Politik

Raketen und Luftschläge Feuerpause in Gaza hält nicht

Die Gewalt im Gazastreifen hält an.

Die Gewalt im Gazastreifen hält an.

(Foto: dpa)

Die Waffenruhe im Gazastreifen ist gebrochen: Trotz der Vereinbarung, während des Besuchs des ägyptischen Premiers Kandil keine Gewalt anzuwenden, fliegt die Luftwaffe Israels einen Angriff. Auch der Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen geht weiter. Beide Seiten beschuldigen einander, für den Bruch der Feuerpause verantwortlich zu sein.

Die Gewalt zwischen Israel und den Palästinensern hält trotz einer vorübergehend vereinbarten Waffenruhe an. Unklar ist, welche der beiden Konfliktparteien sie zuerst gebrochen hat. Die israelische Armee teilte mit, radikale Palästinenser hätten zahlreiche Raketen auf den Süden Israels abgefeuert. Die israelische Luftwaffe antwortete mit einem Angriff auf das Haus eines Hamas-Kommandeurs, wie aus Kreisen der Palästinensergruppe verlautete. "Die Hamas respektiert nicht den Besuch des ägyptischen Ministerpräsidenten im Gazastreifen und verletzt die vorübergehende Feuerpause, in die Israel vor dem Besuch eingewilligt hat", erklärte ein Sprecher von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu über Twitter.

Hischam Kandil

Hischam Kandil

(Foto: REUTERS)

Palästinensischen Angaben zufolge habe zuerst Israel während der Feuerpause einen Angriff geflogen. So sei ein Bombenangriff auf eine Gruppe von Zivilisten in der Region Nasila verübt worden. Dabvei seien zwei Palästinenser gestorben.

Inmitten der eskalierenden Gewalt war der ägyptische Ministerpräsident Hischam Kandil zuvor im Gazastreifen eingetroffen, um die Chancen für einen dauerhaften Waffenstillstand auszuloten. Während des etwa dreistündigen Aufenthalts der ägyptischen Delegation wollte die israelische Armee ihre Angriffe auf den Gazastreifen aussetzen unter der Bedingung, dass auch die Hamas ihren Raketenbeschuss auf Israel stoppt.

Während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Ismail Hanija, dem Regierungschef der Hamas, sagte Kandil, Ägypten stehe unverbrüchlich an der Seite der Palästinenser. Die Opfer der israelischen Angriffe bezeichnete er als "Märtyrer". Hanija lobte die neue Politik des "revolutionären Ägyptens". Er sprach von einem "historischen Besuch" und forderte die anderen arabischen Führer auf, dem Beispiel der Ägypter zu folgen. "So Gott will, werden wir siegen", fügte er hinzu. Kandil reiste daraufhin vorzeitig ab, aus Sorge vor israelischen Angriffen. Ursprünglich war geplant, dass er noch bis nach der Freitagspredigt im Gazastreifen bleibt.

Raketenbeschuss auf den Großraum Tel Aviv

Die Gewalt zwischen Israel und radikalen Palästinensern hatte auch in der Nacht angehalten. Die israelische Luftwaffe flog nach Regierungsangaben rund 130 Angriffe auf den Gazastreifen. Dabei wurde ein Gebäude des Innenministeriums der radikalislamischen Hamas zerstört. Augenzeugen berichteten von mehreren zerstörten Trainingsposten, die von militanten Palästinensern genutzt würden. Aus dem Gazastreifen seien, so das israelische Militär, zudem in der Nacht mindestens elf Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert worden.

Am Abend wurden bei den Angriffen im Gazastreifen mindestens drei junge Palästinenser getötet, wie die Hamas mitteilte. Seit dem Aufflammen der Gewalt am Mittwoch, als Israel den Militärchef der Hamas getötet hatte, wurden neuen Angaben palästinensischer Rettungskräfte zufolge mindestens 19 Palästinenser getötet, darunter viele Kinder. Auf israelischer Seite starben drei Menschen.

