"Schicksalsentscheidung" FDP will an die Macht
15.05.2009, 18:27 UhrDie FDP will zurück an die Macht. Nach elf Jahren in der Opposition wollen die Liberalen mit einem starken Ergebnis bei der Bundestagswahl eine Abwahl der Großen Koalition erreichen und ein rot-rot-grünes Bündnis verhindern. Der Bundesparteitag in Hannover stärkte dafür Parteichef Guido Westerwelle demonstrativ den Rücken und bestätigte ihn mit überwältigenden 95,8 Prozent im Amt. "Wir wollen regieren", rief Westerwelle den rund 660 Delegierten zu und sprach von einer "Schicksalsentscheidung" für Deutschland. Er machte deutlich, dass die Union der bevorzugte Koalitionspartner für die FDP ist. Eine förmliche Koalitionsaussage soll aber erst kurz vor der Wahl am 27. September getroffen werden.
Viel diskutierte Konstellationen wie eine rot-gelb-grüne Ampel-Koalition sprach Westerwelle in seiner gut eineinhalbstündigen Grundsatzrede mit keinem Wort an, ließt sie damit also bewusst offen. Der Parteichef, der durch das Wahlergebnis erheblichen Rückenwind für den Wahlkampf bekommen haben dürfte, warnte grundsätzlich vor einem Linksruck. Den Liberalen sei aber auch bewusst, dass einige in der Union längst mit einer Fortsetzung der Großen Koalition kalkulierten. Eine feste Koalitionsaussage will die FDP erst bei ihrem Wahlparteitag eine Woche vor der Wahl beschließen.
"Wer von der Fortsetzung der Großen Koalition träumt, kann sehr schnell mit einer Linksregierung aufwachen", warnte Westerwelle. Wenn es eine linke Mehrheit gebe, werde es eine linke Regierung geben - wenn auch vielleicht über eine große Koalition als Übergangslösung. Dies habe die SPD in Hessen bewiesen. "Wer raus will aus der großen Koalition und wer ein Bündnis von SPD, Linkspartei und Grünen verhindern will, der hat nur eine Wahl: Die FDP", rief der Parteichef den Delegierten zu.
Kein Wahlkampf mit Union
Westerwelle, der für seine Rede viel Beifall erhielt, sprach sich gegen einen Lagerwahlkampf an der Seite der Union aus. "Wir kämpfen für eine starke FDP", betonte er. "Es macht einen Riesenunterschied für Deutschland, ob am Ende des Jahres die Linkspartei unter Oskar Lafontaine etwas zu sagen hat oder wir, die Kraft der Freiheit." Die FDP wolle, dass "die Achse in dieser Republik wieder in der Mitte ist, wo sie hingehört".
Westerwelle bekräftigte die Kernforderung seiner Partei nach einer schnellen Steuerreform. "Es ist die Mutter aller Reformen." Die Liberalen streben seit Jahren einen vereinfachten Drei-Stufen-Tarif mit 10, 25 und 35 Prozent an. Zugleich wollen sie Subventionen in einem Umfang von zehn Milliarden Euro abbauen. Auf diesem Wege sei es möglich, Bürger und Unternehmen um bis zu 35 Milliarden Euro zu entlasten.
Kritik an Hilfe für Opel
Westerwelle lehnte Verstaatlichungen in der Wirtschaft ab und kritisierte dabei besonders die Politik der Bundesregierung im Fall des krisengeschüttelten deutschen Autobauers Opel. Die Probleme des Unternehmens würden im Wahljahr auf dem Rücken des Steuerzahlers bekämpft. "Das wird der teuerste Wahlkampf aller Zeiten", sagte er und bekräftigte auch seine Kritik an der unterschiedlichen Behandlung von Großkonzernen und Mittelständlern. "Wenn bei den Großen einer pleitegeht, dann kommt der Bundesadler. Wenn bei den Kleinen einer pleitegeht, dann kommt der Pleitegeier." FDP-Vize Rainer Brüderle sagte mit Blick auf Opel: "Autos werden nicht besser, wenn der Staat Unternehmer wird."
Der FDP-Chef kritisierte die Eingriffe in Bürgerrechte erst unter der rot-grünen und dann unter der schwarz-roten Bundesregierung. Einer der "hässlichsten Sätze" laute, wer nichts zu verbergen habe, habe auch nichts zu befürchten. Die Liberalen wehrten sich dagegen, dass der Bürger von diesem Staat "wie ein Krimineller unter permanenten Generalverdacht gestellt" werde. Westerwelle, dem Ambitionen auf das Auswärtige Amt nachgesagt werden, kündigte an: "Abrüstung, Friedenspolitik - das wird wieder ein Schwerpunkt deutscher Außenpolitik, wenn wir regieren."
Union reagiert irritiert
Bis Sonntag will die FDP auf ihrem Parteitag in Hannover unter dem Motto "Arbeit muss sich wieder lohnen" ihr Wahlprogramm beschließen. Unions-Fraktionschef Volker Kauder reagierte irritiert auf Westerwelles Forderung, die Union solle sich klarer zu einer Koalition mit den Liberalen bekennen. "Er sollte wissen, dass er sich auf uns verlassen kann", sagte Kauder dem "Hamburger Abendblatt". "Wir wollen eine Koalition mit der FDP. Deutlicher kann man es nicht sagen."
Linksparteichef Oskar Lafontaine reagierte auf Westerwelles Warnung vor einem Linksrutsch nach der Bundestagswahl mit Kritik an der FDP-Politik: "Die FDP steht für Sozialabbau, Umverteilung von unten nach oben, Finanzhaie, Steuerungerechtigkeit, und sie befürwortet die Beteiligung deutscher Soldaten am völkerrechtswidrigen Afghanistan-Krieg." Dies sei der Unterschied zur Linken.
Quelle: ntv.de, dpa / rts