Deutscher Dauerbrenner Freier Sonntag vor Gericht
30.11.2009, 22:31 Uhr
Berliner Geschäfte haben an allen Adventssonntagen ab 13 Uhr geöffnet.
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Im jahrelangen Dauerstreit um den Sonntagsschutz schließt sich am Dienstagvormittag der Kreis: Das Bundesverfassungsgericht verkündet in Karlsruhe sein Urteil zur Zulässigkeit der vielen verkaufsoffenen Sonntage im Land Berlin.
2004 hatten die Verfassungsrichter das damalige bundeseinheitliche Ladenschlussgesetz bestätigt, zugleich aber den Bundesländern die Kompetenz zugesprochen, die Ladenschlusszeiten selbst zu regeln: Seit der Föderalismusreform 2006 liegen die Ladenschlussregeln erstmals in der Zuständigkeit der Länder.
Grundsatzurteil für alle Bundesländer

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Das Urteil wird bundesweit mit Spannung erwartet. Denn es hat für alle Bundesländer Signalwirkung, weil es grundsätzlich die verfassungsrechtlichen Grenzen der Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen regelt.
Das Berliner "Gesetz zur Regelung der Ladenöffnungszeiten" - bundesweit die liberalste Regelung - ist seit dem 17. November 2006 in Kraft. Danach dürfen die hauptstdtädischen Geschäfte an bis zu zehn Sonn- und Feiertagen pro Jahr öffnen - darunter an allen vier Sonntagen in der Vorweihnachtszeit. Dagegen reichten die evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz sowie das katholische Erzbistum Berlin im Juni 2007 Verfassungsbeschwerde ein.
Die beiden Amtskirchen sehen in dem Gesetz einen Verstoß gegen das in Artikel 4 des Grundgesetzes verankerte Grundrecht auf ungestörte Religionsausübung und namentlich einen Angriff auf den besonderen Schutz des Sonntags. Die "institutionelle Garantie zur seelischen Erhebung" an Sonntagen sei gefährdet, befürchten sie.
Wolfgang Huber, damals noch Vorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, hatte dem Land in der Anhörung im Juni deshalb einen "beunruhigenden Mangel an religiöser wie kultureller Achtung" vorgeworfen.
Der Sonntag ist heilig

Der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch (M) zelebriert 2008 im Freiburger Münster den Weihnachtsgottesdienst.
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Huber führt unter anderem an, dass die Vorweihnachtszeit "weitgehend durch Kommerz" beherrscht werde. Im Kirchenartikel 139, übernommen aus der Weimarer Verfassung, heißt es: "Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt."
Diesen Schutz sieht das Land Berlin nach wie vor gewährleistet. Deren Vertreter bezeichneten die Klage in der Anhörung als von vornherein unzulässig, weil es bei der Sonntagsöffnung um eine - vom Gesetzgeber zu beantwortende - gesellschaftspolitische Frage gehe.
Ist der Sonntagsschutz überhaupt einklagbar?
Nach den Worten des Gerichtspräsidenten Hans-Jürgen Papier gehört es zu den zentralen Fragen des Verfahrens, inwieweit die Kirchen den Sonntagsschutz überhaupt gerichtlich einklagen können. Einzelne Gläubige haben nämlich keine Beschwerde eingelegt.
Unterstützt werden die Kirchen von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi; der Handel dagegen verteidigt das Gesetz.
Außerdem weisen die Befürworter der Sonntagsöffnung darauf hin, dass um 13.00 Uhr die Hauptgottesdienste beendet sind. "Mit dem Sonntag ist der ganze Tag gemeint", so dagegen der Erzbischof von Berlin, Georg Kardinal Sterzinsky: "Wenn ich es richtig sehe, kennt das Grundgesetz keinen nach Tageszeit abgestuften verfassungsrechtlichen Sonntagsschutz."
Liberale Berliner Öffnungszeiten
In Berlin dürfen die Läden an allen vier Adventssonntagen zwischen 13 und 20 Uhr öffnen, an vier weiteren Sonn- und Feiertagen darf der Berliner Senat die Ladenöffnung "im öffentlichen Interesse" verfügen - ohne ausdrückliche Uhrzeitbegrenzung. Hinzu kommen zwei weitere Sonn- oder Feiertage, an denen die Geschäfte aus Anlass "besonderer Ereignisse" von 13 bis 20 Uhr öffnen dürfen.
Die meisten anderen Länder geben nur vier Sonn- und Feiertage frei, in Baden-Württemberg sind es drei, in Brandenburg sechs. Hinzu kommen verschiedene Sonderregelungen, etwa für Kurstädte.
Quelle: ntv.de, hdr/dpa/AFP