Am frühen Abend hatten Hamas und Islamischer Dschihad aus dem Gazastreifen zwei Raketen auf den Großraum Tel Aviv abgeschossen. Bei dem ersten derartigen Einschlag seit über 20 Jahren wurde aber niemand verletzt.

Hamas droht mit iranischen Raketen

Auch in der Nacht und am frühen Morgen setzte die israelische Luftwaffe die Angriffe fort.

Auch in der Nacht und am frühen Morgen setzte die israelische Luftwaffe die Angriffe fort.

(Foto: dpa)

Die israelischen Streitkräfte bereiten sich derweil offenbar auf eine Bodenoffensive vor. Am späten Abend transportierten mindestens zwölf Tieflader Panzer und gepanzerte Truppentransporter ins Grenzgebiet. Zahlreiche Soldaten wurden mit Bussen in die Region gebracht. Israelische Fernsehsender meldeten, die Invasion sei für den Freitag geplant. Die Streitkräfte dementierten die Berichte und erklärten, bislang sei noch keine Entscheidung über einen Einmarsch in den Gazastreifen gefallen.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu drohte mit einer "signifikanten Ausweitung" des Militäreinsatzes. Israel werde alles Nötige tun, um sich zu verteidigen, sagte der Regierungschef. Verteidigungsminister Ehud Barak genehmigte unterdessen die Einberufung von Reservisten. Bis zu 30.000 zusätzliche Soldaten könnten somit mobilisiert werden, teilten die Streitkräfte mit. Konkret seien zunächst einmal nur 16.000 dazu aufgerufen, in die Kasernen zu kommen, so das Militär. "Wir werden die Angriffe fortsetzen und ausweiten", sagte Generalstabschef Benny Gantz. "Ich glaube, wir können unsere Ziele erreichen."

Die radikalislamische Hamas kündigte unterdessen an, Raketen vom Typ Fadschr 5 aus iranischer Produktion auf Israel abzufeuern. Die Geschosse verfügen über eine Reichweite von 75 Kilometern und könnten somit die Metropole Tel Aviv treffen. Die israelischen Sicherheitskräfte gehen davon aus, dass die Hamas seit der bislang letzten Bodenoffensive im Gazastreifen vor vier Jahren massiv aufgerüstet hat und über etwa 12.000 Raketen verfügt. "Innerhalb von vier Jahren sind wir stärker geworden, wir verfügen über eine Strategie und haben uns mit allen militanten Kräften im Gazastreifen zusammengetan", sagte Hamas-Sprecher Fausi Barhum.

Weltgemeinschaft reagiert mit Besorgnis

Der Westen und die arabische Welt reagierten zutiefst besorgt auf die Gewalt. Washington erklärte, es gebe "keinerlei Rechtfertigung für die Gewalt" der Hamas. Der britische Premierminister David Cameron drückte seinem israelischen Kollegen Benjamin Netanjahu seine "tiefe Beunruhigung" aus. Bundesaußenminister Guido Westerwelle betonte in einem Telefonat mit Israels Außenminister Avigdor Lieberman das Recht des Landes auf Selbstverteidigung. Frankreichs Präsident François Hollande äußerte sich ähnlich.

Indes verurteilten arabische Staaten vornehmlich das Verhalten Israels. Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit sprach von einem "Angriff gegen die Gesamtheit der islamischen Nation" und rief den UN-Sicherheitsrat an. Ägyptens Präsident Mohammed Mursi sagte in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache, Israel müsse verstehen, "dass wir diese Aggression, die nur zu Instabilität in der Region führen kann, nicht akzeptieren".

Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu sprach bei den israelischen Angriffen gar von einem "Verbrechen gegen die Menschlichkeit", wie die Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Russlands Präsident Wladimir Putin forderte zwar beide Seiten zur Deeskalation auf; Israels Reaktion auf den Raketenbeschuss auf den Gazastreifen sei aber "unverhältnismäßig". Tschechiens Präsident Vaclav Klaus sagte wegen der anhaltenden Gewalt eine für das Wochenende geplante Reise nach Israel ab.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa/rts/DJ

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