Politik

Zurück vom "Wolfsrudel" Fast 100 Prozent für Beck

Wohlfühlprogramm für einen gestürzten Parteichef: Knapp eine Woche nach seinem Rücktritt als SPD-Bundesvorsitzender ist Kurt Beck in Rheinland-Pfalz mit einem Traumergebnis als SPD-Landeschef wiedergewählt worden. Beim Landesparteitag in Mainz bekam der Ministerpräsident 409 der 411 gültigen Stimmen - das entspricht 99,5 Prozent. Es gab nur eine Nein-Stimme und eine Enthaltung. Vor gut zwei Jahren hatte Beck 97,8 Prozent erhalten. Er steht bereits seit 1993 an der Spitze der SPD Rheinland-Pfalz.

Nach der Wiederwahl des 59-jährigen Südpfälzers brandete frenetischer Applaus auf. Mit einem riesigen Blumenstrauß in der Hand bedankte sich der als bodenständig und volksnah geltende Politiker. "Lasst uns zusammen die Zukunft dieses Landes gestalten", rief Beck den mehr als 1000 applaudierenden Genossen zu. Neben den 411 Delegierten waren auch etliche hundert weitere Parteimitglieder aus dem ganzen Land in die Mainzer Phönixhalle gekommen.

Vor seiner Wiederwahl hatte Beck in einer einstündigen kämpferischen Rede seine Landespartei zu Geschlossenheit mit Blick auf das kommende Superwahljahr aufgerufen. 2009 stehen Wahlen in den Kommunen in Rheinland-Pfalz, in Europa und im Bund an. Zudem hob Beck Erfolge seiner Landesregierung etwa in der Wirtschafts-, Bildungs- und Familienpolitik hervor. In der anschließenden Aussprache wurde sehr viel Solidarität mit dem Südpfälzer deutlich. Kein einziger Redner kritisierte Beck.

Abrechnung mit Bundespolitik

Der Landesvorsitzende nutzte die Rede auch zu einer Abrechnung mit dem Politikstil auf der Bundesebene. "Ich will und werde mir nicht einreden lassen, dass es ein Vorteil in der Politik sei, wenn man den Umgangsstil eines Wolfsrudels miteinander pflegt." Damit spielte Beck darauf an, dass ihn aus eigener Sicht ein parteiinterner Vertrauensbruch im Zusammenhang mit der Nominierung des SPD-Kanzlerkandidaten zum Rücktritt als SPD-Chef gezwungen hatte.

"Rückzug folgerichtig"

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit bezeichnete den Rücktritt Becks vom SPD-Vorsitz inzwischen als folgerichtig. Beck hätte "in der jetzigen und künftigen personellen Konstellation so oder so nicht die Eigenständigkeit gehabt, die ein starker Parteivorsitzender haben muss", sagte Wowereit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Insofern ist - wenn man von den Umständen absieht - sein Rückzug vom Parteivorsitz vielleicht folgerichtig."

Allerdings hätte er sich "einen Umgang miteinander in Würde gewünscht und keinen Abgang durch die Hintertür", sagte Wowereit. Zugleich sicherte er der neuen SPD-Führungsspitze seine Unterstützung zu. Die Partei könne "glücklich sein, dass eine Team-Lösung mit Frank-Walter Steinmeier und Franz Müntefering gefunden worden ist, die Erfolg im Wahlkampf verspricht". Beide hätten aber auch eine "hohe Verantwortung, die Partei zu überzeugen".

Wowereit warnte die neue Spitze vor einem Kurswechsel. "Wer das versuchen wollte, würde große Schwierigkeiten bekommen." Der designierte Parteivorsitzende Franz Müntefering müsse sich in den Fragen des Arbeitslosengeldes I und der Rente mit 67 an den Parteikurs halten. "Er muss nicht persönlich von seinen Auffassungen zurückweichen. Aber die Partei hat diese Themen entschieden."

Schmidt mischt mit

Altbundeskanzler Helmut Schmidt appellierte dagegen an die neue Führung seiner Partei, die Reform des Sozialstaats nach dem Vorbild Gerhard Schröders weiter voranzutreiben. Die Agenda 2010 habe den notwendigen Umbau der Wirtschaft "wirklich in Angriff genommen", sagte Schmidt der "Bild am Sonntag". Der Sozialstaat bedürfe jedoch "Pflege und Reparatur". Ausdrücklich lobte er in diesem Zusammenhang Müntefering, der dies "nicht nur verstanden, sondern auch tapfer nach außen vertreten" habe.

Angesichts freundlicher Signale aus der FDP sieht SPD- Kanzlerkandidat Steinmeier gute Chancen für eine "Ampel-Koalition" mit Liberalen und Grünen nach der Bundestagswahl. "Die FDP zeigt Neugier" gegenüber der personell neu aufgestellten SPD, sagte der stellvertretende Parteivorsitzende der "Süddeutschen Zeitung". Auch die Grünen reagierten positiv auf die neue Situation der SPD nach dem Personalwechsel vom Wochenende, meinte Steinmeier: "Das kann die Politik nur beleben und auch die Berichterstattung über vermeintlich sichere Wahlsieger verändern."

Koch kämpft noch

Diese Woche hatten unter anderem FDP-Generalsekretär Dirk Niebel und der Berliner Landesvorsitzende Markus Löning positiv auf die Entwicklung bei der SPD reagiert. Jüngste Forderungen aus Reihen der FDP nach einem Verzicht der SPD auf die Präsidentschafts-Kandidatur von Gesine Schwan wies Steinmeier zurück: "So eine Bedingung an uns zu stellen, ist nicht akzeptabel. Frau Schwan bleibt Kandidatin."

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) erwartet, dass Steinmeier die SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti bei ihrem Versuch stoppt, in Wiesbaden mit Hilfe der Linkspartei an die Macht zu kommen. "Hessen ist die erste Bewährungsprobe für die neue SPD- Führung", sagte Koch der "Welt am Sonntag". Steinmeier habe "deutlich gesagt, dass er den Wortbruch in Hessen und eine Zusammenarbeit der SPD mit der Linkspartei in einem westdeutschen Bundesland für nicht verantwortlich hält und dass es dabei um die Glaubwürdigkeit seiner Partei geht", sagte Koch. "Er muss jetzt beweisen, dass seine Autorität ausreicht, in der SPD etwas zu bewirken."

Quelle: ntv.de

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