Tausende Fälle in Deutschland Fakten zur Zwangsheirat
09.11.2011, 16:12 Uhr
Das Zuwanderungsrecht regelt, dass im Ausland Zwangsverheiratete, die sich als Minderjährige in Deutschland aufhielten, ein Rückkehrrecht erhalten.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
In mehr als 3000 Fällen berieten Hilfseinrichtungen in Deutschland im Jahr 2008 Betroffene von Zwangsheiraten. Angesichts dieser alarmierenden Zahl in der neuen Studie des Bundesfamilienministeriums sieht sich die Bundesregierung in ihrem Schritt bestätigt, die Zwangsverheiratung als Straftatbestand ins Gesetz aufzunehmen. Doch worum geht es genau?
Was sind Zwangsverheiratung und Zwangsehe?
Die Organisation terre des femmes geht von Zwangsverheiratung aus, wenn "mindestens einer der Eheleute durch Gewalt oder Drohung zum Eingehen einer formellen oder informellen - also durch eine religiöse oder soziale Zeremonie geschlossenen - Ehe gezwungen wird".
Eine Zwangsehe liegt vor, wenn sich die Betroffenen gezwungen sehen, eine geschlossene Ehe gegen ihren Willen aufrecht zu erhalten - auch wenn die Ehe freiwillig geschlossen wurde. Arrangierte Ehen indes werden zwar aus dem Umfeld der Partner initiiert, dann aber mit deren Einverständnis geschlossen. Die Hilfsorganisation Papatya sieht die Vermählung von Minderjährigen grundsätzlich als Zwangsheirat an.
Wie verbreitet ist die Zwangsheirat weltweit?
In fast allen Ländern der Welt sind Zwangsverheiratungen rechtswidrig, Grundlage ist Artikel 16 Absatz 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, der die freie Willenseinigung der Ehepartner voraussetzt. Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks UNICEF werden dennoch Millionen Mädchen noch im Kindesalter verheiratet. Besonders verbreitet sind Kinderheiraten in den afrikanischen Ländern Niger, Tschad und Mali, aber auch in Südasien.
Wie sieht die Wirklichkeit in Deutschland aus?
Wieviele Zwangsverheiratungen es in Deutschland gibt, konnte auch die jetzt vorgestellte Studie nicht klären. Aus Angst vor dem Bruch mit ihrer Familie trauen sich viele Betroffene nicht, überhaupt Hilfe zu suchen. Sie tauchen in der Studie nicht auf.
Terre des Femmes und die Lawaetz-Stiftung erfassten in der Untersuchung für das Jahr 2008 insgesamt 3443 von Zwangsverheiratung Betroffene. Ein Drittel davon ist minderjährig, die Mehrheit zwischen 18 und 21 Jahre alt. Die Autoren schätzen zwar, dass zwischen 14 und 43 Prozent der Betroffenen gleich mehrere Beratungsstellen aufsuchten, es also zu Doppelungen kam. Andererseits berichtete ein Viertel der Betroffenen, dass auch andere Familienmitglieder zwangsverheiratet wurden.
Wie ist die Rechtslage in Deutschland?
Seit Oktober 2010 ist die Zwangsverheiratung nach Paragraph 237 des Strafgesetzbuches (StGB) ein eigener Straftatbestand. Das neue Strafgesetz umfasst ausdrücklich auch den Vorgang, dass eine Frau unter Vortäuschung falscher Tatsachen ins Ausland gebracht, dort zur Ehe gezwungen und an der Rückkehr nach Deutschland gehindert wird.
Bereits seit 2005 war Zwangsheirat nach Paragraph 240 StGB ein besonders schwerer Fall der Nötigung. Sie wird mit einer Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren bestraft. Strafbar ist auch bereits der Versuch der Zwangsverheiratung. Bestraft werden können die Ehemänner der zwangsverheirateten Frauen, aber auch deren Familienangehörige.
Welchen Schutz erhalten die Opfer?
Im Ausland Zwangsverheiratete, die sich als Minderjährige in Deutschland aufgehalten haben, erhielten mit der Neuregelung für die Dauer von zehn Jahren ein Rückkehrrecht in die Bundesrepublik. Neben hunderten Beratungsstellen auf kommunaler Ebene gibt es auch Internet-Beratungsangebote. Eine bundesweite Hotline "Gewalt gegen Frauen" wird es allerdings erst Ende 2012 geben.
Quelle: ntv.de, AFP