Person der Woche

Person der Woche: Nancy Faeser Stürzt die Innenministerin über den Spitzel-Skandal?

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Nancy Faesers Umgang mit den Vorwürfen rund um die Causa Schönbohm wirft viele Fragen auf.

Nancy Faesers Umgang mit den Vorwürfen rund um die Causa Schönbohm wirft viele Fragen auf.

(Foto: IMAGO/photothek)

Die Bundesinnenministerin versucht verzweifelt, sich im Spitzel-Skandal wegzuducken. Doch das ungeschickte Vorgehen macht den Skandal nur größer. Nun spricht sogar der Koalitionspartner FDP von "Ungeheuerlichkeiten" und einem "schwerwiegenden Vorgang". Die SPD in Hessen fürchtet ein Wahldebakel.

Der Spitzelskandal um Nancy Faeser weitet sich aus. Nach mehrere Klagen gegen die Bundesinnenministerin beschäftigt sich nun auch die Justiz mit dem Fall. Tatvorwurf: "Verfolgung Unschuldiger" nach Paragraf 344 des Strafgesetzbuches. Faeser wird vorgeworfen, den Bundesverfassungsschutz instrumentalisiert zu haben, um nach angeblichen Fehltaten des ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit und Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, zu suchen. Ein Dokument aus dem Bundesinnenministerium scheint ihren Spitzel-Befehl zu belegen. Schönbohm war von Faeser nach einer Attacke des ZDF-Satirikers Jan Böhmermann entlassen und versetzt worden. Böhmermanns Vorwürfe, Schönbohm pflege dubiose Kontakte zum russischen Geheimdienst, stellten sich später als weitgehend haltlos heraus.

Zu den Klägern zählt der prominente DDR-Historiker Hubertus Knabe - er war 18 Jahre lang Leiter der Stasi-Gedenkstätte in Berlin Hohenschönhausen. Knabe begründet seine Klage so: "Aufgrund meiner langjährigen Beschäftigung mit dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR halte ich es für äußerst problematisch, wenn das Bundesamt für Verfassungsschutz von der Bundesinnenministerin dazu benutzt wird, Belastungsmaterial gegen einen ihr unterstellten Mitarbeiter zusammenzutragen. Wenn sie das tat, obwohl die Unschuld des Mitarbeiters bereits erwiesen war, ist dies eine Straftat."

So wie Knabe sehen das auch CDU und CSU. Deren Innenexperte und Bundesvorstandsmitglied Stefan Heck findet: "Eine Innenministerin, die Unschuldige durch ihren Geheimdienst verfolgen lässt, ist eine Gefahr für den demokratischen Rechtsstaat." Heck wähnt daher "die Affäre in einer neuen Dimension." Die Bundestagsfraktion der Union hat Faeser bereits zu zwei Sondersitzungen im Innenausschuss einberufen. Doch Faeser ist ferngeblieben, offiziell "aus medizinischen Gründen", dann wegen eines angeblichen Arzttermins. Das wiederum kommt im Bundestag schlecht an, zumal Faeser - statt in Berlin Rede und Antwort zu stehen - nahezu zeitgleich in Wiesbaden ein Wahlkampf-Interview gab.

Auch Kubicki fordert Aufklärung

Nun will Faeser nicht einmal mehr eine Regierungsbefragung durch den Bundestag zulassen, der seit Monaten feststehende Termin am 27. September wurde auf den 13. Dezember verlegt. Diesmal lautet die Begründung, sie müsse zum EU-Rat. Der aber findet erst am 28. September statt. Faeser will offensichtlich ein parlamentarisches Tribunal vermeiden und spielt auf Zeit. Die Union erwägt nun die Einberufung eines Untersuchungsausschusses.

Die Strategie des Wegduckens sorgt im Parlament für weiträumige Empörung. Selbst Faeser wohl gesonnene Abgeordnete halten ihre Missachtung des Bundestags für ungeschickt. Faesers Koalitionspartner von der FDP sind regelrecht entsetzt. Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki fordert von Faeser vehement Aufklärung zu den "ungeheuerlichen Vorwürfen". Der FDP-Politiker meint: "Sie muss die Frage beantworten, was Sie ein halbes Jahr nach der Versetzung von Herrn Schönbohm veranlasst hat, beim Verfassungsschutz nach Erkenntnis zu fragen, um diese Versetzung zu begründen. Das ist schon schwerwiegend." Und weiter: "Das Parlament hat ein legitimes Aufklärungsinteresse, gerade bei derartig ungeheuerlichen Vorwürfen, die aktuell im Raum stehen." Der Bundestags-Vizepräsident warnt Faeser auch gleich, dass dieser Vorgang ihre Karriere beenden könne: "Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass eine Innenministerin einen Geheimdienst benutzt, um gegen einen missliebigen Mitarbeiter vorzugehen. Wäre es wirklich so, wäre dies in einem Rechtsstaat jedenfalls unverzeihlich."

