Politik

Bewährungsprobe Finanzkrise Es wird ernst im Wahlkampf

Es wird ernst im US-Wahlkampf, und das nicht nur, weil die Wahl inzwischen nicht einmal mehr 50 Tage entfernt ist. Der Finanztaumel an der Wall Street drängt alle anderen Themen in den Hintergrund - und stellt die Kandidaten Barack Obama und John McCain auf eine Probe, deren Bestehen für den Ausgang der Wahl am 4. November entscheidend sein könnte. Der Sieg winkt dem, der die Meinungsführerschaft in der Wirtschaftspolitik und damit das Vertrauen der verunsicherten Wähler gewinnt.

Für McCain ist die Aufgabe größer: Als Kandidat der Republikaner wird er mit der unpopulären Wirtschaftspolitik von Präsident George W. Bush in Verbindung gebracht und muss erst noch plausibel begründen, was er anders machen würde als sein Parteifreund. Obama hat einen Startvorteil, weil die Wähler seinen Demokraten die größere Wirtschaftskompetenz zubilligen. Von diesem Vorteil konnte er aber bislang persönlich noch nicht voll profitieren, weil viele Wähler an seiner Führungskraft zweifeln. Die Vorbehalte gerade der Arbeiterschaft und der weißen Mittelklasse gegen ihn bestehen fort.

McCain leistet sich eine Blöße

Zu Beginn des wirtschaftspolitischen Schlagabtausches nach der dramatischen Insolvenz der New Yorker Investmentbank Lehman Brothers leistete sich McCain eine Blöße: "Ich glaube, die Fundamente unserer Wirtschaft sind immer noch stark", sagte er in Florida - und schien mit seinem Lob für die Konjunktur die Kritik der Demokraten zu bestätigen, dass ihm die wirtschaftlichen Nöte der Bürger fremd seien.

"Senator McCain, von welcher Wirtschaft sprechen sie?", entgegnete Obama in Colorado. McCain verfolge in der Wirtschaftspolitik "dieselbe Philosophie, die wir in den letzten acht Jahren hatten: nämlich denen, die das meiste haben, noch mehr zu geben, und dann zu hoffen, dass etwas von dem Wohlstand zu allen anderen nach unten sickert".

Demoskopen sehen Obama schwächeln

Bei seiner nächsten Kundgebung korrigierte McCain seine Botschaft: Nicht die Wirtschaft sei stark, sondern der Leistungswille und die Anstrengungen der amerikanischen Beschäftigten. Sein Sprecher Tucker Bonds mühte sich um Schadensbegrenzung und stellte Obamas Kritik an der Wirtschaftslage als reine Schwarzmalerei hin: "Barack Obamas kurze Karriere als Staatsdiener ist bestimmt durch Pessimismus, Bereitschaft zur Kapitulation und Schwäche angesichts der großen Herausforderungen unserer Zeit."

Laut der jüngsten Umfrage der "Washington Post" trauen 47 Prozent der Wähler Obama in der Wirtschaftspolitik mehr zu, bei McCain sind es 42 Prozent. Demoskopen lesen aus diesen Zahlen eine Schwäche des Kandidaten Obama heraus. Denn eigentlich müsste er viel mehr von den dramatischen Umständen profitieren können, die derzeit gegen eine weitere Amtszeit für die Republikaner sprechen.

Furcht um die Renten

Arbeitslosigkeit und Inflation steigen, der Wert von Häusern und Wohnungen sinkt dramatisch. Viele US-Bürger investieren einen Teil ihrer Altersvorsorge an der Börse, sie fürchten um ihre Renten. Die Stundenlöhne der Arbeitnehmer nahmen in Bushs Amtszeit inflationsbereinigt nur um ein Prozent zu, wie das liberale Economic Policy Institute in Washington errechnete. Weitaus stärker stiegen Kosten für Energie, Gesundheit oder Bildung. Aus dem Unmut über die Konjunktur resultiert eine Wechselstimmung, die sich bei Demokraten wie Republikanern breit macht.

Angesichts dessen ist es McCains einzige Chance, sich vom Erbe seines Parteifreunds Bush zu distanzieren und sich selbst als Garanten des Neubeginns anzubieten. "Wir werden nie mehr zulassen, dass Amerika in diese Lage gerät", sagte er in Florida. "Wir werden an der Wall Street aufräumen." Auch seine Vizekandidatin Sarah Palin redet, als gehöre sie der Opposition an: "Washington ist am Schalthebel eingeschlafen und war ineffektiv", sagte sie in Colorado. McCains Wirtschaftsberaterin Carly Fiorina, die Exchefin des Computerkonzerns Hewlett Packard, kritisierte Bushs Wirtschaftspolitik als "Wildwest-Wirtschaft", die aus Mangel an Aufsicht ins Schleudern gekommen sei.

Quelle: ntv.de, Peter Wütherich, AFP

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