Politik

Spritsteuern runter? Eurogruppe uneins

Die 15 Euro-Länder streiten über Steuersenkungen als Antwort auf den Rekordölpreis. "Wir sollten nicht politisch reagieren", bekräftigte der Vorsitzende der Eurogruppe, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, nach einem Treffen der Euro-Finanzminister in Frankfurt. Die Finanzminister von Deutschland, Spanien und den Niederlanden hatten sich bereits vor Beginn der Sitzung, die anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Europäischen Zentralbank (EZB) am Sitz der Notenbank abgehalten wurde, gegen einen Vorschlag von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy gewandt.

Sarkozy hatte angeregt, die Mehrwertsteuer auf Benzin und Heizöl EU-weit zu senken, um die Preisexplosion an den Tankstellen zu mildern. Frankreich hält trotz des Widerstandes an seinem Vorschlag fest.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sprach sich gegen Steuersenkungen wegen der Ölpreise aus: "Das hat sich in der Vergangenheit häufig als Fehler herausgestellt." Auch Ökonomen meinen, dass Steuersenkungen nicht zwangsläufig zu niedrigeren Preisen führten. Eher das Gegenteil könnte folgen. In der vergangenen Woche hatte der Ölpreis zeitweise über den Rekordstand von 135 US-Dollar je Barrel (159 Liter) notiert.

"Wir haben ein echtes Problem"

"Wir brauchen eine politische Antwort auf die aktuelle Situation", sagte die französische Finanzministerin Christine Lagarde. "Wir müssen es zumindest diskutieren." Frankreich will mit einem Maßnahmenpaket die ärmsten Haushalte vor den Folgen steigender Ölpreise und hoher Inflation schützen. Der Rekordölpreis mindert die Kaufkraft und trifft insbesondere einkommensschwache Haushalte.

Juncker sagte: "Frankreich hat Recht, wir haben ein echtes Problem." Er mahnte jedoch: "Wir brauchen eine koordinierte Aktion." Die EU-Kommission hatte darauf hingewiesen, dass eine Senkung von Mehrwertsteuersätzen einstimmig von den EU-Staaten beschlossen werden müsse. In der EU gilt ein Mindestmehrwertsteuersatz auf Benzin und andere Ölprodukte von 15 Prozent. Für eine Änderung wäre ein einstimmiger Beschluss aller 27 Mitgliedstaaten nötig.

Die Eurogruppe forderte Europas Regierungen auf, sich bis zum EU-Gipfel am 19./20. Juni Gedanken zu machen, wie die Europäische Union den hohen Ölpreisen Herr werden kann. EU-Währungskommissar Joaqun Almunia rief zum Energiesparen auf: "Wir sollten Energie nicht mehr so konsumieren wie in der Vergangenheit. Wir können die Marktsignale nicht ignorieren."

IWF warnt vor zu viel Optimismus

Der Internationale Währungsfonds (IWF) traut den 15 Euro-Ländern trotz steigenden Preisen für Rohöl und Lebensmittel sowie der anhaltenden Finanzmarktkrise 2008 mehr Wachstum zu als zunächst erwartet. Auch Juncker und Almunia dämpften Sorgen, der hohe Ölpreis könne das Wirtschaftswachstum in Europa zum Stillstand bringen. "Die Wirtschaft des Euro-Raums ist stabil", betonte Juncker. Der IWF erwartet in diesem Jahr im Euro-Raum ein Wirtschaftswachstum von rund 1,75 Prozent statt der bislang prognostizierten 1,4 Prozent. Der amtierende Direktor der Europa-Abteilung des IWF, Alessandro Leipold, warnte jedoch vor zu viel Optimismus: "Die Wirtschaft in der Euro-Zone ist zwar widerstandsfähig, aber sie ist nicht immun." Im vergangenen Jahr war die Wirtschaft im Euro-Raum um 2,6 Prozent gewachsen. Für 2009 geht der IWF unverändert von 1,25 Prozent aus.

Der IWF rief die EZB dazu auf, die Zinsen im Euro-Raum trotz der hohen Inflation unverändert zu lassen. "Das ist unsere wichtigste Botschaft", sagte Leipold. Der Leitzins im Euro-Raum liegt seit Ausbruch der Finanzmarktkrise im vergangenen Sommer konstant bei 4,0 Prozent. Wegen der Rekordteuerungsrate von zuletzt 3,6 Prozent mehren sich Stimmen nach einer Zinserhöhung. Die Abkühlung der Konjunktur spricht jedoch eher für eine Zinssenkung. An diesem Donnerstag wird der EZB-Rat die Zinsen nach Expertenansicht unverändert lassen.

Finanzminister lockern die Sparziele

Durchsetzen konnte Frankreich sich mit dem Vorstoß, die Sparziele zu lockern. Die Finanzminister verpflichteten sich, bis 2012 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Noch vor einem Jahr hatten sie dies für 2010 vereinbart.

Das in Berlin festgelegte Zieldatum 2010 sei "nicht fallen gelassen worden", seine Erreichung hänge aber von der wirtschaftlichen Lage jedes einzelnen Landes ab, erklärte Juncker. Diese Relativierung begründete er damit, dass sich die gesamtwirtschaftliche Lage seit der Vereinbarung von Berlin im April 2007 geändert habe.

Sarkozy hatte die Vereinbarung schon kurz nach seinem Amtsantritt im Mai 2007 in Frage gestellt. Bei einem schwachen Wirtschaftswachstum werde Frankreich einen ausgeglichenen Haushalt erst 2012 vorlegen können, erklärte er im Juli vor den Finanzministern der Eurogruppe in Brüssel. Steinbrück musste damals einräumen, dass Italien der Berliner Vereinbarung von vornherein nur unter Einschränkungen zugestimmt hatte.

Die Europäische Zentralbank (EZB) wurde am 1. Juni 1998 gegründet. Ihre wichtigste Aufgabe ist, für stabile Preise im Euro-Raum zu sorgen.

Quelle: ntv.de

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