Politik

Libyer feiern Festnahmen Ex-Geheimdienstchef verhaftet

"Allahu akbar"-Rufe in Tripoli.

"Allahu akbar"-Rufe in Tripoli.

(Foto: dpa)

Nur einen Tag nach der Festnahme von Saif al-Islam, dem Lieblingssohn des libyschen Ex-Diktators Gaddafis, wird nun auch Abdullah al-Sanussi geschnappt. Der ehemalige Geheimdienstchef des Landes soll sich im Haus seiner Schwester versteckt haben. Wie das neue Libyen allerdings mit den alten Machthabern abrechnet, ist fraglich.

In Libyen ist nach dem Gaddafi-Sohn Saif al-Islam offenbar auch der ehemalige Geheimdienstchef des gestürzten Machthabers Muammar al-Gaddafi gefasst worden. Der libysche Fernsehsender Al Ahrar berichtete, dass Abdullah al-Senussi im Haus seiner Schwester in der südwestlichen Stadt Sabha aufgegriffen wurde. Gegen den Vertrauten Muammar al-Gaddafis liegt ein internationaler Haftbefehl wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.

Der letzte aus dem Gaddafi-Clan ist gefangen: Saif al-Islam.

Der letzte aus dem Gaddafi-Clan ist gefangen: Saif al-Islam.

(Foto: REUTERS)

Vor einem knappen Monat hatte der letzte noch in Libyen untergetauchte Gaddafi-Sohn mit großen Worten zum Kampf aufgerufen. "Das ist unser Land, wo wir leben und sterben. Wir werden den Widerstand fortsetzen", drohte Saif al-Islam (arab. "Schwert des Islam") damals in einer kurzen Audiobotschaft. Die Flucht des 39-Jährigen endete nun in Al Obari im Süden des nordafrikanischen Landes. Er hatte sich offenbar in den Niger absetzen wollen.

Die neuen Machthaber gaben am frühen Samstagnachmittag seine Festnahme bekannt. Mit "Allahu Akbar"-Rufen (Gott ist groß) reagierten Teilnehmer einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Tripolis spontan auf die Nachricht. Im ganzen Land gingen Menschen auf die Straße, um die Verhaftung des Lieblingssohns des verhassten Diktators zu feiern. Autokorsos bildeten sich und Libyer feuerten Freudenschüsse in die Luft.

"Es ist eine unbeschreibliche Freude", sagt Redscheb al-Sueiri. Er ist mit seiner kleinen Enkeltochter gekommen, die er auf den Schultern trägt, um den Tag zu feiern. "Eine der letzten Säulen der Ära Gaddafi ist gefallen", sagt der 19-jährige Student Omar Abderrahim, der eine Schärpe in den Farben der neuen libyschen Flagge trägt. "Das ist ein sehr gutes Omen für das befreite Libyen."

Offener Hass für Saif al-Islam

Autokorsos und Freudenschüsse: Die Freude der Libyer ist groß.

Autokorsos und Freudenschüsse: Die Freude der Libyer ist groß.

(Foto: REUTERS)

Auch Fariha Fakrun lässt ihrer Freude über die Festnahme des 39-jährigen Gaddafi-Sohnes freien Lauf: "Er bedrohte uns mit seinem Zeigefinger, und nun schneiden sie ihm die Finger ab." Die Hausfrau bezieht sich auf das erste Bild von Seif el Islam, welches das libysche Fernsehen kurz nach dessen Festnahme verbreitete. Der Gaddafi-Sohn lehnt dabei an einer Bettkante, drei Finger seiner rechten Hand sind verbunden, seine Beine in eine Decke gehüllt.

Dem Sohn Gaddafis schlägt offener Hass entgegen. Einst galt er als gemäßigter Reformer, der irgendwann die Nachfolge seines Vaters antreten würde, doch mit dem Beginn der Revolte wurde er zum Symbol für die Unterdrückung des libyschen Volkes. Niemand hat seinen Auftritt im libyschen Staatsfernsehen zum Beginn der Revolte vergessen, als er mit seinem Finger auf die Aufständische zeigte und ihnen mit einem Blutbad drohte.

Letztes Kapitel der alten Zeit

Videoaufnahmen zeigten Saif al-Islam, der früher gerne smart und weltmännisch auftrat, mit Vollbart. Gekleidet in einem traditionellen Gewand, ein Tuch um den Kopf gewickelt, wurde er ins nordwestliche Sintan gebracht, wo er zunächst bleiben sollte.

Seit mehreren Wochen war über den Aufenthaltsort des mit internationalem Haftbefehl gesuchten Saif al-Islam spekuliert worden. Und immer wieder hieß es, der politisch ambitionierte Spross des selbst ernannten Revolutionsführers sei verhaftet worden oder gar tot. Zeitweise hieß es, er werde sich freiwillig stellen. Doch bestätigten sich diese Berichte nicht, der Diktatorensohn blieb verschwunden.

Diesmal hatten die früheren Rebellen und heutigen Herrscher mehr Erfolg. Nach mehr als 40 Jahren an der Macht sind jetzt wohl alle Mitglieder des Gaddafi-Clans entweder tot, im Exil oder hinter Gittern. Und während Libyen eine neue Regierung aufstellt, ein Parlament wählt und eine neue Verfassung bekommt, wird mit dem Prozess gegen den Lieblingssohn auch eines der letzten Kapitel der alten Zeit beendet.

Lebenslange Haft oder doch Todesstrafe?

Wie das neue Libyen allerdings mit den alten Machthabern abrechnet, ist fraglich. Gerade die bis heute nicht geklärten Todesumstände von Muammar al-Gaddafi vom 20. Oktober lassen Menschenrechtler an einem fairen Prozess zweifeln. Der Interims-Regierungschef Abdulrahim Al-Kib stellte bereits klar, dass das Verfahren auf jeden Fall in Libyen stattfinden soll. "Es ist das Recht unseres Volkes, ihn hier vor Gericht zu stellen", sagte er und versprach zugleich, dass Saif al-Islam fair behandelt werde.

Vorgeworfen wird dem Diktatorensohn, dass er als Mitglied der Führungsriege für Morde an Hunderten Zivilisten, Folterungen, militärische Gewalt gegen unbewaffnete Demonstranten und gezielte Massenvergewaltigungen Verantwortung trage. Bei einem Schuldspruch wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, könnte der Strafgerichtshof in Den Haag als Höchststrafe lebenslange Haft verhängen. Bei einem Verfahren in Libyen könnte ihm sogar die Todesstrafe drohen.

Einen Monat nach Gaddafis Tod jedenfalls strahlte der libysche Fernsehsender Al Ahrar Bilder aus, die einen anderen Eindruck vermitteln über den Umgang mit gefangenen Vertretern des alten Regimes. In dem mit einem Mobiltelefon aufgenommenen Video wird Saif al-Islam lebendig gezeigt. Er liegt auf den ersten Blick unversehrt und in Decken gehüllt auf einem Sofa. Nur die Finger der rechten Hand sind bandagiert.

Libyer wünschen fairen Prozess

Etliche Einwohner von Bengasi sagen, Saif-al Islam solle der Prozess gemacht werden - aber er solle nicht hingerichtet werden. "Wenn wir wirklich ein Rechtsstaat werden wollen, dann müssen wir mit Saif ein Beispiel geben", sagt Ahmed al-Alam, ein Fischer, der nach eigenen Angaben unter Gaddafi im Gefängnis saß. Ein anderer pflichtet ihm bei: Gaddafis Sohn müsse ein ordentlicher Prozess gemacht werden - und das in Libyen.

 

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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