Ermittler beschuldigt USA "Folter wurde ausgelagert"
24.01.2006, 09:46 UhrDer amerikanische Geheimdienst hat offenbar eine systematische "Auslagerung" von Folter betrieben, wie der Ermittler des Europarats zur Untersuchung von CIA-Geheimgefängnissen erklärte. In den vergangenen Jahren seien möglicherweise mehr als 100 Terrorverdächtige in andere Länder geflogen und dort misshandelt worden, teilte der Schweizer Abgeordnete Dick Marty in einem in Straßburg vorgelegten Zwischenbericht mit. Sehr wahrscheinlich hätten europäische Regierungen davon auch gewusst.
Es gebe bislang jedoch keine Beweise für geheime Haftanstalten der CIA, betonte Marty. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hatte über Erkenntnisse berichtet, dass Terrorverdächtige aus Afghanistan nach Polen und Rumänien gebracht worden seien. Allerdings gebe es "viele Andeutungen aus verschiedenen Quellen, die als verlässlich betrachtet werden müssen" und weitere Ermittlungen rechtfertigten.
Bewiesen sei, dass Menschen "entführt, ihrer Freiheit und aller Rechte beraubt und zu verschiedenen Zielen in Europa gebracht wurden", heißt es in Martys Bericht. In diesen Ländern seien die Verdächtigen gefoltert worden und hätten eine "menschenunwürdige Behandlung" erlitten. Sollten sich die Berichte über CIA-Geheimgefängnisse bestätigten, handele es sich wohl um kleine, gut versteckte Einrichtungen.
Es sei extrem unwahrscheinlich, dass europäische Regierungen "oder zumindest ihre Geheimdienste" von geheimen CIA-Flügen nichts gewusst hätten, so der Ermittler. "Der gesamte Kontinent" sei in die Vorwürfe verwickelt.
In seinem Zwischenbericht führt Marty unter anderem die mutmaßliche Entführung des ägyptischen Geistlichen Abu Omar in Mailand vor drei Jahren und die Verschleppung des Deutschen Khaled el Masri nach Afghanistan auf. Außerdem seien sechs Bosnier von US-Agenten aus ihrem Heimatland entführt und ins Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba gebracht worden, erklärte der Schweizer Ermittler unter Berufung auf einen amerikanischen Anwalt.
Die Brüsseler Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol habe ihm am Montag Logbücher übergeben, anhand derer die Daten mehrerer Dutzend mutmaßlicher CIA-Maschinen bestimmt werden könnten, berichtete Marty weiter. Experten zufolge können diese Aufzeichnungen bei den Ermittlungen helfen, ob die CIA heimlich Gefangene nach Europa gebracht hat.
Die ersten Informationen über geheime CIA-Haftanstalten zur Vernehmung von Terrorverdächtigen veröffentlichte am 2. November die Zeitung "Washington Post". Einen Tag danach berichtete Human Rights Watch über Erkenntnisse, dass Terrorverdächtige aus Afghanistan nach Polen und Rumänien gebracht worden seien. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats beauftragte den Tessiner Ständerat Marty am 7. November, den Berichten nachzugehen.
Quelle: ntv.de