Zwischenruf Frankreichs Rechte greifen nach der Macht
23.10.2013, 16:23 Uhr
Rechte Rattenfänger nutzen die offene Flanke der linken Regierung.
(Foto: picture alliance / dpa)
Frankreich wird derzeit von einer Welle des Fremdenhasses überzogen. Die Behörden gehen brutal gegen Roma-Wohnsitze vor. Präsident François Hollande macht eine unglückliche Figur und versucht - wie im Falle der Abschiebung eines 15-jährigen Roma-Mädchen Rechts wie Links zu gefallen. Die Galionsfigur des Front National, Marine Le Pen, lacht sich ins Fäustchen.
Sicher waren die Erwartungen, welche die Franzosen in ihren neuen Präsidenten gesetzt hatten, nicht ganz so groß wie jene der Gutgläubigen dieser Welt in Barack Obama. Die Enttäuschung über François Hollande braucht sich aber nicht hinter der über seinen US-Kollegen zu verstecken.
Was der Mann im Élysée in den vergangenen Monaten treibt, läuft auf ein konzeptloses Sammelsurium hinaus. Hollande agiert nicht, er reagiert. Kaufkraftverlust, Steuererhöhungen, Streichorgien, korrupte Minister. Im Falle Syriens versuchte sich Hollande sogar als Vorreiter eines wie auch immer gearteten militärischen Eingreifens. Es waren Franzosen, die angebliche Beweise über einen Giftgaseinsatz des Assad-Regimes vorlegten und dafür von höchster Stelle gelobt wurden. Präsentiert wurde der "Beweis" der Öffentlichkeit bis heute nicht.
Trotz der demonstrativen Senkung der Ministergehälter um 30 Prozent verdienen die Ressortchefs immer noch gut. Der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit - von Hollande zum Schwerpunkt erklärt - liegt immer noch bei rund 22 Prozent. Die Linke von Hollandes eigenen Genossen über die Linksfront bis hin zu den Gewerkschaften gehen auf die Straße.
Le Pen bewundert AfD
Doch die Herzen von immer mehr Franzosen fliegen der Rattenfängerin Marine Le Pen zu. Nachgerade hilflos versucht Hollande zu kontern. Der Fall eines Roma-Mädchens, das mit ihrer Familie in das Kosovo abgeschoben wurde und nun eventuell doch - ohne ihre Familie - zurückkehren kann, ist exemplarisch. Mit ihrer Zwangsheimreise samt Eltern und Geschwister versucht die Regierung dem wachsenden Fremdenhass zu entsprechen. Mit einer Rückkehr nach Frankreich sollen die Gemüter auf der Linken ruhiggestellt werden. Zudem hatte die Ausweisung des Mädchens in Paris wütende Schülerproteste ausgelöst. Andernorts wie in Marseille brannte der Mob Baracken von Roma nieder. Häufig geht die Polizei gegen die Wohnsitze vor, auch auf Anweisung „sozialistischer“ Bürgermeister.
Das brutale Vorgehen der Behörden gegen die 20.000 zumeist aus Bulgarien und Rumänien stammenden Roma muss auch vor dem Hintergrund der nach den Europawahlen anstehenden Kommunalwahlen im März gesehen werden. Erst kürzlich hatte ein Kandidat des rechtsextremen Front National (FN) im südfranzösischen Brignoles eine Kantonalstichwahl für sich entschieden. In den Umfragen ist der Front landesweit derzeit die stärkste Partei. Immer häufiger sind auf FN-Veranstaltungen Plakate mit der Aufschrift „Marine – Présidente!“ zu sehen. Schon ihr Vater Jean-Marie hatte bei den Präsidentenwahlen 2002 den zweiten Platz belegt und den Linkskandidaten Lionel Jospin auf den dritten Rang verwiesen. Der Gaullist Jacques Chirac konnte nur mit Hilfe der Linken wiedergewählt werden. 2017 kann dieses in Frankreich Republikanische Front genannte informelle Bündnis wieder erforderlich sein. Ob es dann aber funktioniert, ist offen.
Derzeit ist Hollande der unbeliebteste Staatschef der Fünften Republik. Gut drei Jahre hat er noch Zeit, dies zu ändern. Eine Le Pen an der Spitze einer der beiden europäischen Lokomotiven wäre eine Katastrophe. Keine Katastrophe, aber ein großes Problem wäre im selben Jahr die Präsenz der von Frau Le Pen bewunderten AfD im Deutschen Bundestag.
Quelle: ntv.de