US-Schnüffelei im Sauerland Erfolgreiche Online-Fahndung
07.09.2007, 07:42 UhrNach der Festnahme von drei Terrorverdächtigen befürchten Sicherheitsbehörden langfristig Vergeltungsaktionen von Islamisten. Gewalttaten könnten sich etwa gegen die ermittelnde Bundesanwaltschaft, das Bundeskriminalamt oder Landespolizeien richten, verlautete aus Sicherheitskreisen. Auch könne nicht ausgeschlossen werden, dass unentdeckte Mitglieder der Islamischen Dschihad-Union an den ursprünglichen Plänen für Anschläge festhielten.
Mögliche Ziele von Vergeltung sind auch deutsche Einrichtungen in Afghanistan, Pakistan und anderen zentralasiatischen Ländern. Nach der Vereitelung der Anschlagspläne dürfte die islamistische Szene aber zunächst verunsichert sein und sich zurückhalten, um nicht ins Visier der Ermittler zu geraten.
Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen die drei Terrorverdächtigen Fritz G., Adem Y. und Daniel S., die im Sauerland festgenommen wurden. Sie sollen massive Sprengstoffanschläge auf US-Einrichtungen in Deutschland geplant haben. Im Visier der Behörden sind außerdem sieben weitere Verdächtige, von denen fünf namentlich bekannt sind.
Terrorausbildung in Pakistan
Dabei handelt es sich angeblich ebenfalls um junge Männer. Zwei haben die deutsche Staatsbürgerschaft, einer die türkische und ein weiterer die von beiden Staaten. Der fünfte Verdächtige ist staatenlos und besitzt einen deutschen Reisepass. Teilweise sollen die Männer, wie die drei Inhaftierten, Terrorlager in Pakistan besucht haben.
Die Festnahme ging nach Darstellung des CSU-Innenpolitikers Hans-Peter Uhl auf Online-Durchsuchungen von US-Geheimdiensten zurück. "Die Erkenntnisse, die zu den Tätern geführt haben, stammen aus Computerüberwachungen der amerikanischen Nachrichtendienste", sagte der Bundestagsabgeordnete dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
"USA machen das, was sie für sich richtig halten"
Laut Uhl gingen die Impulse von Pakistan aus. "Glücklicherweise haben wir Informationen von amerikanischen Nachrichtendiensten bekommen, die uns geholfen haben, diese potenziellen Massenmörder rechtzeitig aus dem Verkehr zu ziehen. Die USA brauchen von uns nicht gebeten werden. Die machen das, was sie für sich richtig halten", sagte der Politiker. Nach dem Bericht des Blattes griffen die US-Geheimdienste auch auf Computer in Deutschland zu.
Panne in Baden-Württemberg
Im Rahmen der aktuellen Ermittlungen unterlief der baden-württembergischen Polizei im Laufe des Tages eine Panne. Die Polizeidirektion Friedrichshafen verschickte per E-Mail an den Presseverteiler interne Informationen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Eine Sprecherin des Innenministeriums in Stuttgart kündigte eine umfassende Aufklärung an.
Deutsche Innenminister streiten noch
Die Innenminister von Bund und Länder haben sich auf ihrer Sondersitzung in Berlin nicht auf eine gemeinsame Linie bei Online-Durchsuchungen im Antiterror-Kampf geeinigt. Sie hätten das Thema vertagt, sagte der Vorsitzende der Bundesinnenministerkonferenz, der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Die Differenzen zwischen Unionsressortchefs einschließlich Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), die dieses Instrument möglichst schnell in ein Gesetz schreiben wollen, und der SPD seien nicht aufgelöst worden.
Strafen für Terrorausbildung
Einig seien sich die Innenminister aber in dem Vorhaben, dass bestimmte Vorbereitungshandlungen für terroristische Anschläge unter Strafe gestellt werden sollen. Die Teilnahme etwa an einem Terrorcamp oder die Werbung für terroristische Aktivitäten solle nicht länger straffrei sein. Die Minister gingen gemeinsam davon aus, dass die Bundesregierung in Kürze entsprechende Schritte einleiten werde.
Westerwelle für mehr Polizei
Die FDP lehnt indes schärfere Sicherheitsgesetze ab. "1.000 Gesetze helfen nichts, wenn es an Polizisten fehlt", sagte Parteichef Guido Westerwelle zum Abschluss einer Klausurtagung der FDP-Bundestagsfraktion. Die Innenminister von Bund und Ländern forderte Westerwelle auf, sich vor allem mit einem besseren Vollzug der bestehenden Sicherheitsgesetze zu befassen. Der FDP-Chef wandte sich erneut gegen die Einführung von Online-Durchsuchungen: "Aus unserer Sicht ist das ein falscher Weg." Es sei ein Fehler, nach jeder Festnahme reflexhaft schärfere Gesetze zu fordern. Es fehle eher an Ermittlern und an technischer Ausstattung für die Polizei.
Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke) nannte die geplanten Durchsuchungen grundgesetzwidrig. Auch beraube es die Bürgerinnen und Bürger ihrer Grundrechte. "Wenn es um Veränderung geht, dann sollten wir über die Ausstattung der Polizei und über Arbeitsbedingungen reden und nicht den ganzen Katalog der Begehrlichkeiten von Sicherheitsfanatikern jetzt unter der Überschrift "Terrorbekämpfung" wieder auf den Tisch legen", sagte Pau bei n-tv.
Verfassungsgericht entscheidet im Oktober
Das Bundesverfassungsgericht wird am 10. Oktober über die Zulässigkeit von Online-Durchsuchungen verhandeln. In der Anhörung geht es um eine gesetzliche Regelung in Nordrhein-Westfalen. Darin sind unter anderem Zugriffsbefugnisse der Verfassungsschützer auf die Festplatten von Computern vorgesehen. Das Urteil wird frühestens Ende des Jahres erwartet.
Quelle: ntv.de