Politik

Schlammschlacht in Israels Wahlkampf Extreme schwächen Netanjahu

Wahlwerbung für Netanjahu und Lieberman in Jerusalem.

Wahlwerbung für Netanjahu und Lieberman in Jerusalem.

(Foto: dpa)

Drei Wochen vor der Parlamentswahl in Israel kann das Lager rechter, nationalistischer und religiöser Parteien seine Zahl der Mandate steigern. Die oppositionellen und auch alle traditionellen Parteien leiden unter Stimmenschwund. Regierungschef Netanjahu dürfte das erheblich schwächen.

Der Wahlkampf in Israel wird immer chaotischer und der Wahlausgang am 22. Januar immer ungewisser. Virtuelle Koalitionen werden geschlossen und wieder aufgelöst, noch ehe der Wähler seine Stimme abgegeben hat. Ob die Umfrageinstitute die großen Verlierer sind, oder fast alle Parteien, wird erst in der Wahlnacht bekannt werden. Während sich die prominentesten Politiker gegenseitig vorwerfen, "Extremisten" von links wie rechts zu stärken, bleibt der israelische Wähler verwirrt auf der Strecke.

Bei einer Kabinettsrunde mit Netanjahu.

Bei einer Kabinettsrunde mit Netanjahu.

(Foto: AP)

Dabei gilt Premierminister Benjamin Netanjahu bereits als sicherer Wahlsieger. Das zumindest erwarten 80 Prozent der befragten Israelis. Darunter auch jene, die gar nicht für Netanjahus Likud-Partei stimmen wollen. Das Bündnis des Likud mit der rechtsgerichteten Partei "Unser Haus Israel" des unter Anklage stehenden Ex-Außenministers Avigdor Lieberman hat keineswegs das gewünschte Ergebnis gebracht. Die Idee war, mit vereinten Kräften mehr Mandate zu erhalten, als die bisherigen 45 Sitze der insgesamt 120 Abgeordneten in der Knesset. Doch das Bündnis hat offenbar die Stammwähler beider Parteien abgeschreckt. Im freien Fall abgestürzt darf Likud-Unser-Haus-Israel bestenfalls noch mit 34 Mandaten rechnen, weniger als die Likud-Partei im Alleingang erhalten hätte.

Lieberman will reinen Tisch

Der ehemalige Außenminister und autokratische Führer der rechtsgerichteten Partei, Lieberman, ist zeitweilig aus der Politik ausgestiegen, um sich einem Korruptionsprozess zu stellen. Er hofft, bis zum Wahltag das Verfahren mit einem Freispruch abzuschließen. Am Sonntag hat er über seinen Sprecher in einem Zeitungsinterview eine verbale Attacke gegen Netanjahu gefahren, die dem Regierungschef zusätzlich schaden könnte: Das Bündnis mit Likud sei Wahltaktik und werde nach den Wahlen wieder aufgelöst.

Manche Likud-Anhänger atmeten auf, eine "katholische Hochzeit" bleibt ihnen erspart. Doch gleichzeitig wird Netanjahus "Weisheit" hinterfragt, gemeinsame Sache mit dem unberechenbaren Lieberman gemacht zu haben.

Bennet könnte Netanjahu schwer schaden.

Bennet könnte Netanjahu schwer schaden.

(Foto: picture alliance / dpa)

Netanjahu gerät zudem in schwere Nöte durch den jungen dynamischen Rechtsaußen Naftali Bennet. Mit seiner "Jüdisches Haus Partei" könnte der Aufsteiger mit 16 Mandaten Netanjahus Vormachtstellung streitig machen. Bennet lehnt einen palästinensischen Staat ab und strebt stattdessen einen Anschluss des Westjordanlandes an.

"Echte Politik" kann nur Likud

In ausführlichen Interviews am Wochenende, darunter im "Radio am Sonntag", bezichtigte Netanjahu die linken Oppositionsparteien, "mit allen Mitteln zu versuchen, mich zu stürzen ..." Dieser Vorwurf ist neu und geradezu erklärtes Ziel aller Linksparteien, Netanjahus Monopol zu brechen, ihn zu ersetzen, oder wenigstens als Koalitionspartner ihre Ideen in die Regierungspolitik einzubringen.

Die wichtigsten Kontrahenten Netanjahus sind die ehemalige TV-Journalistin Scheli Jechimowitsch (Arbeitspartei), der ehemalige TV-Moderator Jair Lapid (Zukunft) und die ehemalige Kadima-Vorsitzende Zipi Livni (Bewegung). Bislang haben sie sich gegenseitig den Rang abgelaufen und damit die Opposition gegen "Bibi" - wie Netanjahu im Volksmund heißt - verzettelt. Ohnehin böten sie laut Netanjahu nur "konfuse Vorschläge" zu bezahlbarem Wohnraum und anderen sozialen Fragen, während die "echten Gefahren für Israel", wie das iranische Atomprogramm, Verhandlungen mit den Palästinensern, Syrien, Ägypten und die angespannten Beziehungen Israels mit den USA und der EU, ausgeklammert blieben.

Per SMS sollen die Oppositionsparteien verabredet haben, ein gemeinsames Regierungskonzept auszuarbeiten. Netanjahu kommentierte das abschätzig: Per SMS lässt sich kein Staat lenken. Die bislang größte Partei in der Knesset, Kadima, mit Ex-Verteidigungsminister Schaul Mofaz an der Spitze, dürfte laut Umfragen nicht einmal die Sperrklausel von nur 2 Prozent schaffen.

Opposition ist uneins

Indes verwirren die teils widersprüchlichen wahltaktischen Manöver. Jechimowitch wurde schon als Finanzministerin unter Netanjahu gehandelt und sollte Israels Wirtschaft in Ordnung bringen. Plötzlich kündigte sie an, unter keinen Umständen eine Koalition mit Netanjahu eingehen zu wollen. Die als unerfahren geltende Politikerin will Netanjahu nach eigenen Angaben entweder ablösen oder als Oppositionsführerin gegen ihn zu Felde ziehen. Diese Aussagen haben ihrer aufstrebenden Partei mehrere Sympathiepunkte gekostet.

Aber nicht nur die oppositionellen, auch alle traditionellen Parteien leiden unter Stimmenschwund. Größere Sorgen bereitet den Wahlkampfmanagern ein Anteil von über 20 Prozent "unentschiedener" Wähler und eine voraussichtlich niedrige Wahlbeteiligung.

Ob die Linksparteien die Rechten ausbremsen und nach den Wahlen einer Netanjahu-Koalition die absolute Mehrheit im Parlament verweigern können, ist ebenso ungewiss wie Netanjahus Zuversicht, als unangefochtener Sieger aus den Wahlen hervorzugehen. Eindringlich appellierte der Regierungschef an die Israelis, ihre Stimme abzugeben - und dabei natürlich Likud zu wählen. Denn die anderen Parteien im rechten Lager seien abgetreten, um seine Macht als künftigen Premierminister zu schwächen.

Quelle: ntv.de

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