Charme-Offensive in Algier Es geht um Öl und Gas
17.07.2008, 10:56 UhrDeutschland und Algerien wollen ihre Wirtschaftsbeziehungen trotz verkrusteter sozialistischer Strukturen in dem öl- und gasreichen Land weiter intensivieren. Zum Abschluss ihrer ersten zweitägigen Algerien-Reise sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in Algier, sie sehe ihren Besuch als weiteren Schritt in der "Dynamisierung der freundschaftlichen Beziehungen". Einen Durchbruch gab es am 54. Geburtstag der Kanzlerin in den laufenden Verhandlungen über zahlreiche Großprojekte aber noch nicht, die der deutschen Wirtschaft Milliarden-Aufträge bringen könnten.
Deutsche Bauplanung für Moschee
Nach einem Gespräch Merkels mit dem algerischen Staatspräsidenten Abdelaziz Bouteflika wurde einzig ein - wenn auch spektakulärer - Vertrag über die Bauplanung der drittgrößten Moschee der Welt durch ein deutsches Architekten- und Ingenieurteam geschlossen. Das muslimische Gotteshaus in Algier soll rund 40.000 Gläubigen Platz bieten und bis 2012 fertiggestellt sein. Merkel und Bouteflika sahen nach ihrem Gespräch auch neue Chancen für den Nahost-Friedensprozess, nachdem Syrien alte Position aufzugeben scheint.
Heimreise mit Air Algrie
Pech hatte die Kanzlerin ausgerechnet an ihrem Geburtstag mit der Heimreise. Wegen eines Schadens an ihrer Maschine konnte sie erst mit etwa eineinhalbstündiger Verspätung an Bord eines Ersatzflugzeugs der Staatslinie Air Algrie nach Berlin starten. Die Maschine der Flugbereitschaft der Bundesluftwaffe war auf dem Flughafen von Algier durch eine fahrende Gangway beschädigt worden. Es entstand ein 30 Zentimeter langer Riss, der den Start unmöglich machte.
Wichtige Energieprojekte
Während des Besuchs wurde vonseiten des Konzerns ThyssenKrupp unter anderem weiter über den Verkauf von vier Fregatten im Wert von fünf Milliarden Euro gesprochen. Die deutschen Energiekonzerne E.ON und RWE hoffen auf eine Beteiligung an der Erdöl- und Erdgasförderung. Ein Unternehmen will kombinierte Gas- und Solarkraftwerke mit algerischen Partnern entwickeln.
Merkel äußerte die Hoffnung, dass deutsche Unternehmen in nächster Zeit verstärkt Zuschläge der algerischen Regierung bekommen werden. Die Wirtschaftskontakte sollen auch durch die Bildung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit Wirtschafts- und Regierungsvertretern beider Länder intensiviert werden. Hier soll schneller als bisher über Genehmigungsschwierigkeiten und Handelshindernisse gesprochen werden. Zwei Drittel der Betriebe im sozialistisch geprägten Algerien sind nach wie vor in staatlicher Hand. Angesichts seiner enormen Öl- und Gasvorkommen gilt Algerien aber als potenzielles Wachstumsland.
Besuch der Kanzlerin nützlich
Merkel hatte sich während ihres Aufenthalts besonders für engere Wirtschaftsbeziehungen zu dem Land stark gemacht, das schon heute der drittgrößte Gaslieferant Europas ist. "Wir können und wollen uns steigern", sagte sie in einer Rede vor der deutsch-algerischen Außenhandelskammer in Algier. Deutschland hat im vergangenen Jahr Waren im Wert von 1,2 Milliarden Euro nach Algerien ausgeführt. Obwohl Algerien über Devisenreserven von rund 69 Milliarden Euro verfügt, steht es auf der Liste der Länder, in die die deutsche Wirtschaft Waren exportiert, nur an 59. Stelle.
Wirtschaftsstaatssekretär Bernd Pfaffenbach sagte zu den laufenden Verhandlungen: "Die Gespräche laufen gut. Der Besuch der Kanzlerin wird sich als nützlich erweisen."
"Frauen gehen ihren Weg"
Zu Beginn ihres zweiten Besuchstages traf Merkel mit algerischen Frauen in Führungspositionen in Wirtschaft, Kultur und Medien zusammen. Danach meinte sie, viele Frauen gingen in dem islamisch geprägten Land bereits ihren Weg. Man müsse aber aufpassen, dass die Entwicklung für die Frauen nicht wieder schwieriger werde. Gewalt gegen Frauen müsse gesetzlich schärfer unterbunden werden. Damit spielte Merkel darauf an, dass in Algerien Vergewaltigung in der Ehe nicht strafbar ist. Die Kanzlerin versprach, sich für die Frauen einzusetzen. Bei dem anschließenden Gespräch mit Bouteflika sprach sie auch dieses Thema an.
Merkel und Bouteflika sahen "Anlass zum Optimismus", dass Bewegung in den Nahost-Konflikt kommt. Nach den Worten von Merkel geht Bouteflika davon aus, dass Syrien nun tatsächlich diplomatische Beziehungen zum Libanon aufnehmen wird. Eine entsprechende Ankündigung hatte Syrien auf dem Gipfel der EU mit den Mittelmeeranrainern in Paris gemacht.
Quelle: ntv.de