Politik

Auch "Republikaner" FDP lockt Protestwähler

"Sie ärgern sich über die Politik?", fragt der nordrhein-westfälische FDP-Chef Jürgen Möllemann auf seiner Homepage. "Dann ärgern Sie doch die Politik. Der Denkzettel dafür heißt FDP." Auf diesen Kurs scheint nun auch Parteichef Guido Westerwelle eingeschwenkt zu sein.

Westerwelle kündigte am Samstag an, sich auch um die Wähler der rechtsradikalen "Republikaner" bemühen zu wollen. "Wer PDS oder Republikaner gewählt hat, muss noch kein Extremist sein", sagte Westerwelle der "Bild am Sonntag".

"Das können Menschen sein, die ein Ventil für ihren Frust gesucht haben. Wenn wir als Partei der demokratischen Mitte diese Wähler für die FDP gewinnen wollen, dann ist das ehrenwert und ein Dienst an der Demokratie." Die Stimmen am äußersten rechten Rand wolle die FDP aber nicht gewinnen, so Westerwelle.

Der FDP-Chef erneuerte sein Gesprächsangebot an den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel. Dieser machte allerdings eine Entschuldigung Möllemanns zur Voraussetzung für Gespräche.

"Größte Beleidigung für Juden seit Holocaust"

Möllemann hatte Spiegels Stellvertreter Michel Friedman wie auch dem israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon vorgeworfen, sie verschafften den Antisemiten Zulauf.

"Dieser Vorwurf hat uns zutiefst verletzt", sagte Spiegel der "Welt am Sonntag". Dies sei "die größte Beleidigung, die eine Partei in der Geschichte der Bundesrepublik nach dem Holocaust ausgesprochen" habe. Solange diese Beleidigung nicht vom Tisch sei, sehe er keine Grundlage für Gespräche.

CDU in großer Sorge

Der Vorsitzende der CDU-Wertekommission, der rheinland-pfälzische CDU-Chef Christoph Böhr sagte: "Wir sehen die Entwicklung der FDP mit großer Sorge." Schließlich sei die FDP der bevorzugte Koalitionspartner der Union, sagte Böhr der Ludwigshafener Tageszeitung "Rheinpfalz".

Der Grünen-Spitzenkandidat Joschka Fischer sprach von einem Kurswechsel Möllemanns, "für den er jetzt des Volkes Stimme mobilisieren möchte". Das führe ihn "in unmittelbare Nachbarschaft von Haider und Konsorten", sagte Fischer.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sagte auf einem Landesparteitag der thüringischen SPD in Arnstadt: "Wer regieren oder mitregieren will, hat die Verpflichtung, Spielereien mit Fremdenfeindlichkeit, ja gar Antisemitismus zu unterlassen".

Westerwelle wies Schröders Vorwurf als "infam, arrogant und verleumderisch" zurück. Es sei ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver der SPD, die FDP in eine rechtsradikale Ecke schieben zu wollen.

Lambsdorff und Genscher gegen Möllemann

Unterdessen stellte sich der Ehrenvorsitzende der FDP, Otto Graf Lambsdorff, auf die Seite des Zentralrats. Möllemanns Streit mit Friedman sei gefährlich, "weil er ein typisches, sehr altes antisemitisches Verhaltensmuster nutzt". Seine Erfahrung als Beauftragter des Bundeskanzlers für die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter sei, "dass Juden Äußerungen wie die von Möllemann als antisemitisch auffassen".

Auch der zweite Ehrenvorsitzende der FDP, Hans-Dietrich Genscher, stellte sich gegen Möllemann. Genscher habe seinen Ziehsohn zwar jüngst gegen Antisemitismus-Vorwürfe in Schutz genommen, verlange aber, dass der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Jamal Karsli nicht Mitglied der Düsseldorfer FDP-Fraktion bleiben dürfe.

Karsli war bei den Grünen ausgetreten, nachdem die Partei ihn aufgefordert hatte, Vergleiche zwischen Israel und dem Nationalsozialismus zu unterlassen. Sein Eintritt in die FDP-Fraktion war von deren Fraktionschef Möllemann betrieben worden.

Quelle: ntv.de

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