Der Sieger steht so gut wie fest Erst wählt Israel, dann Netanjahu
12.10.2012, 16:17 Uhr
Benjamin Netanjahu ist seit 2009 Premierminister von Israel.
(Foto: picture alliance / dpa)
Israel steht vor Neuwahlen. Gewinnen wird wohl der amtierende Ministerpräsident Netanjahu. Doch unter seinen Gegnern gibt es einige spannende Figuren. Und noch längst ist nicht ausgemacht, wer die Regierung am Ende bilden wird - zu zerklüftet ist Israels politische Landschaft.
Während in Syrien ein blutiger Bürgerkrieg tobt und das Mullahregime im Iran an der Atombombe bastelt, zieht Israel in den Wahlkampf. Das Regierungsbündnis unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist an dem Haushalt für das kommende Jahr gescheitert; am Dienstag kündigte der Regierungschef an, voraussichtlicher Termin ist der 22. Januar.
Erste Umfragen nach Ankündigung der Neuwahlen sehen einen Wahlsieg des "nationalen Lagers" mit 66 Prozent der Stimmen voraus. Damit bliebe Netanjahu weiterhin der erste Mann im Staat.
Das "nationale Lager" besteht aus der rechtskonservativen Netanjahu-Partei Likud, der nationalistischen Partei Israel Beiteinu unter Außenminister Avigdor Lieberman, der Partei von Verteidigungsminister Ehud Barak sowie kleineren frommen Parteien.
Doch das Bündnis ist keineswegs in den Felsen gehauen, die israelischen Parteien müssen sich erst noch zusammenraffen. Selbst die personelle Besetzung der Führungspositionen ist keineswegs endgültig. Völlig offen sind auch die Schwerpunktthemen beim Wahlkampf.
Wirtschaftskrise und leere Wahlversprechen
Sicherheitsfragen wie Terror im Sinai, Raketenbeschuss aus Gaza, die Entwicklung in Syrien und auch die iranische Atombombe könnten plötzlich alles überschatten. Die Palästinenser werden bestenfalls eine Nebenrolle spielen, ein Friedensprozess ist nicht in Sicht. Den normalen Israeli plagen zur Zeit ganz andere Sorgen. Denn während der Ministerpräsident sich rühmt, Israel weitgehend unbeschadet durch die Weltwirtschaftskrise gelenkt zu haben, erinnert jeder Gang zum Supermarkt an die wirtschaftliche Misere. Fast vier Euro für ein Kilo Gurken oder Tomaten lassen sich auch mit hohlen Wahlversprechen nicht schön reden.
Auch wenn Netanjahu laut Umfragen und mangels Alternative als einziger denkbarer Ministerpräsident gilt, ist keineswegs gewiss, ob er sich nach den Wahlen bei der künftigen Regierungsbildung allein auf das "nationale Lager" stützen will. Vor vier Jahren regierte er mit der sozialistischen Arbeitspartei, zwischendurch gab es sogar ein 70-tägiges Bündnis mit der großen Kadima-Partei unter Schaul Mofas. Seit Verteidigungsminister Barak den Vorsitz der Arbeitspartei abgegeben hat, sitzen die Sozialisten heute nicht mehr am Kabinettstisch.
Nach den Wahlen wäre aber wieder alles offen. Die Vergangenheit zeigt, dass in Israel Linke und Rechte, Fromme und Antireligiöse eine durchaus funktionierende Koalition bilden können.
Gegenkandidaten mit Problemen
Aller Voraussicht nach dürfte Ehud Baraks Partei Atzma'ut nicht einmal die Sperrklausel überwinden, die in Israel gerade einmal bei zwei Prozent liegt. Barak käme damit auch nicht mehr als Verteidigungsminister in Frage.
Die größte Partei Israels, Kadima, ein von Ariel Scharon 2005 geschaffenes Sammelbecken ohne politisches Konzept, hat unter der Führung der abgetretenen Zipi Livni und ihres Nachfolgers Mofas viele Sympathien in der Wählergunst verloren. Ob sie wieder in die Politik zurückkehren will, hat Livni noch nicht entschieden.
Ein großes Fragezeichen steht auch hinter dem ehemaligen Premierminister Ehud Olmert. Wegen einer Haftstrafe auf Bewährung infolge eines Korruptionsprozesses kann Olmert kein Ministeramt ausüben. Das Gesetz erlaubt ihm jedoch, als Abgeordneter oder Regierungschef zu kandidieren. Olmert gilt als einziger denkbarer Herausforderer Netanjahus. Doch ob er wirklich in die Politik zurückkehren will, ist noch unklar.
Auch gegen Außenminister Avigdor Lieberman läuft seit zwei Jahren ein Korruptionsverfahren. Sollte es bis zu den Wahlen zu einer Anklage kommen, müsste er von der politischen Bühne abtreten. Welche Auswirkungen das auf seine intern zerstrittene Partei hätte, lässt sich nicht vorhersehen.
Hoffnungsträger der Gegenseite
Zwei Figuren in der Opposition wecken jedoch Interesse. Zum einen TV-Star Jair Lapid. Dieser hat zwar noch kein Programm veröffentlicht, ist aber populär.
Andererseits die linke Journalistin Scheli Jechimowitch. Sie hat der Arbeitspartei Awoda wieder ein markantes Gesicht gegeben. Obgleich es ihr an Regierungserfahrung mangelt, könnte sie mit ihren sozialen Ideen vor allem bei den schwachen Volksschichten Stimmen sammeln. In den endlosen Wahlkampfdebatten wurde sogar bereits angedacht, dass Netanjahu sie zur nächsten Finanzministerin ernennen könnte.
Machtkämpfe gibt es auch unter den Frommen. Die siebenjährige Abkühlungsfrist für Arieh Derri, nach seiner Verurteilung wegen Korruption, ist abgelaufen, so dass der junge, dynamische Vollblutpolitiker dem derzeit eher farblosen Chef der orientalisch-frommen Schasspartei, Eli Jischai, den Rang ablaufen könnte. Ein Spruch des 91 Jahre alten geistigen Führers dieser Partei, Rabbi Ovadja Josef, wird zwischen Derri und Jischai entscheiden. Innerhalb der Schasspartei gibt es keine demokratischen Strukturen, sondern nur Beschlüsse "von oben".
Auch wenn sich an den Kräfteverhältnissen der rechten oder linken Blöcke nicht viel ändern sollte, könnten nach den Wahlen bei der notwendigen Bildung einer Regierungskoalition die Karten neu gemischt werden.
Quelle: ntv.de