Politik

Merkel geht auf Distanz zum Innenminister Friedrich: Die Wahrheit ist immer klug

Friedrich will trotz seiner Bedenken zustimmen, findet es aber ebenso wichtig, die Wahrheit zu sagen.

Friedrich will trotz seiner Bedenken zustimmen, findet es aber ebenso wichtig, die Wahrheit zu sagen.

(Foto: dapd)

"Das, was am Nachmittag im Bundestag zur Abstimmung steht, ist die vorläufig beste Alternative für Griechenland", stellt Innenminister Friedrich klar und relativiert seine Aussagen vom Wochenende. Dennoch sei es immer klug, sich wahrheitsgemäß zu äußern. Und zur Wahrheit gehöre nun mal den Griechen klar zu machen, dass es auch andere Lösungen gebe.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat seine Äußerungen relativiert, eine Sanierung Griechenlands gelinge am besten außerhalb der Euro-Zone. "Wir gehen als Bundesregierung davon aus, dass es gelingen kann, Griechenland im Euroraum zu sanieren und wettbewerbsfähig zu machen", sagte der CSU-Politiker vor der Unions-Fraktionssitzung. "Ich zweifele überhaupt nicht am Rettungskurs der Kanzlerin."

Seine Zustimmung zum zweiten Griechenland-Rettungspaket habe ohnehin nie zur Disposition gestanden. Das Paket sei "vorläufig die beste Alternative, sonst würde ich nicht mitstimmen", sagte er. Allerdings stünden Regierung und Parteien in Athen in der Pflicht, sich nun "mit Volldampf" an die Umsetzung der zugesagten Reformen zu machen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich von Friedrichs Überlegungen zu einem freiwilligen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone distanziert. Friedrich stellte umgehend klar, dass er mit seinen Äußerungen vom Wochenende eine "Botschaft an die Griechen" habe senden wollen, dass nicht nur die Euro-Partner, sondern auch die Griechen ihre Verpflichtungen einhalten müssten. Die Griechen müssten wissen: Es gebe auch andere Lösungen "als immer nur zu zahlen", sagte Friedrich.

Zu der Kritik vor allem am Zeitpunkt seiner Äußerungen kurz vor der wichtigen Abstimmung im Bundestag sagte Friedrich: "Es ist immer klug, sich zu wichtigen Dingen wahrheitsgemäß zu äußern."

Neben Friedrich hatten zwei weitere hochrangige CSU-Politiker den Austritt Griechenlands aus der Eurozone gefordert. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte der "Bild"-Zeitung: "Griechenland ist und bleibt ein Pleitekandidat. Ein Strategiewechsel bei der Griechenland-Rettung inklusive Austritt Griechenlands aus dem Euro-Raum darf kein Tabu mehr sein." Ähnlich äußerte sich der bayerische Finanzminister Markus Söder in der "Passauer Neuen Presse".

Zur Stunde debattiert der Bundestag über das zweite Rettungspaket für Griechenland im Volumen von 130 Milliarden Euro, das am frühen Abend zu Abstimmung ansteht.

Merkel rechnet mit Kanzlermehrheit

Die Annahme des Hilfspakets heute im Bundestag gilt als sicher, weil SPD und Grüne ihre Unterstützung signalisiert haben. Mehrere Abgeordnete von Union und FDP wollen aber mit Nein stimmen.

Merkels Sprecher Steffen Seibert sagte dennoch, er gehe von einer breiten Mehrheit für den Antrag der Bundesregierung aus. Dies gelte auch für die sogenannte Kanzlermehrheit - also eine eigene Mehrheit der schwarz-gelben Koalition, das sind mindestens 311 Stimmen.

"Zerfall von Schwarz-Gelb"

Das zweite Griechenland-Paket

Das neue Hilfsprogramm bis Ende 2014 umfasst bis zu 130 Milliarden Euro, die der Euro-Rettungsschirms EFSF in mehreren Tranchen auszahlen soll. Für wie viel Geld Deutschland garantieren soll, steht noch nicht genau fest.

Hinzu kommen 24,4 Milliarden Euro, die aus dem ersten Hilfsprogramm für Griechenland vom Mai 2010 nicht ausgeschöpft wurden.

Ziel ist es, dass Griechenland mit den Nothilfen und einem scharfen Reform- und Sparprogramm seinen Schuldenstand bis 2020 auf 120,5 Prozent der Wirtschaftsleistung drückt. Derzeit sind es mehr als 160 Prozent.

Unterdessen attackierte die FDP die CSU und die Opposition die Koalition. "Wir erleben den Zerfall von Schwarz-Gelb und eine Machterosion bei der Kanzlerin", sagte SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider. Die Entscheidung über die Griechenland-Hilfe werde für Angela Merkel zu einem wichtigen Test. "Hat sie noch eine eigene Mehrheit für ihre Politik oder nicht?"

SPD-Vizefraktionschef Joachim Poß sagte bei n-tv, Merkel habe offenbar "nicht mehr die nötige Überzeugungskraft, um ihre Koalition und ihre Regierung hinter sich zu bringen, denn das Verhalten von Herrn Friedrich ist ja abenteuerlich".

"Juristisch gar nicht so einfach"

Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, sagte bei n-tv, es sei "natürlich" erlaubt, darüber nachzudenken, ob Griechenland aus dem Euro austreten sollte. Allerdings würde ein solcher Schritt die Wiedereinführung der Drachme bedeuten. "Dann werden auch die Schulden in Drachmen bezahlt und nicht in Euro, und der Domino-Effekt, der im Bankensystem darüber ausgelöst würde, den will ich mir lieber nicht ausmalen."

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte bei n-tv, es sei "ein abenteuerlicher Vorgang", dass ein Mitglied der Bundesregierung, das dem Rettungspaket zugestimmt habe, "öffentlich erklärt, das war gar nicht so gemeint". Hier müsse die Kanzlerin "mal für Ordnung in den eigenen Reihen sorgen".

"Die großen Institutionen, der wirtschaftswissenschaftliche Sachverstand der Welt geht davon aus, dass die Folgen einer Staatspleite Griechenlands für die deutsche Volkswirtschaft größer wären als die Folgen der Lehman-Pleite", so Trittin. "Das ist der Grund, warum dieses Rettungspaket zu spät kommt, aber notwendig ist."

FDP befürchtet Verunsicherung der Märkte

Der designierte FDP-Generalsekretär Patrick Döring kritisierte die Äußerungen Friedrichs heftig. "Jetzt bei voller Fahrt die Frage einer Vollbremsung zu diskutieren, eines absoluten Kurswechsels, verunsichert die Märkte mehr, als dass es sie stabilisiert."

Das zweigleisige Fahren der Koalitionspartner - den Maßnahmen zuzustimmen und sie dann im Nachhinein öffentlich zu kritisieren - sei für die FDP nicht akzeptabel. "Wir müssen die Interessen der deutschen Steuerzahler wahren. Und das ist jetzt mehr der Fall als noch vor zwei Wochen und das ist ein wesentlicher Verdienst der Bundesregierung und der FDP."

Quelle: ntv.de, ppo/hvo/AFP/rts/dpa

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