Erster Guantánamo-Zivilprozess Freispruch in fast allen Punkten
18.11.2010, 08:32 UhrIm ersten Prozess gegen einen Guantánamo-Häftling vor einem US-Zivilgericht wird der Angeklagte in den meisten Anklagepunkten freigesprochen. Eine Jury befindet Ahmed Khalfan Ghailani lediglich für schuldig, an einer Verschwörung zur Zerstörung vom US-Eigentum beteiligt gewesen zu sein. Das Strafmaß steht noch nicht fest.

Ghailani war 2004 in Pakistan gefasst und zwei Jahre später in das Gefangenenlager Guantánamo Bay auf Kuba gebracht worden.
(Foto: REUTERS)
Im ersten gegen einen früheren Insassen des US-Gefangenenlagers Guantanamo ist der Angeklagte in nur einem von insgesamt 286 Anklagepunkten für schuldig befunden wurden. Die Geschworenen eines New Yorker Bundesgerichts sprachen den Angeklagten aus Tansania wegen der Anschläge auf die US-Botschaften in Tansania und Kenia im Jahr 1998 der "Verschwörung zur Zerstörung von US-Eigentum" für schuldig.
Die anderen 285 Anklagepunkte gegen den 36 Jahre alten Ahmed Khalfan Ghailani, darunter Verschwörung zur Ermordung von US-Bürgern, Verschwörung zum Einsatz von Massenvernichtungswaffen und Mord, wurden fallengelassen. Das Strafmaß soll am 25. Januar verkündet werden. Der Staatsanwaltschaft zufolge wird es zwischen 20 Jahren Gefängnis und lebenslanger Haft betragen. Das US-Justizministerium erklärte sich zufrieden mit dem Urteil.
Verbindungen zu Al-Kaida

In der kenianischen Hauptstadt Nairobi wurden auch Nachbargebäude der Botschaft zerstört.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Bei den beinahe zeitgleich verübten Anschlägen auf die Botschaften waren am 7. August 1998 224 Menschen ums Leben gekommen und tausende verletzt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte Ghailani als einen der Drahtzieher bezeichnet und ihm enge Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida vorgeworfen. Demnach kaufte er den bei dem Attentat in Tansania eingesetzten Lastwagen und Sprengstoff. Die Verteidigung argumentierte dagegen, Ghailani habe nicht gewusst, was er kaufte. Er sei von Al-Kaida vielmehr "hinters Licht geführt" worden.
Der Prozess hatte Mitte Oktober begonnen, die Geschworenen gaben ihr Urteil nach fünftägigen Beratungen bekannt. Das Verfahren galt auch als Testfall für die Politik von US-Präsident Barack Obama. Dieser will das Lager Guantanamo schließen und die Insassen gegebenenfalls vor US-Zivilgerichten aburteilen lassen. Bislang wurden sie vor spezielle Militärtribunale gestellt, wo die Angeklagten nur verminderte Rechte haben. Dass der Angeklagte nun von fast allen Vorwürfen freigesprochen wurde, dürfte die Kritik an Obamas Plänen weiter verstärken, insbesondere von Seiten der oppositionellen Republikaner.
Republikaner enttäuscht
Der republikanische Senator Lindsey Graham erklärte, er sei "zutiefst enttäuscht" über den Ausgang des Prozesses. "Wir befinden uns im Krieg mit Al-Kaida. Mitglieder dieser Organisation und ihre Verbündeten sollten als Kämpfer und nicht wie normale Kriminelle behandelt werden." Guantanamo-Häftlingen müsse weiter vor Militärgerichten der Prozess gemacht werden. Graham hatte Obama bereits zuvor vorgeschlagen, die Republikaner davon überzeugen zu können, für eine Schließung Guantanamos zu stimmen; im Gegenzug müssten die Insassen aber vor Militärtribunale gestellt werden, nicht vor Zivilgerichte.
Dagegen begrüßten Menschenrechtsorganisationen das Urteil. Daphne Eviatar von Human Rights First sagte, Prozesse vor Bundesgerichten hätten sich als "effizient, fair und transparent" erwiesen. Es gebe nun keinen Grund mehr, das Gefangenenlager in Guantanamo weiter zu betreiben. Ähnlich äußerte sich die US-Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU).
Der Prozess zeigte aber auch die Schwierigkeiten auf, gegen Angeklagte einen Prozess zu führen, die zuvor in geheimen Gefängnissen des US-Geheimdienstes CIA einsaßen und dort möglicherweise gefoltert wurden. So ließ der Richter in New York einen wichtigen Zeugen der Anklage nicht zu, weil die Ermittler ihn nach CIA-Verhören Ghailanis aufgespürt hatten.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa