Politik

Sprachkenntnisse und Integration Erdogan löst Empörung aus

Türkisch hat für Ministerpräsident Erdogan oberste Priorität - auch für Kinder seiner Landsleute in Deutschland. Die Kanzlerin plädiert moderat für die Gleichwertigkeit der deutschen Sprache. Doch einige deutsche Politiker sind richtig aufgebracht.

Merkel und Erdogan zeigten in Hannover gute Beziehungen.

Merkel und Erdogan zeigten in Hannover gute Beziehungen.

(Foto: REUTERS)

Die sorgen weiter für Debatten. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), wies Erdogans Forderung zurück, Kinder aus türkischen Familien, die in Deutschland leben, sollten zunächst ihre Muttersprache lernen und dann Deutsch. "Die Sprache des Landes, in dem man auf Dauer bleibt, muss Vorrang haben", sagte sie der "Passauer Neuen Presse".

Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, Martin Schulz, sagte dem "Hamburger Abendblatt": "Was Erdogan macht, hat wenig mit Integration in Deutschland zu tun, aber viel mit Propaganda in der innentürkischen Debatte." Erdogans Auftritt in Düsseldorf sei "unangemessen" gewesen. Es könne nicht sein, dass Erdogan Wahlkampf in Deutschland betreibe, betonte SPD-Vorstandsmitglied Schulz.

"Für einen EU-Beitritt der Türkei ist Erdogans Politik sicherlich kontraproduktiv", sagte der Europa-Politiker. Auch Schulz stellte sich gegen die Forderung des türkischen Ministerpräsidenten, dass die Kinder türkischer Migranten in Deutschland zuerst die türkische und dann erst die deutsche Sprache lernen sollten. "Wer türkischen Kindern nicht empfiehlt, in dem Land heimisch zu werden, in dem sie leben, schadet ihnen", sagte Schulz.

Individuelle Entscheidung

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir wies die Warnung des türkischen Ministerpräsidenten an seine in Deutschland lebenden Landsleute vor einer kulturellen Verschmelzung zurück. "Assimilation ist eine individuelle Entscheidung, in die sich niemand einzumischen hat", sagte der türkischstämmige Grünen-Politiker der " Welt".

Weitere Kritik kam von FDP-Generalsekretär Christian Lindner. "Die deutsche Sprache ist die Geschäftsgrundlage für unser gemeinsames Miteinander in Deutschland", sagte Lindner der "Bild"-Zeitung. "Es ist empörend und inakzeptabel, dass Herr Erdogan die Souveränität unseres Landes und der Menschen, die hier leben, infrage stellt."

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, distanzierte sich ebenfalls von Erdogan. "Ich finde es nicht glücklich und nicht richtig, dass Erdogan auf diese Weise Wahlkampf macht", sagte Kolat der "Bild"-Zeitung. Integrationsfragen würden in Deutschland mit den hier lebenden Türken entschieden und nicht in der Türkei.

Kritik nicht nötig

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), sagte der "Frankfurter Rundschau", er könne an den Äußerungen "nichts Kritikwürdiges erkennen", zumal Erdogan ja auch an seine in Deutschland lebenden Landsleute appelliert habe, auf Bildung und Karriere zu setzen. "Viele Sprachexperten betonen, man müsse zunächst seine Muttersprache beherrschen, bevor man sich die des Landes aneignet, in dem man lebt."

Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich hingegen weniger kritisch. Sie sagte bei der Eröffnung der weltgrößten Computermesse CeBIT in Hannover, sie setze nach wie vor darauf, dass junge Türken auch Deutsch lernen. Viele Türken aus der Gastarbeiter-Generation seien heute gut integriert - auch dank ihrer deutschen Sprachkenntnisse.

Erdogan hatte mit seiner Forderung, die er am Sonntagabend bei einem Auftritt vor rund 10.000 Landsleuten in Düsseldorf erhoben hatte, heftige Reaktionen bei führenden FDP- und Unionspolitikern ausgelöste.

Wahlhilfen werden geprüft

Die Bundesregierung will nun prüfen, wie sie die Teilnahme der rund 1,3 Millionen türkischen Wahlberechtigten an der türkischen Parlamentswahl im Sommer erleichtern kann. Das habe Merkel Erdogan am Montag zugesagt, hieß es in Delegationskreisen. Hintergrund ist die Forderung der türkischen Regierung von Anfang Februar, dass die in Deutschland lebenden türkischen Staatsbürger ihre Stimme diesmal etwa in den Konsulaten oder an der Botschaft in Berlin abgeben können sollten. Dies wäre das erste Mal, weil frühere Anfragen vor allem aus Sicherheitsgründen abgelehnt worden waren. Eine Briefwahl ist in der Türkei nicht erlaubt. In Deutschland lebt der mit Abstand größte Teil der wahlberechtigten Auslandstürken.

Quelle: ntv.de, dpa/ rts

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