Der Skandal wird medial dadurch schillernd, dass Faesers Entlassungsbefehl offenbar in Zusammenhang stand mit einer "Magazin Royal" -Sendung des ZDF-Satirikers Jan Böhmermann im Oktober 2022, in der Schönbohm in Zwielicht gebracht wurde. Die "Berliner Zeitung" berichtet nun, dass Böhmermann noch vor der Ausstrahlung der Sendung mehrfach mit Vertretern des Innenministeriums telefoniert hatte. Die Bundesregierung bestätigte dies nach einer parlamentarischen Anfrage. Die Antworten nähren den Verdacht, dass Mitarbeiter des Innenministeriums bewusst Jan Böhmermann bei seiner Recherche unterstützten und Schönbohm schaden wollten. Böhmermann hatte demnach mehrfach Kontakt zu Faesers Staatssekretärin Juliane Seifert.

Verfassungsschutz wie eine Detektei genutzt?

Die "Bild"-Zeitung wiederum veröffentlicht eine Aktennotiz aus dem Innenministerium, die für Faeser gefährlich werden kann. In dieser Aktennotiz schreibt Ministerialdirigent Jörg Eickelpasch, Leiter der Unterabteilung Z 1 im Bundesministerium des Inneren (BMI) und Personalchef des Hauses, Faeser sehe die Beweislage für einen Rauswurf Schönbohms im Nachhinein als "zu dünn" und weiter: "Wir sollten nochmals BfV (Bundesamt für Verfassungsschutz) abfragen und alle Geheimunterlagen zusammentragen. Ich habe ihr gesagt, dass wir alle relevanten Behörden und Abteilungen bereits beteiligt hätten und es schlicht nicht mehr gäbe."

Durch diesen Aktenvermerk entsteht nun der Eindruck, dass Faeser den Verfassungsschutz wie eine Detektei mit geheimdienstlichen Befugnissen benutzt hat, um Belastungsmaterial gegen einen politisch unliebsamen Mitarbeiter (Schönbohm gilt als CDU-nah) zu erschnüffeln.

Faeser treffen die Vorwürfe zu einem politisch denkbar ungünstigen Zeitpunkt kurz vor der Landtagswahl in Hessen am 8. Oktober - dort tritt sie als Spitzenkandidatin der SPD an und will die erste Ministerpräsidentin Hessens werden. Doch ihre Siegchance in Hessen ist ohnedies bescheiden. "Es sieht gar nicht gut aus. Die Ampel ist schon unbeliebt. Doch jetzt haben wir auch noch Faeser-Gegenwind von Kassel bis Darmstadt", sagt ein Ex-SPD-Abgeordneter aus dem Wiesbadener Landtag.

Boris Rhein klarer Favorit in Hessen

Faeser wird in Hessen vorgeworfen, dass sie - genau wie der damalige CDU-Kandidat und Bundesumweltminister Norbert Röttgen 2012 in NRW - zur Landtagswahl nur mit Berliner Rückfahrticket antritt, ihr Ministeramt in Berlin also nicht aufgibt. Röttgen bekam seinerzeit für diese Halbherzigkeit nicht nur die Quittung einer Wahlniederlage, am Ende verlor er auch das Ministeramt.

Ähnliches droht nun auch Faeser, denn neben dem Skandal ist auch ihre politische Bilanz heftiger Kritik ausgesetzt. Die spannungsgeladene Flüchtlingslage wird ihr ebenso kritisch angekreidet wie peinliche Symbolpolitik, etwa mit der One-Love-Binde zur Fußball-WM in Katar. Wenn der Skandal sich nun zu Dimensionen ausweitet wie weiland bei ihrer Amtskollegin, Ex-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (auch sie kam aus der Hessen-SPD) droht der SPD im einstigen Stammland Hessen eine krachende Wahlniederlage.

Die CDU hat in Wiesbaden mit Boris Rhein einen jungen Ministerpräsidenten mit guten Zustimmungswerten im Amt, und auch Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir von den Grünen ist eine angesehene, populäre Konkurrenz. Das ZDF-Politbarometer sagt der CDU derzeit einen Wahlsieg von 30 Prozent voraus, SPD und Grüne liegen gleichauf bei jeweils 19 Prozent. Die AfD läge demnach bei 16 und die FDP bei 6 Prozent. Die Linke würde mit 3 Prozent den Einzug ins Parlament verpassen.

Quelle: ntv.de

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