Politik

Birma lockert Einschränkungen Erste US-Maschine gelandet

Die Militärjunta in Birma hat nach dem Verfassungsreferendum vom Wochenende die Einschränkungen für internationale Helfer gelockert. In Rangun traf die erste US-Militärmaschine mit mehreren Tonnen Versorgungsgütern ein. Für Dienstag waren zwei weitere Flüge geplant.

Unterdessen wächst im Katastrophengebiet die Seuchengefahr. Nach Angaben der Hilfsorganisation Oxfam ist eine Woche nach dem Zyklon "Nargis" das Leben von 1,5 Millionen Menschen akut bedroht, die Vereinten Nationen sehen bis zu zwei Millionen Menschen in Gefahr. UNICEF zufolge sind in einigen Gebieten bis zu 20 Prozent der Kinder an Durchfall erkrankt.

Die Behörden sprechen inzwischen von fast 32.000 Toten. Knapp 30.000 Menschen werden demnach noch vermisst. Westliche Diplomaten gehen von mehr als 100.000 Toten aus.

Hilfe der Junta übergeben

Die USA beugte sich dem Diktat der Junta, dass Hilfsgüter abgeliefert werden müssen und von birmanischen Behörden verteilen werden. "Wir bieten dem birmanischen Volk eine Hand der Freundschaft an", sagte US-Botschafter Eric John vor dem Abflug der Maschine vom Stützpunkt U-Tapao in Thailand.

"Es ist unabdingbar, dass Experten ins Land gelassen werden, die den Opfern helfen können", verlangte der US-Botschafter. Auch die Vereinten Nationen warten weiter auf Einreisegenehmigungen, sagte der Sprecher des Welternährungsprogramms Marcus Prior in Bangkok.

Dringlichkeitssitzung der EU

Die Entwicklungsminister der EU-Staaten kommen wegen der dramatischen humanitären Lage in Birma am Dienstag in Brüssel zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Entwicklungskommissar Louis Michel habe das Treffen angesichts des großen Ausmaßes der Zerstörung und des großen Bedarfs an Hilfe angesetzt, hieß es in einer Erklärung der EU-Kommission.

Außerdem solle es darum gehen, die Resonanz der EU-Mitgliedstaaten sowie der Kommission auf die Notlage zu verstärken. Im Anschluss will Michel demnach selbst nach Birma reisen.

THW auf dem Weg

Im Auftrag der Bundesregierung fliegen zwölf Trinkwasserexperten des Technischen Hilfswerks (THW) nach Birma. An Bord sind vier Trinkwasseraufbereitungsanlagen, die sauberes Wasser für täglich 40.000 Menschen produzieren können, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Berlin.

Das Auswärtige Amt finanziert den Einsatz mit 600.000 Euro. Mit der Maschine sollen auch Hilfsgüter weiterer Hilfsorganisationen in das Katastrophengebiet transportiert werden, darunter Material des DRK, des Malteser Hilfsdiensts, der Johanniter und der Arche Nova. Insgesamt hat das Auswärtige Amt bisher eine Million Euro für Hilfsmaßnahmen in Birma bereit gestellt.

Malteser-Hilfskonvoi am Ziel

Auch der Malteser Hilfsdienst hat erfolgreich eine Serie von Hilfskonvois für das Katastrophengebiet im Irrawaddy Delta gestartet. Am Sonntag kam nach Schilderung des Hilfsdienstes ein medizinischer Konvoi umjubelt von der Bevölkerung in der Hafenstadt LaButta an. Die Gruppe habe ungehindert ins Delta fahren können, sagte ein Sprecher in der Malteser Zentrale in Köln. "Wir sind sehr froh, dass wir nun als eine der ersten Organisationen in dieser am schwersten betroffenen Region Hilfe leisten können", erklärt Ingo Radtke, Leiter von Malteser International.

Ein französisches Flugzeug mit 22 Tonnen Hilfsgütern ist ebenfalls in Birma gelandet. Die Organisation Mdecins du Monde (Ärzte der Welt) teilte mit, an Bord seien Erste-Hilfe-Kästen für 20.000 Menschen sowie Medikamente gegen Malaria und Durchfall. Großbritannien hat ein Kriegsschiff der Marine zum Hilfseinsatz nach Birma geschickt. Das sagte Premierminister Gordon Brown in London.

