptionsvorwürfen ausgesetzt sieht, lebenslange Immunität.
Quelle: ntv.de, nsc/dpa