Politik

Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bulgaren und Rumänen Forscher sieht mehr Vor- als Nachteile

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Unklar ist, wie viele Rumänen der Heimat den Rücken kehren wollen.

(Foto: AP)

Für Bulgaren und Rumänen beginnt am 1. Januar eine neue Freiheit. Sie brauchen dann keine Arbeitserlaubnis mehr, um nach Deutschland zu kommen. Etliche Deutsche fürchten nun einen Ansturm von Armutsflüchtlingen - dabei gibt es viele Chancen.

Der Migrationsforscher Klaus F. Zimmermann sieht in der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänen und Bulgaren eine "gute Chance" für den deutschen Arbeitsmarkt. Die große Mehrheit der Zuwanderer aus beiden Staaten seien gut qualifizierte Fachkräfte wie Ärzte oder Ingenieure, die in Deutschland dringend gebraucht würden, heißt es in einer Analyse des Direktors des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA/Bonn). "Von einer massenhaften Zuwanderung aus Armut in die deutschen Sozialsysteme kann hier jedenfalls nicht die Rede sein, dies ist eine unverantwortliche Stimmungsmache."

Zimmermann rechnet damit, dass ab 2014 als Folge der neuen Arbeitnehmerfreizügigkeit insgesamt maximal bis zu 200.000 Bürger aus Rumänien und Bulgarien zusätzlich nach Deutschland kommen. Vergangenes Jahr seien rund 71.000 Menschen aus den beiden Ländern eingewandert. Insgesamt seien derzeit knapp 170.000 Menschen aus Rumänien und Bulgarien in Deutschland beschäftigt. Mehr als 70 Prozent von ihnen zahlten regelmäßig in die Sozialversicherungen ein.

Keine weitere Chance vertun

Deutschland ist wegen seiner schrumpfenden einheimischen Bevölkerung auf Zuwanderung angewiesen. Arbeitnehmerfreizügigkeit sei dazu "ein wichtiger Beitrag", heißt es auch beim Arbeitgeberverband BDA. Einen Grund zur Panikmache gebe es nicht: "Übertriebene Befürchtungen über massenhafte Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme hat es bereits bei der ersten Freizügigkeitsregelung für die acht mittel- und osteuropäische Mitgliedstaaten gegeben. "Nichts davon hat sich bewahrheitet." Allerdings hätten qualifizierte und dringend benötigte Fachkräfte damals einen Bogen um Deutschland gemacht. "Wir haben damals eine Chance vertan, das darf sich nicht wiederholen."

Die große Koalition solle Sprachkurse, Integrations- und Qualifizierungsprogramme für die Neuankömmlinge gezielt in jenen Städten fördern, auf die sich der Zustrom erfahrungsgemäß konzentrieren dürfte, so Zimmermann. Zugleich müsse ein "Sozialtourismus" rechtzeitig durch klare Regeln verhindert werden. Die Gesetze, die Sozialhilfemissbrauch verhindern sollen, seien zum Teil zu vage, kritisierte er.

Integration als Problem

Die Kommunen in Deutschland befürchten vor allem hohe Kostendurch Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien. "Es ist nicht auszuschließen, dass mit diesen Personen auch eine Vielzahl von Personen kommen, die wir unter die sogenannte Armutseinwanderung fassen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, im Sender WDR.

Diese drohende Zuwanderung und ihre Folgen dürften nicht allein Sache der Kommunen sein. Er glaube nicht, "dass die Kommunen in der Lage sind, die Armutszuwanderung in Europa zu lösen". Landsberg verlangte, dass sich Bund, Länder und die Europäische Union an Lösungen und möglichen Kosten beteiligen. Er wies darauf hin, dass die Integration von Menschen aus diesen beiden Staaten immer stärker zu einem Problem werde. Die herkömmlichen Konzepte seien mit diesen Gruppen ganz schwer umzusetzen. "Die sind sehr misstrauisch gegenüber dem Staat und haben eben wahnsinnig schlechte Erfahrungen auch gemacht."

Besseres Leben in Deutschland?

Zum Jahreswechsel öffnet sich der deutsche Arbeitsmarkt auch für Bulgaren und Rumänen. Sie brauchen dann keine Arbeitserlaubnis mehr, um nach Deutschland zu kommen. Noch ist unklar, wie viele das sein werden. Experten erwarten keine Völkerwanderung, wohl aber Zuzug im sechsstelligen Bereich.

Bulgarien und Rumänien sind die ärmsten Länder in der EU. Ihr Bruttoinlandsprodukt liegt unter der Hälfte des EU-Durchschnitts. Viele Menschen dort leiden unter prekären Verhältnissen, Angehörige der Roma etwa. Von einem Aufenthalt hierzulande versprechen sich viele ein besseres Leben. Derzeit wird vor den Schranken der Gerichte darüber gestritten, ob auch Armutszuwanderer Anspruch auf Sozialhilfe haben. Entscheiden muss nun der Europäische Gerichtshof.

Quelle: ntv.de, sba/dpa

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