Weiterhin Einschränkungen

Trotz leichter Lockerungen der Reiseverbote für ausländische Helfer in Birma klagen Hilfsorganisationen weiterhin über Einschränkungen. Ärzte ohne Grenzen berichtete, in einigen Gegenden werde die Organisation noch immer von Behörden behindert. Auch das Hilfswerk Caritas erklärte, für ausländische Mitarbeiter aus Asien und Europa gebe es nach wie vor Beschränkungen bei der Visa-Erteilung und dem Zugang in das Katastrophengebiet.

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen brachte am Montag 34 Tonnen Hilfsgüter mit einem Flugzeug nach Rangun. Das Material wurde in Lager des Hilfswerks gebracht und soll schnellstmöglich per Lastwagen in die am meisten vom Zyklon betroffenen Gebiete verschickt werden. Drei weitere Flugzeuge mit insgesamt 120 Tonnen Hilfsgütern wurden in Birma erwartet. Dennoch könnten die Bedürfnisse der Menschen im schwer betroffenen Irrawaddy-Delta damit kaum gedeckt werden, erklärte die Organisation.

Noch zu wenig Hilfe

Nach Einschätzung der UN kommt immer noch zu wenig Hilfe an. "Wir erreichen zu wenig Leute, und es dauert zu lange", sagte Terje Skavdal vom UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) in Bangkok. Richard Horsey vom UN-Büro für die Koordination Humanitärer Hilfe in Thailand erklärte, zwar erreichten Hilfslieferungen einige Menschen, dies geschehe aber nicht schnell genug. In der derzeitigen Situation benötigten die Opfer Trinkwasser, Unterkünfte, medizinische Hilfe und Nahrungsmittel. An all diesen Dingen fehle es derzeit in Birma.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat die Militärregierung in Birma wegen ihrer "inakzeptabel langsamen" Reaktion auf die Zyklon-Katastrophe scharf gerügt. Nun dürfe man "absolut keine Zeit mehr verlieren", sagte Ban vor Journalisten.

Ban gegen Einschalten des Sicherheitsrates

Trotzdem lehnte es Ban ab, den Weltsicherheitsrat einzuschalten. Die Entscheidung darüber liege bei den Mitgliedern des Sicherheitsrats selbst, sagte er. "Als Generalsekretär will ich mich vor allem darauf konzentrieren, humanitäre Hilfe anzubieten, um möglichst viele unnötige Opfer zu vermeiden." Mehrere westliche Politiker, unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel, hatten gefordert, das höchste UN-Gremium einzuschalten.

Die Militärjunta hat sich unterdessen Gesprächen mit den Vereinten Nationen in New York widersetzt. Ban sagte, er habe seit der vergangenen Woche mehrfach versucht, mit dem führenden General Than Swe zu sprechen. Dies sei nicht gelungen. Auch ein erster Brief an den obersten Machthaber blieb unbeantwortet.

Schutz in Klöstern

Im von "Nargis" besonders schwer betroffenen Irrawaddy-Delta haben hunderte Menschen in Klöstern Schutz gesucht, wo sie auf dem Fußboden schlafen. Andere übernachteten im Freien und tranken schmutziges Wasser, das mit Fäkalien oder Kadavern verseucht war. "Bisher haben wir genug Wasser, weil wir Regen aufgefangen haben", sagte der Abt eines Klosters in Pyapon, U Patanyale. "Aber wir haben nichts mehr zu essen."

In den kommenden Tagen werden heftige Regenfälle erwartet, die die Hilfsbemühungen behindern dürften. Einen Rückschlag erlitt die Arbeit des Roten Kreuzes am Wochenende: Ein Schiff mit Hilfsgütern sank vor der Küste des Katastrophengebietes, dabei wurden Lebensmittel mit verseuchtem Wasser durchtränkt und konnten nicht mehr verwendet werden.

Selbsthilfe der Bevölkerung

Wegen der Verzögerungen internationaler Hilfslieferungen organisiere die Bevölkerung selbst Unterstützung für die betroffenen Gebiete, sagte Alexander Richter vom Johanniter-Hilfswerk aus Rangun. Einheimische kauften große Mengen Nahrung, um sie an Bedürftige in der Katastrophenregion zu übergeben.

Die Welternährungsorganisation (FAO) erklärte, die Preise für Reis hätten sich in der birmanischen Hauptstadt inzwischen um 50 Prozent erhöht. Die Regierung müsse sich daher möglicherweise um Importe aus Nachbarländern wie Thailand und Vietnam bemühen, was Konsequenzen für die internationalen Preise haben könnte, erklärte die FAO in Rom.

Quelle: ntv.de

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