Opposition fordert Merkel zum Handeln auf Friedrich sieht USA unfair behandelt
11.07.2013, 06:42 Uhr
In Berlin protestierten Menschen für die Aufnahem von Edward Snowden, der den NSA-Skandal ins Rollen gebracht hatte.
(Foto: REUTERS)
Oppositionspolitiker setzen Kanzlerin Merkel im NSA-Abhörskandal verstärkt unter Druck. Sie müsse persönlich dafür sorgen, dass die Grundrechte in Deutschland verteidigt werden, sagt SPD-Chef Gabriel. Dagegen lobt Innenminister Friedrich, der zu Gesprächen nach Washington fliegt, die Zusammenarbeit mit den US-Diensten.
In der Debatte über die Überwachungsmethoden des US-Geheimdienstes NSA hat Innenminister Hans-Peter Friedrich eine mangelnde Fairness gegenüber den USA beklagt. "Es ärgert mich, dass man sofort und ohne genaue Kenntnis jede Verdächtigung gegen unseren amerikanischen Verbündeten in die Welt setzen kann", sagte der CSU-Politiker dem "Spiegel". "Das ist nicht fair. Ohne die Hinweise der USA und die gute Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten hätten wir höchstwahrscheinlich Terroranschläge in Deutschland nicht verhindern können." Gleichzeitig sagte er jedoch: "Unter Freunden muss man Klartext reden können." Flächendeckende Überwachung sei nicht verhältnismäßig.
Friedrich fliegt heute zu Gesprächen über das Ausspähen deutscher Bürger und Einrichtungen nach Washington. Dazu trifft er sich auch mit US-Justizminister Eric Holder und der für die Terrorabwehr zuständigen Sicherheitsberaterin von US-Präsident Barack Obama, Lisa Monaco. Wie viel die Amerikaner dabei preisgeben, ist fraglich. Unklar ist auch, was davon an die Öffentlichkeit gelangen wird. Die Bundesregierung hat bislang offen gelassen, inwieweit und in welcher Form sie die Erkenntnisse - angesichts möglicher Geheimhaltungspflichten - publik machen wird.
Die Bundesregierung will klären, was an den Vorwürfen dran ist, dass der US-Geheimdienst NSA in Deutschland im großen Stil Kommunikation per E-Mail und Telefon überwacht habe. Zudem soll der Dienst EU-Vertretungen ausgespäht haben. Auch Wochen nach den ersten Enthüllungen darüber wartet die Bundesregierung noch immer auf Antworten aus Washington.
Vorwürfe gegen Merkel
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel warf unterdessen Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel in der US-Spähaffäre Tatenlosigkeit vor. "Ich finde es unerhört, dass die Kanzlerin achselzuckend hinnimmt, dass offenbar die Grundrechte von Millionen Deutschen durch amerikanische und britische Geheimdienste verletzt wurden", sagte er dem "Spiegel".
Merkel hatte zuvor in einem Interview mit der "Zeit" Verständnis für das Abhören von Telekommunikation durch Geheimdienste zum Zweck der Terrorbekämpfung gezeigt. Zudem verwies sie auf die Zuständigkeit ihres Kanzleramtschefs Ronald Pofalla für geheimdienstliche Belange.
"Anscheinend versucht Frau Merkel jetzt, die politische Verantwortung auf ihren Kanzleramtschef abzuschieben", sagte Gabriel dazu. "Die Dimension dieses Skandals ist so groß, dass niemand anders als die Kanzlerin persönlich dafür sorgen muss, dass die Grundrechte in Deutschland verteidigt werden."
Nach Ansicht von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger können sich die USA in der Affäre nicht aus der Verantwortung stehlen. Die Amerikaner könnten nicht versuchen, das Thema "auszusitzen, bis der Sturm der Entrüstung dann der Urlaubsruhe weicht", sagte die FDP-Politikerin in Berlin. Friedrichs Besuch in Washington sei deshalb ein bedeutendes Signal. "Es ist eine wichtige Reise", betonte sie. "Entscheidend ist, dass klar wird: Hier wird Transparenz geschaffen, hier wird aufgeklärt."
"Da hat es einen Vertrauensverlust gegeben"
Die Ministerin mahnte zudem zu größtmöglicher Offenheit. "Man kann nicht mit dem Begriff 'geheim' alles vom Tisch wischen." Sie rügte das bisherige Vorgehen der USA: "Dass wir wochenlang keine Antwort bekommen und nichts erfahren, das kann nicht sein."
Das enge Verhältnis zu den USA hat nach Ansicht Leutheusser-Schnarrenbergers durch die Spähaffäre gelitten: "Gerade unter Freunden muss man auch offen sagen: Da hat es einen Vertrauensverlust gegeben." Es müsse nun ein Anliegen der Amerikaner sein, Vertrauen wiederherzustellen. Die Ressortchefin forderte, wenn die Behauptungen zuträfen und es ein flächendeckendes Abgreifen von Daten gebe, dann müsse das Programm der Amerikaner sofort gestoppt werden. Auch beim Treffen der EU-Justiz- und Innenminister in der kommenden Woche werde das Thema auf den Tisch kommen.
Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth äußerte sich ähnlich kritisch wie SPD-Chef Gabriel. Merkel versuche die Verantwortung für den Abhörskandal an ihren Kanzleramtsminister abzuschieben und ihn zu einem "Bauernopfer" zu machen, sagte sie den "Nürnberger Nachrichten". "Die Methode Wegducken wird ihr aber nicht gelingen. Die Kanzlerin trägt die Verantwortung für diese Regierung."
Unions-Fraktionschef Volker Kauder warnte die USA vor ausufernden Spähaktionen im Namen der Terrorbekämpfung. "Wir werden mit den Amerikanern darüber reden, dass sie auch mit ihren eigenen Maßnahmen nicht über das Ziel hinausschießen sollten, indem sie möglicherweise die Kommunikation von Millionen von Bundesbürgern überwachen", sagte der CDU-Politiker dem Bonner "General-Anzeiger". "Zur Freiheit gehört, dass ich geschützt kommunizieren kann, auch wenn eine Mail von Berlin nach Hamburg heutzutage einmal um die Welt geht, weil es für die Provider zufällig billiger ist." Auch die deutsche Industrie dürfe nicht abgeschöpft werden, betonte Kauder. Hier gebe es keinen Zusammenhang mit dem Anti-Terror-Kampf.
Quelle: ntv.de, dpa