Politik

Härtere Strafen nach S-Bahn-Mord? Experten lehnen ab

Die Politik diskutiert nach dem tödlichen Angriff in der Münchner S-Bahn eine Verschärfung des Jugendstrafrechts - das lehnt der Deutsche Richterbund ab und kritisiert die Instrumentalisierung im Wahlkampf.

Tatort S-Bahnsteig: Die Debatte um die Folgen der Tat beschäftigt Politik und Experten.

Tatort S-Bahnsteig: Die Debatte um die Folgen der Tat beschäftigt Politik und Experten.

(Foto: AP)

Nach der tödlichen Attacke zweier Jugendlicher auf einen Münchner S-Bahn-Fahrgast haben sich Experten aus Justiz und Wissenschaft gegen eine Verschärfung des Jugendstrafrechts gewandt. Der Deutsche Richterbund (DRB) und die Stiftung Kriminalprävention bezeichneten die Debatte als überflüssig und unsinnig.

Der DRB-Vorsitzende Christoph Frank kritisierte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung", die Politik erliege "leider erneut der Versuchung, Fragen des Strafrechts für schnelle und plakative Botschaften zu missbrauchen". Die Formel härtere Strafen gleich höhere Abschreckung gleich weniger Straftaten sei schlicht falsch. "So berechtigt das Entsetzen über die abscheuliche Tat von München ist, so falsch ist es, die Attacke jetzt vor der Bundestagswahl zu instrumentalisieren", betonte der Oberstaatsanwalt. Die gesetzlichen Möglichkeiten für den Umgang mit straffälligen Jugendlichen seien absolut ausreichend. Dagegen seien Sanktionen gegen Jugendliche aber oft schwer zu vollstrecken, weil es der Justiz an Arrestplätzen und in den Kommunen an Erziehungsangeboten für junge Straftäter fehle.

Auf Prävention achten

Der Vorsitzende der Stiftung Kriminalprävention in Münster, Klaus Stüllenberg, bezeichnete Rufe nach schärferen Gesetzen, höheren Strafen oder mehr Sicherheitskräften als unsinnig. Er beklagte vielmehr Versäumnisse in der Prävention. "Hätten die Täter von München ihr Vorhaben, Kinder zu berauben, durchgebracht, und wären sie danach von der Polizei ermittelt worden, dann hätten sie vermutlich ein Jahr auf eine richterliche Ansage gewartet", sagte Stüllenberg in Münster. "Wir benötigen eine unverzügliche Ansprache nach Rechtsverstößen, angemessene Sanktion und konsequente Hilfestellung", verlangte der Experte. "All das nenne ich Prävention, die in den letzten 20 Jahren verlernt worden ist", betonte er.

Zwei 17 und 18 Jahre alte Jugendliche hatten am Samstag in München einen 50-Jährigen zu Tode geprügelt. Der Mann hatte eine Gruppe anderer Jugendlicher vor den Schlägern schützen wollen.

Debatte um Gaffer

Derweil ist eine Debatte um die Rolle der Augenzeugen bei der Tat entbrannt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob ein beherztes Einschreiten den Tod des 50-Jährigen hätte verhindern können. "Da sind wir noch am Anfang der Ermittlungen", sagte Oberstaatsanwaltin Barbara Stockinger in München. "Wir haben keine konkreten Hinweise auf irgendwelche Gaffer, die nur dastanden und zugeguckt haben."

Polizeisprecher Peter Reichl berichtete, eines der bedrohten Kinder habe angegeben, es habe Passanten um Hilfe gebeten. "Wir haben eine Aussage, dass die Kinder noch Passanten angesprochen hätten, aber dass das auf taube Ohren gestoßen ist." Möglicherweise sei das aber noch vor dem Angriff auf den 50-Jährigen gewesen, als noch nichts auf die Eskalation hindeutete. "Es könnte sein, dass der Angesprochene die Gefährlichkeit der Situation nicht erfasst hat", betonte Reichl. Als die Schlägerei dann im Gange war, seien mehrere Notrufe verschiedener Zeugen bei der Polizei eingegangen.

Quelle: ntv.de, tis/dpa

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