Analyse: Zahl vervierfacht Fossil-Lobbyisten bevölkern COP28
05.12.2023, 09:57 Uhr Artikel anhören
Fossile Power: Tausende Lobbyisten versuchen auf der Klimakonferenz dafür zu sorgen, dass Öl, Gas und Kohle eine Zukunft haben.
(Foto: picture alliance/dpa)
Eigentlich läuft der Weltgemeinschaft die Zeit für ein Umsteuern beim Klimaschutz davon. Die Konferenz COP28 weckt wieder Hoffnungen auf echte Veränderung. Die wird nach einer Analyse aber pulverisiert. Denn es zeigt sich: die Zahl von Lobbyisten für Kohle, Gas und Öl ist viermal so hoch wie zuletzt.
Auf der Weltklimakonferenz in Dubai sind nach einer Datenanalyse von Aktivisten mindestens 2456 Lobbyisten für Kohle, Öl und Gas ganz offiziell akkreditiert - viermal mehr als auf dem Treffen in Ägypten im vergangenen Jahr. Die Auswertung wurde von der Koalition "Kick Big Polluters Out" veröffentlicht, die unter anderem von Global Witness, Transparency International, Greenpeace und dem Climate Action Network getragen wird. Ausgewertet wurden öffentlich zugängliche Daten des UN-Klimasekretariats UNFCC.
Der Analyse zufolge haben die Lobbyisten mehr Zugangspässe erhalten als alle Delegationen der zehn durch die Erderwärmung verwundbarsten Staaten. Somalia, der Tschad, Niger, Guinea-Bissau, Mikronesien, Tonga, Eritrea sowie der Sudan, Liberia und die Solomonen stellen demnach zusammen lediglich 1509 Delegierte.
David Tong von Oil Change International prangerte an, dass die fossile Industrie und ihre Unterstützer in vielen Regierungen weiter Milliarden in klimaschädliche Geschäfte investierten - mit desaströsen Folgen für Mensch und Planet. Daher sei für ihn klar: "Lobbyisten für Kohle, Gas und Öl müssen rausgeworfen werden aus der COP28."
Shell, Exxon und Co. beobachten nicht nur
Alexia Leclercq von der Initiative Start:Empowerment sagte, niemand glaube ernsthaft, dass Shell, Chevron oder ExxonMobil ihre Lobbyisten nach Dubai schickten, nur um die Konferenz passiv zu beobachten. "Die vergiftete Präsenz der großen Verschmutzer hat uns jahrelang abgelenkt und daran gehindert, Wege zu finden, damit fossile Energieträger im Boden bleiben."
Die Initiative wies zudem darauf hin, dass etwa achtmal so viele Fossil-Lobbyisten auf der Konferenz der knapp 200 Staaten unterwegs seien wie offizielle Vertreter indigener Gemeinschaften (316). Insgesamt hat die UN nach eigenen Angaben für das zweiwöchige Treffen in den Vereinigten Arabischen Emiraten die Rekordzahl von rund 97.000 Teilnehmern registriert.
Der führende deutsche Klimaforscher Ottmar Edenhofer ist vom Einfluss fossiler Lobbyisten auf der bislang größten Klimakonferenz aller Zeiten nicht überrascht. "Wir müssen den Großteil der fossilen Ressourcen und Reserven an Kohle, Öl und Gas im Boden lassen, was ja im Kern bedeutet, dass die Vermögen von Öl, Kohle und Gas entwertet werden", sagte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. "Dass das nicht einfach so hingenommen wird, sondern dass die dann versuchen, sich dagegen zu wehren - damit musste man rechnen."
Fossile Industrie ist ein Machtfaktor
Klimaökonom Edenhofer meint: "Der Einfluss wäre auch groß, wenn die Konferenz kleiner wäre. Die fossile Industrie ist ein gewaltiger Machtfaktor und ein großer Wirtschaftsfaktor. Das ist offensichtlich."
Er sieht es als entscheidend an, dass die Preise für die Nutzung klimaschädlicher Energieträger steigen, damit diese unrentabel werden. "Es braucht international starke CO2-Preissignale. Deswegen reicht es nicht aus, einfach nur die erneuerbaren Energieträger zu verdreifachen und die Energieeffizienz zu erhöhen." Die Ankündigung der EU, Klimazölle einführen zu wollen, führe dazu, dass nun Länder wie Indien, die Türkei oder die Vereinigten Arabischen Emirate die Einführung von CO2-Preisen diskutierten.
Laut der Analyse waren im vergangenen Jahr in Scharm-el-Scheich 636 Lobbyisten für Kohle, Öl und Gas unterwegs, 2021 in Glasgow 503. Der Mitteilung zufolge hat etwa Frankreich Vertreter der Konzerne TotalEnergies und EDF als Teil der Delegation akkreditiert, ebenso handhabt es demnach Italien mit ENI. Und die Europäische Union habe Angestellte von BP, ENI and ExxonMobil dabei.
Joseph Sikulu von der Umweltorganisation 350.org in der Pazifikregion sagte dazu: "Wir kommen hierher, um für unser Überleben zu kämpfen - welche Chance haben wir, wenn unsere Stimmen durch den Einfluss großer Umweltverschmutzer erstickt werden? Diese Vergiftung des Prozesses muss beendet werden."
Gezählt wurden für die Auswertung nur Delegierte, die offen ihre Verbindungen zu Interessen im Bereich der fossilen Brennstoffe offenlegen. Zum Abgleich stützten sich die Autoren ausschließlich auf öffentliche Quellen wie Unternehmenswebsites, Medienberichte oder Datenbanken wie InfluenceMap.
Quelle: ntv.de, als/dpa