Lage der Flüchtlinge dramatisch Friedensbemühungen im Kongo
01.11.2008, 17:41 UhrDie Außenminister Frankreichs und Großbritanniens, Bernard Kouchner und David Miliband, haben in Kinshasa mit dem kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila über eine Lösung für den Konflikt im Ostkongo beraten. Anschließend reisten sie nach Goma im Krisengebiet, um sich selbst einen Eindruck von der humanitären Situation zu verschaffen.
Kouchner und Miliband wollten im Rahmen ihrer diplomatischen Initiative auch den ruandischen Präsidenten Paul Kagame in Kigali treffen. Die kongolesische Regierung wirft Kagame vor, Nkundas Rebellen zu unterstützen.
Allein in Goma und Umgebung benötigen mehr als 250.000 Flüchtlinge dringend Hilfe. Hilfsorganisationen sprechen von Chaos und Verzweiflung. Die Truppen des Rebellengenerals Laurent Nkunda hatten am vergangenen Wochenende eine neue Offensive gestartet und stehen nun unmittelbar vor Goma, der Provinzhauptstadt der Region Nord Kivu.
Cholera ausgebrochen
Das Flüchtlingselend in der Region wird unterdessen immer größer. Die UN beschrieb die Lage als "völliges Desaster". Seit dem Aufflammen der Kämpfe befinden sich hunderttausende Menschen auf der Flucht. Nach UN-Angaben wurden selbst Flüchtlingslager geplündert und niedergebrannt.
Einige Flüchtlinge hätten die Provinzhauptstadt der umkämpften Region Nord Kivu bereits wieder verlassen, um in ihre Heimatdörfer zurückzukehren, sagte Clio van Cauter, Sprecherin der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen im Ost-Kongo. "Aber es ist zu früh, um sagen zu können, ob sie dort auch bleiben können oder erneut fliehen müssen", sagte sie. Nach einem Cholera-Ausbruch in einem der Flüchtlingslager drohe eine Ausweitung der hochansteckenden Krankheit.
Sollten die Übergriffe nicht bald enden, so befürchtet die Hilfsorganisation CARE eine Destabilisierung der gesamten Region. Flüchtlinge könnten in Nachbarländer fliehen, vor allem nach Ruanda und Uganda, und bewaffnete Splittergruppen könnten sich mit den kongolesischen Rebellen verbünden.
Krisengipfel in Nairobi geplant
Nkunda, der vor wenigen Tagen einen einseitigen Waffenstillstand erklärt hat, begründet seinen Kampf mit der Verteidigung der kongolesischen Tutsi. Er wirft der Regierungsarmee vor, Hutu-Milizen zu unterstützen, die 1994 nach dem Völkermord in Ruanda in das zentralafrikanische Nachbarland geflohen waren. Das Hutu-Regime, das von Kagame und seiner Ruandischen Patriotischen Front (RPF) gestürzt worden war, hatte innerhalb von nur 100 Tagen rund 800.000 Tutsi und gemäßigte Hutu ermordet.
Nach Angaben von Louis Michel, des EU-Kommissars für humanitäre Aufgaben, der bereits vor zwei Tagen nach Kinshasa gereist war, haben sich Kabila und Kagame mit einem Regionalgipfel über den Konflikt im Ostkongo einverstanden erklärt. Nkunda sei jedoch bisher nicht zur Teilnahme eingeladen worden, sagte Michel dem britischen Sender BBC. Der Gipfel soll in der kenianischen Hauptstadt Nairobi stattfinden.
Ban mahnt zum Frieden
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat sich nach Angaben der Vereinten Nationen ebenfalls in die Friedensbemühungen eingeschaltet. Ban sagte am Freitag in der indischen Hauptstadt Neu Delhi, er habe mit Kabila, Kagame, dem tansanischen Präsidenten Jakaya Kikwete, der auch der Präsident der Afrikanischen Union ist, und dem französischen Staatschef Nicolas Sarkozy gesprochen. Zudem habe er den EU-Außenbeauftragten Javier Solana und US-Außenministerin Condoleezza Rice kontaktiert.
Ban habe in seinen Gesprächen hervorgehoben, wie wichtig es sei, alles Mögliche zu tun, um die augenblickliche Waffenruhe zu festigen und weitere Gewalt zu verhindern. Er habe alle aufgefordert, ihr Möglichstes für ein Treffen der Konfliktparteien zu tun. Der UN-Generalsekretär habe auch die Möglichkeit erörtert, einen Sondergesandten für die Region zu ernennen.
London erwägt Truppenentsendung
Das Londoner Außenministerium brachte unterdessen die Entsendung britischer und anderer europäischer Soldaten in den Kongo ins Gespräch. Falls die diplomatischen Bemühungen nicht zu einem Ende der Kämpfe führten, könnte dies eine Option sein, sagte Außenstaatssekretär Lord Mark Malloch-Brown in einem BBC-Interview. Zunächst sollten aber UN-Friedenstruppen aus anderen Ländern in den Kongo verlegt werden. Danach könnten auch Großbritannien und andere europäische Länder eingebunden werden, um die UN-Friedenstruppen zu unterstützen.
Im Kongo haben die UN mit 17.000 Soldaten, darunter etwa 6000 in der Krisenregion im Osten, bereits ihre weltweit größte Friedensmission neben dem Einsatz in Darfur stationiert.
Quelle: ntv.de