Mordfall Buback Ermittlungen gegen Wisniewski
25.04.2007, 07:27 UhrDreißig Jahre nach der Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback durch RAF-Terroristen werden die Ermittlungen zu dem Attentat wieder aufgenommen. Sie richten sich gegen den 1999 nach 20-jähriger Haft freigelassenen Stefan Wisniewski, teilte Generalbundesanwältin Monika Harms in Karlsruhe mit. Zugleich räumte die Behörde ein, einzelne Bundesanwälte hätten schon in den 80er Jahren Hinweise auf eine mögliche Beteiligung Wisniewskis am Buback-Mord erhalten. Diese Erkenntnisse seien aber gerichtlich nicht verwertbar gewesen.
Nach den Äußerungen des Ex-RAF-Terroristen Peter-Jürgen Boock bestehe seit Montag ein "Anfangsverdacht", dass Wisniewski im April 1977 die tödlichen Schüsse auf Buback und seine beiden Begleiter abgegeben habe, sagte Harms. Für das Attentat war Wisniewski nie angeklagt worden. Boock, der Stuttgarter Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger und Michael Buback, Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts, sollen in den nächsten Tagen als Zeugen vernommen werden. Dabei wollen die Ermittler klären, ob Boock eigene Erkenntnisse oder nur Wissen "aus zweiter Hand" über den Buback-Mord hat.
Harms sagte zu Vorwürfen, das Bundeskriminalamt (BKA) und der Verfassungsschutz hätten der Bundesanwaltschaft wichtige Hinweise vorenthalten, dass es dafür "nach derzeitigem Stand der Dinge" keinen Anlass gebe. Die Bundesregierung soll nach Informationen von "Spiegel Online" bereits 1982 Hinweise auf eine mögliche Beteiligung Wisniewskis am Buback-Attentat erhalten haben. Neben dem Innenministerium seien auch Bundesanwaltschaft und BKA durch den Verfassungsschutz über die Aussage des früheren RAF-Mitglieds Verena Becker informiert worden.
Ohne den Namen Verena Becker zu bestätigen, sagte Bundesanwalt Rainer Griesbaum: "Es gibt allerdings konkrete Anhaltspunkte, dass einzelne Bundesanwälte, die schon seit Jahren nicht mehr im Dienst sind, davon Kenntnis erlangt haben, und zwar im Rahmen einer umfassenden Unterrichtung über Strukturen der RAF." Die Hinweise auf Wisniewski seien nur als Hintergrundinformation für einen kleinen Kreis gedacht und ausdrücklich nicht vor Gericht verwertbar gewesen. Zudem hätte der Beweiswert der "dürftigen Informationen", der damals bereits zu lebenslanger Haft verurteilte Wisniewski sei der Schütze gewesen, für eine Anklage nicht ausgereicht.
Auf die Urteile gegen die wegen des Buback-Attentats verurteilten Ex-Terroristen Christian Klar und Knut Folkerts haben die neuen Erkenntnisse aus Sicht der Ermittler keinen Einfluss. Christian Klar "wurde als Mittäter verurteilt, und an dieser Bewertung ändert sich nach derzeitiger Sachlage nichts", sagte Harms. Von einem Alibi für Folkerts kann nach Griesbaums Worten "keine Rede sein". Klar erhält laut einem Gerichtsbeschluss vom Dienstag künftig Hafterleichterungen. Bei Bundespräsident Horst Köhler hat er ein Gnadengesuch eingereicht.
Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) des Bundestages für die Geheimdienste stellte im Mordfall Buback keine Ermittlungsversäumnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz fest. Dieser Beschluss wurde in dem Gremium am Mittwoch in Berlin einstimmig gefasst, sagte der PKG-Vorsitzende Max Stadler (FDP) der Deutschen Presse-Agentur dpa. Die Bundesregierung werde die PKG bei der nächsten Sitzung Ende Mai weiter über den Fall unterrichten.
Wisniewski war nach dem Mord an Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer (1977) zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Seit 1999 ist er wieder auf freiem Fuß. Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) sagte dem "Tagesspiegel", die Aussage Boocks allein würde die Aufnahme der Ermittlungen gegen Wisniewski nicht tragen. Michael Buback nannte es in der Wochenzeitung "Die Zeit" unzumutbar, dass offenbar mehr als 20 Jahre lang Details über den Anschlag auf seinen Vater geheim gehalten worden seien.
Der Buback-Sohn verteidigte sein Vorgehen bei der Aufklärung. Er wolle bei der Suche nach dem Mörder seines Vaters auch "schwierige und ungewöhnliche Wege" gehen, sagte der Hochschulprofessor bei einem am Mittwoch ausgestrahlten Fernsehauftritt in der ARD. Buback stand gemeinsam mit Boock vor der Kamera. Dieser hatte ihm wenige Tage zuvor gesagt, der um eine Begnadigung bemühte Klar sei nicht der Todesschütze gewesen. Der Rechtsexperte der CDU/CSU-Fraktion, Jürgen Gehb, nannte das Buback/Boock-Gespräch "gänzlich ungeeignet". Es führe dazu, dass die Bürger den Glauben an den Rechtsstaat verlören, meinte Gehb im Südwestrundfunk.
Quelle: ntv.de