Streit um Vorratsdatenspeicherung FDP wirft Union Intrige vor
23.03.2012, 17:29 UhrDie EU-Kommission setzt Deutschland eine bemerkenswert kurze Frist, um die Vorratsdatenspeicherung einzuführen. Ein Zufall? Keinesfalls, glaubt zumindest die FDP. Sie wirft der Union vor, hinter dem Ultimatum zu stecken - um die Liberalen als Blockierer vorzuführen.

Umstritten seit 2010: Union und FDP können sich auf ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung nicht einigen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die FDP wirft der Union beim Thema Vorratsdatenspeicherung eine Intrige vor. Der Parlamentarische Geschäftsführer der liberalen Bundestagsfraktion, Christian Ahrendt, beschuldigt CDU und CSU, ein Mahnschreiben aus Brüssel bestellt zu haben. "Es handelt sich um eine Fristsetzung auf Bestellung der Union", sagte er.
Die EU Kommission setzte der Bundesregierung am Donnerstag ein Binnen dieser Frist muss sie nun eine EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umsetzen. Andernfalls will die Kommission eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einreichen und Geldbußen erwirken. Ein Druckmittel der Union, glaubt die FDP.
Union nutzt angeblich Einfluss im Europa-Parlament
Laut dem Generalsekretär der Partei, Patrick Döring, hat die Union zunächst ihre Parteikollegen der EVP im europäischen Parlament ermutig, sich für eine besonders kurze Frist einzusetzen. "So wie das Klima derzeit ist, spricht viel dafür, dass Telefonate stattgefunden haben", sagte er. Mitglieder der EVP-Fraktion hätten dann wiederum EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso unter Druck gesetzt, mit der Frist zu drohen. Die EVP will der deutschen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nach Angaben des Generalsekretärs bei dem Thema offenbar "die Schelle" umhängen.
- Die Vorratsdatenspeicherung soll dem Staat dienen, Verbrechen zu bekämpfen.
- Bei dem Verfahren verpflichtet er Telefon- und Internetdienstleister, Daten zu sichern, die während der Kommunikation anfallen - also zum Beispiel wer wann mit wem telefoniert hat und wo sich eine Person während eines Telefonats aufgehalten hat.
- Diese Daten bleiben daraufhin über Monate gespeichert. Justiz und Polizei können sie nutzen, um gegen Kriminelle vorzugehen.
- Die EU erließ eine Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Sie reagierte damit auf die Terroranschläge auf das World Trade Center in den Vereinigten Staaten am 11. September 2001.
- Deutschland setzt die Richtlinie seit 2010 nicht mehr um, weil das entsprechende Gesetz der Bundesrepublik in den Augen des Bundesverfassungsgerichts verfassungswidrig war.
Deutschland setzt die Vorratsdatenspeicherung derzeit nicht ein, weil das Bundesverfassungsgericht im März 2010 die bis dahin geltende Regelung für verfassungswidrig erklärte. Seither streiten Union und FDP heftig darüber, wie ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung aussehen könnte.
Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger will Telefon- und Internetdaten nur speichern lassen, wenn ein Anlass dafür besteht. Nur bei Verdächtigen also. Sie setzt damit auf eine Variante des sogenannten Quick-Freeze-Verfahrens.
Die Union wiederum will die Daten von allen Nutzern sechs Monate lang sichern. Das Quick-Freeze-Verfahren hält sie nicht für ausreichend, um die Verbrechensbekämpfung zu verbessern. Die Union wirft der FDP vor, die Umsetzung der EU-Richtlinie durch ihr Beharren auf die anlassgebundene Speicherung zu verhindern.
Bisher habe Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ihre Pflicht versäumt, das EU-Recht umzusetzen und sei nun in der Bringschuld, sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Ihr Vorschlag, über das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren nur Daten von bereits Verdächtigten zu speichern, genüge nicht dem EU-Recht, so der CSU-Politiker.
Ein Druckmittel für Landtagswahlen
Döring betonte, Vertragsverletzungsverfahren seien nichts Außergewöhliches in der EU. Für Deutschland handele es sich um das 82. Verfahren dieser Art. In der gesamten EU gebe es rund 2100 Vertragsverletzungsverfahren gegen die 27 Staaten. Deutschland liege dabei im Mittelfeld. Offenbar wolle die Union aber auf das Verfahren bei der Vorratsdatenspeicherung eine besondere Aufmerksamkeit lenken. Und das laut der FDP vor allem aus einem Grund: Das Ende der Frist für Deutschland und damit das Startzeichen für eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof käme wenige Wochen vor den Landtagswahl in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, bei denen die FDP um den Verbleib im Landtag bangen muss. Die Union hätte dann laut Döring Munition, die FDP in dem Streit als Blockiererin darzustellen.
Quelle: ntv.de, ieh/dpa/AFP/rts