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Ampel-Streits bei Markus Lanz "Fassungsloser" Klingbeil glaubt an drei Einigungen

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Ob Lars Klingbeil bei der Klausurtagung der Ampel im brandenburgischen Meseberg ähnlich ins Schwitzen kommt wie bei diesem Bürgergespräch vor wenigen Tagen in Lalendorf bei Rostock?

Ob Lars Klingbeil bei der Klausurtagung der Ampel im brandenburgischen Meseberg ähnlich ins Schwitzen kommt wie bei diesem Bürgergespräch vor wenigen Tagen in Lalendorf bei Rostock?

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Sommerpause ist vorbei und die Ampel-Koalition streitet wieder. Kann das Wachstumschancengesetz dennoch nächste Woche beschlossen werden? SPD-Chef Klingbeil ist bei Markus Lanz zuversichtlich. Das gilt auch für die Kindergrundsicherung. Und für den Industriestrompreis.

In der kommenden Woche trifft sich die Ampel-Koalition zu einer Klausurtagung im brandenburgischen Meseberg. Danach sollen sich die Koalitionäre zwar nicht wieder lieb haben, aber das mit dem ewigen Streit müsse ein Ende haben, verlangt SPD-Parteichef Lars Klingbeil am Abend im ZDF bei Markus Lanz.

Ob Klingbeil selbst an einen Koalitionsfrieden glaubt, lässt er offen, aber eigentlich bedarf es einer Festlegung auch gar nicht, denn Fakt ist: Der Wunsch nach Frieden, den Bundeskanzler Olaf Scholz während seiner Sommerpressekonferenz geäußert hatte, ging nicht in Erfüllung.

Darüber war auch Klingbeil nicht wirklich glücklich. "Ich hatte schon diesen naiven Glauben, dass alle in der Sommerpause in sich gegangen sind und resümiert haben, was in den vergangenen Wochen passiert ist", sagte der SPD-Chef. "Das ist ja kein Stil, bei dem das Regieren Spaß macht. Ich hatte gedacht, es läuft geräuschloser. Ich war in dem Moment fassungslos. Das war der Einblick in mein Seelenleben."

"Es ist für beides Geld da"

Der jüngste Streit dreht sich um das Wachstumschancengesetz, auf das sich die beiden Kanzlerstellvertreter Robert Habeck und Christian Lindner eigentlich schon geeinigt hatten. Doch dann kam die Blockade von Familienministerin Lisa Paus. SPD-Mann Klingbeil aber ist sich sicher: "Die kriegen das im August gelöst."

Denn im Kern wollen alle drei Ampel-Parteien das Gesetz, das Steuererleichterungen von sechseinhalb Milliarden Euro für die Wirtschaft vorsieht. Warum dann der Alleingang der Familienministerin? Das wisse er bis heute nicht, sagt Klingbeil. Denn auch beim Streit von Paus und Finanzminister Lindner um die Höhe der Kindergrundsicherung solle vor dem Ende der parlamentarischen Sommerpause ein Konzept vorliegen, sagte Klingbeil. Das habe Bundeskanzler Scholz noch vor der Sommerpause verlangt.

Über beide Gesetze soll nach der Ampel-Klausur Klarheit herrschen. Das hatte auch die Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge am Montagabend in der ARD versprochen. Die Grünen wollen beide Gesetze, hatte sie gesagt. Und die Sozialdemokraten auch.

Klingbeil kritisiert daher das Vorgehen der Familienministerin beim vorläufigen Veto gegen das Wachstumschancengesetz: "Das ist ein wichtiges Gesetz, das eine Stärkung der Wirtschaft gebracht hätte, und das ist nun geschoben worden." Er werde nicht zulassen, dass der Kampf gegen Kinderarmut gegen den Kampf für Wachstum ausgespielt werde. "Es ist für beides Platz, es ist für beides Geld da", sagt er bei Markus Lanz.

Nächster Streit? Industriestrompreis

Doch es bahnt sich bereits das nächste Streitthema an: Die Grünen und Teile der SPD fordern einen verminderten Strompreis von sechs Cent pro Kilowattstunde für die Industrie.

Klingbeil unterstützt das Vorhaben, genau wie Wirtschaftsminister Habeck, viele Ministerpräsidenten der Bundesländer und - kein Wunder - die Industrie selbst. Gerade Großunternehmen haben ein entscheidendes Druckmittel: Sie drohen mit ihrer Abwanderung nach Asien oder in die USA. Dort gibt es die Kilowattstunde Strom für zwei Cent.

Trotzdem ist die ansonsten als wirtschaftsfreundlich geltende FDP mit dem Industriestrompreis nicht einverstanden. Ihr Vizechef Johannes Vogel forderte am Montag in der ARD Strompreissenkungen für alle. Woher das Geld kommen soll, sagt er nicht.

"Das muss jetzt geklärt werden"

Auch für den Industriestrompreis ist nach Klingbeils Ansicht genug Geld da. Es soll aus einem Schattenhaushalt kommen, dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Der wird aus Steuergeldern finanziert und sollte einst Unternehmen helfen, die durch die Corona-Krise ins Schwimmen geraten waren. Anfangs enthielt er 250 Milliarden Euro. Mit dem Geld, das der Fonds noch enthält, kann laut Klingbeil der niedrigere Industriestrompreis gegenfinanziert werden.

Allerdings hatte Lindner schon vor der Sommerpause Bedenken geäußert: Der Fonds sei zweckgebunden und dürfe nur für Corona-Hilfen verwendet werden, so der Finanzminister. Auch Bundeskanzler Scholz sprach sich gegen niedrige Strompreise für die Energie aus. Klingbeil dazu: "Olaf Scholz ist gegen die dauerhafte Subventionierung, und das bin ich auch. Und der Industriestrompreis muss an Bedingungen geknüpft werden, zum Beispiel an die Förderung erneuerbarer Energien."

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Tatsächlich hat Scholz seine generelle Ablehnung inzwischen ein wenig abgeschwächt. Am vergangenen Mittwoch sagte er beim NRW-Unternehmertag in Düsseldorf wörtlich: "Eine Dauersubvention von Strompreisen mit der Gießkanne können wir uns nicht leisten und wird es deshalb auch nicht geben."

"Das muss jetzt geklärt werden", stellt Klingbeil die Koalition bei Lanz auf intensive Gespräche ein. Am besten noch vor den Haushaltsverhandlungen im Bundestag. Die dürften im November stattfinden. Dass diese Einigung diesmal ohne Zoff abgeht, ist schwer vorstellbar.

Quelle: ntv.de

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