Italien und die Flüchtlinge Friedrich bleibt hart
12.04.2011, 15:40 Uhr
Flüchtlinge auf Lampedusa.
(Foto: dpa)
Bundesinnenminister Friedrich glaubt, dass die große Mehrheit der nordafrikanischen Flüchtlinge aus wirtschaftlicher Not nach Europa kommt. Unterstützung findet er mit dieser Ansicht in den eigenen Reihen, aber nicht bei christlichen Wertegemeinschaften, die ein anderers Menschenbild pflegen.
In der Debatte um die Zuwanderung von Flüchtlingen aus Nordafrika steuert die Bundesregierung weiter einen harten Kurs. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) warnte Italien davor, den Menschen in der Region zu signalisieren, dass die Schleusen in Europa offen seien. Dagegen forderten Grüne, Entwicklungsorganisationen und Kirchen ein Ende der Abschottungspolitik und riefen die Regierung zu größerer Solidarität auf.
Friedrich wies in der ARD darauf hin, dass von den mehr als 20.000 Menschen, die aus Nordafrika nach Italien gekommen seien, bislang nur 2000 Asyl beantragt hätten. Die anderen seien offenbar Wirtschaftsflüchtlinge, sagte der Innenminister. Mit Blick auf die Flüchtlinge aus Malta, von denen Deutschland 100 aufnimmt, sagte Friedrich aber auch, Deutschland nehme Menschen auf, die "wirklich schutzbedürftig" seien. Was die Bundesregierung mache, sei "völlig gerechtfertigt", sagte dazu der Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier.
Kritik äußerten Politiker der CDU/CSU weiter an der Ankündigung Italiens, Flüchtlingen aus Tunesien befristete Visa für den Schengen-Raum auszustellen. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt drohte vor diesem Hintergrund erneut mit der Wiedereinführung von Grenzkontrollen. Ein solches Signal könne man nicht akzeptieren, sagte auch Friedrich.
"Wenn Wirtschaftsflüchtlinge aus Nordafrika von Italien Touristenvisa erhalten, ist das gegen geltendes Recht", sagte der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach. Ohne Gegenmaßnahmen würde "eine Welle von Wirtschaftsflüchtlingen auf uns zurollen", warnte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Er sprach sich aber im NDR zugleich für ein wirtschaftliches Hilfs- und Entwicklungsprogramm für Tunesien aus, "eine Art Marshallplan".
"Schikane und Blödsinn"
"Europa kann auf die Situation der Flüchtlinge aus Nordafrika nicht so reagieren, dass einfach die Zugbrücken hochgezogen und Europa zur Festung erklärt wird", sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin in Berlin. Er forderte mehr Solidarität in Europa. "Schikane" und "ökonomischer Blödsinn" wäre es nach seinen Worten, wenn Millionen Europäer wieder an den Grenzen kontrolliert würden, "weil man ein paar tausend Flüchtlinge nicht gerecht in Europa verteilen will". Ulla Jelpke (Linke) warf Friedrich vor, Menschen aus Nordafrika "pauschal als Wirtschaftsflüchtlinge zu diffamieren".

Ein Tunesier auf Lampedusa kann nicht glauben, dass er umgehend wieder abgeschoben wird.
(Foto: REUTERS)
Eine "aktive europäische Flüchtlingspolitik" forderte der Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider. Er kritisierte die bisherige Debatte als "beschämend" und verlangte statt eines "Schwarzer-Peter-Spiels" zwischen den europäischen Staaten ein "abgestimmtes europäisches Einwanderungsprogramm".
Kritik an der Haltung der Regierung übte auch die christliche Friedensorganisation pax christi. "Mit Befremden muss pax christi die Haltung des Bundesinnenministers zur Kenntnis nehmen, sich der aktuellen Aufnahme von Flüchtlingen aus den Kriegsgebieten Nordafrikas radikal zu widersetzen", hieß es in einer Erklärung. "Europa muss seine Abschottungspolitik gegen Flüchtlinge und Migranten beenden und endlich seine humanitäre Verantwortung wahrnehmen", verlangte auch der Verband deutscher Entwicklungsorganisationen VENRO.
Schnelle Abschiebung
Nach einem Brand und heftigen Protesten im Flüchtlingslager von Lampedusa begann Italien unterdessen damit, die verbliebenen Flüchtlinge zu verlegen. Wie italienische Medien berichteten, sollten im Laufe des Tages etwa 700 der rund 1000 tunesischen Bootsflüchtlinge von der kleinen Felseninsel in andere Aufnahmelager auf Sizilien und dem italienischen Festland gebracht werden. Von dort würden sie dann so schnell wie möglich abgeschoben, hieß es.
Auf der Basis eines vor einer Woche unterzeichneten bilateralen Abkommens mit der Regierung in Tunis schickt Rom alle neu in Italien eintreffenden Migranten aus Tunesien direkt zurück. Am Montag waren 50 Tunesier in ihr Heimatland abgeschoben worden. Am Dienstag versuchten 30 Tunesier, sich dem Rücktransport zu widersetzen, und weigerten sich, den Flughafen von Lampedusa zu betreten. "Wir wollen die Freiheit, wir wollen nach Frankreich, nicht nach Tunesien", riefen sie.
Per Dekret ließ Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi einen "humanitären Notstand in Nordafrika" erklären. Damit soll nicht nur humanitäre Hilfe etwa in Ägypten und Tunesien erleichtert werden, Rom will vor allem auch wirksamere Maßnahmen gegen den Flüchtlingsstrom ergreifen können.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP