Birmas Junta gnadenlos Feilschen um die Hilfe
09.05.2008, 14:00 UhrDie Junta in Birma hat den USA eine Landeerlaubnis für ein Militärflugzeug mit Hilfslieferungen gegeben. "Wir hoffen, dass dies der Beginn für eine umfassende amerikanische Hilfe an die Menschen in Birma sein wird", sagte der Sprecher des nationalen Sicherheitsrates, Gordon Johndroe. Die Genehmigung zur Landung der US-Maschine gelte für Montag.
Für eine Gruppe von amerikanischen Katastrophenhelfern, die bereit stehe, in Birma Nothilfe zu leisten, gebe es allerdings noch keine Visa, berichtete Johndroe. Die USA würden sich weiterhin bemühen, mehr Hilfe für die Menschen in Birma zu Verfügung zu stellen, "weil sie unsere Hilfe noch eine lange Zeit brauchen werden".
Trotz zunehmenden Drucks verweigert die Militärjunta weiterhin kategorisch die Einreise ausländischer Helfer. Zudem ließ sie Hilfslieferungen der Vereinten Nationen beschlagnahmen, um sie selbst zu verteilen. Nach Einschätzung von Experten ist die Armee des Landes zu schlecht gerüstet für einen Einsatz dieses Ausmaßes. In den betroffenen Gebieten ist Augenzeugen zufolge zudem noch fast keine Hilfe angekommen.
Hunderttausende ohne Zugang zu Hilfe
Durch den Wirbelsturm "Nargis" sind nach Einschätzung von Experten bis zu 100.000 Menschen ums Leben gekommen. Die Zahl der Toten könne auf "63.000 bis 100.000 oder sogar noch höher" steigen, sagte der UN-Nothilfekoordinator John Holmes. Die Junta spricht von 22.000 Toten und 41.000 Vermissten. Die Opfer-Schätzungen der UN beruhen Holmes zufolge auf Einschätzungen von 18 Hilfsorganisationen in 55 Städten.
Nach Angaben des Roten Kreuzes haben Rettungshelfer in Birma etwa 220.000 Opfer des Zyklons erreicht. Die Organisation erklärte, etwa ein Drittel davon hätten Kontakt zu Rot-Kreuz-Helfern. Die anderen hätten Hilfe von anderen Organisationen oder der Regierung erhalten. Schätzungen zufolge sind 1,5 bis 1,9 Millionen Menschen von den Folgen des Wirbelsturms betroffen.
UNO nimmt Flüge wieder auf
Das Welternährungsprogramm (WFP) will nach einer vorübergehenden Unterbrechung seine Hilfsflüge nach Birma am Samstag wiederaufnehmen. Das WFP habe beschlossen, nun doch wie geplant zwei Hilfsflüge nach Birma zu schicken, teilte die UN-Organisation in Genf mit. Gleichzeitig würden die Gespräche mit der birmanischen Regierung über die Verteilung der am Freitag eingetroffenen, aber noch nicht verteilten Lebensmittel fortgeführt. Kurz zuvor hatte das WFP wegen der "nicht hinnehmbaren Beschränkungen" seiner Hilfslieferungen durch die birmanische Militärjunta die Unterbrechung der Flüge bekanntgegeben.
Die Vereinten Nationen riefen ihre Mitgliedstaaten dazu auf, für die verwüsteten Regionen Finanzhilfen in Höhe von 187 Millionen Dollar bereitzustellen. Das Geld solle innerhalb von sechs Monaten zusammenkommen. Derweil werde regelmäßig die Situation der Bedürftigen überprüft.
Birmas Obergeneral abgetaucht
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte die birmanischen Generäle dazu auf, Hilfsbemühungen aus dem Ausland nicht im Wege zu stehen und sowohl Nahrungsmittel und Güter wie auch Mitarbeiter von Hilfsorganisationen ins Land zu lassen. Untätigkeit könne tödlich sein, zitierte Bans Sprecherin Marie Okabe den UN-Generalsekretär. Ban sagte, er habe mehrfach versucht, den obersten birmanischen General Than Shwe zu kontaktieren, dies sei ihm jedoch nicht gelungen.
Neue Niederschläge drohen
Den verwüsteten Regionen drohen in der kommenden Woche weitere Niederschläge und heftige Winde. Die Wetterfront könnte die Situation in den Küstenregionen noch verschlimmern, da neue Regenfälle ein Abfließen von Hochwasser verlangsamen oder gar eine Flutwelle auslösen könnten, teilte die Wetterorganisation der Vereinten Nationen (WMO) mit. Bis Mittwoch seien immer wieder tropische Regenfälle zu erwarten, Ende der Woche gar schwere Niederschläge.
Propaganda geht vor
Während die Militärjunta von Birma die internationale Hilfe behindert, will sie das für diesen Samstag angesetzte Referendum über die umstrittene neue Verfassung nicht verschieben. Damit ignorieren die Generäle Appelle aus aller Welt und von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, sich auf die Opferhilfe zu konzentrieren und das Referendum zu verlegen. Lediglich in den 47 am schlimmsten betroffenen Bezirken im Süden des Landes, darunter in der Hafenmetropole Rangun, soll erst in zwei Wochen abgestimmt werden.
"Die Staatsverfassung zu billigen ist heute eine nationale Pflicht für das gesamte Volk", schrieb die staatliche Zeitung "New Light of Myanmar". Im staatlichen Fernsehen läuft immer wieder ein Film, in dem Tänzer in bunten Kostümen singend für ein "Ja" der Bürger bei dem ersten Urnengang in dem verarmten Land seit 18 Jahren werben. Das Land ist seit 1988 ohne Verfassung.
"Demokratisierung" ohne Demokratie
Das Referendum soll der vorläufige Höhepunkt im sogenannten Demokratisierungsprozess sein, der bereits seit 14 Jahren andauert. Die Generäle haben bei Annahme der Verfassung Mehrparteienwahlen in zwei Jahren versprochen. Die Wahl einer echten Zivilregierung gilt aber weiter als ausgeschlossen. Denn nach dem vorgelegten Entwurf darf das Militär 110 der 440 Abgeordneten in der ersten und 56 der 224 Abgeordneten in der zweiten Parlamentskammer bestimmen - eine 25-Prozent-Mehrheit, die jede Verfassungsänderung unmöglich macht. Dazu behält sich das Militär Schlüsselpositionen in der Regierung vor.
Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi, die die später ignorierten Wahlen 1990 haushoch gewonnen hatte, darf bei der Wahl 2010 nicht antreten. Der Verfassungsentwurf untersagt, dass der Staatschef mit einem Ausländer verheiratet ist oder ausländische Familienmitglieder hat - Suu Kyi ist Witwe des 1999 verstorbenen Briten Michael Aris, ihre Kinder sind britische Staatsbürger.
Die Partei der Friedensnobelpreisträgerin wirbt seit Monaten dafür, mit Nein zu stimmen. Zahlreiche Aktivisten haben dafür schon mit Festnahmen gebüßt. Parteimitglieder wurden von Schlägertrupps auf offener Straße zusammengeschlagen. Die Opposition geht davon aus, dass die Junta ungeachtet der tatsächlich abgegebenen Stimmen einen Sieg verkünden wird. Sie hat im ganzen Land Helfer, die einen Wahlbetrug bloßstellen wollen.
Merkel fordert Sicherheitsrat zum Handeln auf
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier appellierten an die Militärregierung in Birma, so schnell wie möglich die dringend benötigte Hilfe ins Land zu lassen. Regierungssprecher Thomas Steg sagte, Merkel nehme "mit großem Unverständnis zur Kenntnis", dass die birmanische Regierung die Einreise von Hilfsorganisationen blockiere und damit die Situation für die notleidenden Menschen erschwere. Merkel fordert auch eine Befassung des UN-Sicherheitsrates mit der Katastrophe.
Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul will der Not leidenden Bevölkerung Birmas Hilfen in Höhe von einer Million Euro zukommen lassen. Zusammen mit den vom Auswärtigen Amt zur Verfügung gestellten Mitteln gebe die Bundesregierung damit zwei Millionen Euro, sagte die SPD-Politikerin. Sie forderte die Vereinten Nationen auf, den Druck auf die Junta zu erhöhen. Der stellvertretende WFP-Exekutivdirektor John Powell mahnte hingegen bei einem Besuch in Berlin, mit der Regierung in Rangun zu kooperieren.
Quelle: ntv.de