n-tv.de Interview "Es wird Unruhe in der SPD geben"
29.09.2009, 11:49 UhrIst die SPD noch zu retten? Ein Gespräch mit Nils Diederich, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin.
n-tv.de: Ist bei der SPD ein baldiger Wachwechsel zu erwarten, bei dem Frank-Walter Steinmeier auf kurz oder lang doch keine bestimmende Rolle mehr spielen wird?
Nils Diederich: Was mich als Politikwissenschaftler erstaunt hat, ist die Selbstgewissheit, mit der Steinmeier verkündet hat, er werde der nächste Fraktionsvorsitzende sein. Was er da getan hat, ist etwas, was politisch sehr unklug ist. Er hat nämlich jede Diskussion abgewürgt. Das kennen wir zwar aus der Politik, das machen vor allen Dingen Leute, die die Flucht nach vorn nötig haben. Ich prognostiziere, dass es nach der Wahl von Steinmeier heute Nachmittag zunehmend eine Diskussion geben wird, wer dort an die Spitze gehört. Das heißt, die SPD verschafft sich auf diese Weise weitere Unruhe.

(Foto: dpa)
Die SPD steht weiter vor dem Dilemma: Die linken Anhänger zurückgewinnen, ohne die Mitte zu verlieren. Das scheint die Quadratur des Kreises zu sein. Wer kann das Kunststück hinbekommen? Sehen Sie jemanden in der SPD?
Es gibt hier ein breites Spektrum von Politikern der zweiten Reihe, die man bisher noch nicht so beobachtet hat und ich denke, die müssen jetzt Profil zeigen und nach vorne gehen. Es kommt jetzt weniger auf eine einzelne Person an als auf den Konsens, auf die Konsensbildung in der Partei. Diese Konsenbildung kann wiederum nur über eine Sachdebatte und über eine Einigung in den Zielen in der Opposition liegen.
Und dann kommen die Nichtwähler zurück?
Zweifellos: Man muss die Nichtwähler zurückgewinnen, man muss die Stimmen von den Linken, aber auch von den Grünen zurückgewinnen. Dies erfordert eine sehr klare, sehr deutliche Zielsetzung, eine sehr klare Profilierung auch gegenüber der neuen Koalition. Da ist allerdings die Positionierung erst dann möglich, wenn man genau weiß, was diese Koalition nun vereinbart hat, ob es Frau Merkel gelingt, einen wirtschaftsliberalen Kurs soft, sanft zu konstruieren oder ob sie der FDP sehr viele Zugeständnisse machen muss. Von da aus hängt das dann auch ab, welche Position die SPD einnehmen kann.
Aber steht nicht schon fest, dass sich die SPD wieder nach links orienteiren muss?
Das sehe ich nicht so. Was die SPD nicht tun kann und nicht tun sollte, ist, auf bestimmte Forderungen der Linkspartei einzuschwenken. Aus der NATO raus geht natürlich nicht und auch Hartz IV weg würde ja bedeuten, dass man zum Jahr 1989 zurückkehrt. Hier muss die SPD aufzeigen, wie man durch kluge Änderungen den Bedürfnissen der sozial Schwächeren entgegenkommen kann.
Quelle: ntv.de