Politik

Vor 70 Jahren Erinnerung an Kriegsbeginn

GDA514_POLAND_0831_11.JPG682592654182447866.jpg

(Foto: REUTERS)

Staats- und Regierungschefs der ehemaligen Kriegsnationen gedenken der Opfer. Am 1. September 1939 hatte mit dem Angriff Nazi- Deutschlands auf Polen der Zweite Weltkrieg begonnen. 60 Millionen Menschen starben. Kanzlerin Merkel erinnert zuvor auch an die Vertreibung der Deutschen und stellt die Versöhnung mit Polen in den Mittelpunkt.

Blaue Gefäße mit Kerzen zum Gedenken.

Blaue Gefäße mit Kerzen zum Gedenken.

(Foto: AP)

Am 70. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs hat Europa der Millionen Opfer gedacht. Nach einer Kranzniederlegung stellten die Politiker, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel, Polens Staatsoberhaupt Lech Kaczynski und Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin, blaue Glasgefäße mit Kerzen ab.

Merkel sagte, kein Land habe so lange unter deutscher Besatzung gelitten wie Polen. Gleichwohl bezeichnete sie in einem Interview die Vertreibung von Deutschen als Unrecht. Auch auf der Gedenkfeier ging Merkel auf das sensible Thema ein ohne jedoch das Wort "Unrecht" zu benutzen. "Wenn wir in meinem Land bis heute auch an das Schicksal der Deutschen denken, die in Folge des Krieges ihre Heimat verloren haben, dann tun wir das stets genau in dem von den Bischöfen beschriebenen Sinne", sagte Merkel. "Dann tun wir das, ohne irgendetwas an der immerwährenden geschichtlichen Verantwortung Deutschlands umschreiben zu wollen. Das wird niemals geschehen."

Merkel: "Deutschland wird Ursachen und Wirkungen niemals verkehren."

Merkel: "Deutschland wird Ursachen und Wirkungen niemals verkehren."

(Foto: dpa)

Polens Ministerpräsident Donald Tusk erinnerte an die deutsche Verantwortung für den Überfall auf sein Land.

Merkel erinnerte an das Leid der Menschen und die Verwüstungen in Polen nach dem Überfall der Nazi-Truppen am 1. September 1939 und der sechsjährigen Besatzung. Sie gedenke "aller Polen, denen unter den Verbrechen der deutschen Besatzungsmacht unsägliches Leid zugefügt wurde", sagte Merkel bei der Gedenkfeier auf der Westerplatte bei Danzig. Kaum eine Familie sei verschont geblieben. Sie gedachte auch der sechs Millionen Juden und aller anderen, die in deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagern starben. 60 Millionen Menschen hätten "durch diesen von Deutschland entfesselten Krieg ihr Leben verloren".

Vertreibung war Unrecht

Um 4.45 Uhr begann die Zeremonie.

Um 4.45 Uhr begann die Zeremonie.

(Foto: REUTERS)

In der ARD hatte die Kanzlerin zuvor "die Vertreibung von weit über zwölf Millionen Menschen aus den Gebieten des ehemaligen Deutschlands und heutigen Polens" als Unrecht bezeichnet. Deutschland werde Ursachen und Wirkungen jedoch "niemals verkehren". Zugleich würdigte Merkel Polens Beitrag für die Einigung Europas und erinnerte dabei an die Freiheitsbewegung der Gewerkschaft Solidarnosc und die "moralische Kraft der Wahrheit" des polnischen Papstes Johannes Paul II.

Angriff auf Polen

Die Gedenkzeremonie auf der Westerplatte begann ab 4.45 Uhr, zu dieser Zeit fielen vor 70 Jahren die ersten Schüsse des deutschen Kriegsschiffs "Schleswig-Holstein". Polens Regierungschef Tusk sagte, "wir sind hier um zu erinnern, wer in diesem Krieg der Angreifer war und wer das Opfer." Ohne ein solches Gedenken könne weder Europe, noch Polen, noch die Welt wirklich in Frieden leben.

Moskaus neuer Pragmatismus

Tusk und Putin wollen gemeinsam nach neuen Wegen suchen.

Tusk und Putin wollen gemeinsam nach neuen Wegen suchen.

(Foto: REUTERS)

Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin hob hervor, Russland und Polen hätten gegen einen gemeinsamen Feind gekämpft. Am Montag hatte Putin den Hitler-Stalin-Pakt, in dem Hitler-Deutschland und die Sowjetunion ihre Interessensgebiete aufteilten, als "unmoralisch" kritisiert. Bei Danzig betonte Putin jedoch, der Vertrag sei nicht alleiniger Auslöser für den deutschen Überfall auf Polen gewesen, dem am 17. September der Angriff der Sowjetarmee folgte. Der Pakt "war das letzte einer Serie von Dokumenten, und die ganze Welt hat Fehler gemacht", sagte Putin. "Es gibt Probleme in der Geschichte, die wir klären sollten (...), damit sich derartige Tragödien nicht wiederholen", sagte Putin im Beisein des polnischen Regierungschefs Tusk. Warschau und Moskau bewerten die Ursachen für den Kriegsbeginn unterschiedlich.

Polen und Russland müssten in Zeiten der Wirtschaftskrise gemeinsam nach Wegen in die Zukunft suchen. Dafür sei in den zwischenstaatlichen Beziehungen ein "neuer Pragmatismus" gefragt, betonte Putin. Zuvor hatten Regierungsvertreter beider Länder mehrere Vereinbarungen über die Umsetzung gemeinsamer Wirtschaftsprojekte unterzeichnet.

Putin warnte erneut vor einer Politisierung der Geschichte. "Das ist das Schlimmste, was man machen kann", sagte er. Moskau wirft einer Reihe von Nachbarländern vor, die Geschichte zu fälschen, um den Verdienst der Sowjetunion beim Sieg über den Faschismus herabzuwürdigen. Vor Beginn des Zweiten Weltkriegs hätten alle Seiten eine "große Menge Fehler" begangen, sagte Putin. So erinnerte er daran, dass Polen nach dem "Münchner Abkommen" von 1938 selbst zwei Gebiete der damaligen Tschechoslowakei besetzt habe.

Zeitzeugen erinnern sich

Adolf Hitler (M) besichtigt im September 1939 die eingenommene zerstörte Westerplatte.

Adolf Hitler (M) besichtigt im September 1939 die eingenommene zerstörte Westerplatte.

(Foto: dpa)

"Niemals werde ich den Tag vergessen, an dem die Deutschen aus voller Kehle singend in Warschau einmarschierten", sagte bei der Zeremonie der Kriegsveteran Bogdan Kolodziejski, der seine Erlebnisse als Zehnjähriger beschrieb. Der 87-jährige Samuel Willenberg sagte, er könne seine Erinnerung kaum in Worte fassen. Als Jude wurde er in ein Vernichtungslager gesteckt, aus dem ihm 1943 die Flucht gelang.

Der Zweite Weltkrieg hatte mit dem Beschuss der Westerplatte, die zu einer polnischen Festung ausgebaut worden war, durch das deutsche Schulschiff "Schleswig-Holstein" begonnen. Gut 200 polnische Soldaten leisteten den deutschen Verbänden sieben Tage lang Widerstand. Die Westerplatte gilt als Polens wichtigster Erinnerungsort, noch vor Auschwitz und Warschau.

Quelle: ntv.de, ppo/ghö/dpa/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen