"Üble Kampagne" oder reales Problem? Friedrich warnt vor Armutsmigration
25.04.2013, 16:01 UhrIn einem Brief an die EU-Kommission fordern Bundesinnenminister Friedrich und seine Amtskollegen ein schärferes Vorgehen gegen Sozialbetrüger. Die EU-Kommission reagiert skeptisch, konkrete Zahlen kann Friedrich nämlich nicht vorweisen. Grünen-Chefin Roth spricht indes von einer üblen Kampagne, die den Rassismus gegen Minderheiten nur noch weiter befeuert.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und seine Kollegen aus Österreich, den Niederlanden und Großbritannien fordern von der Europäischen Union ein schärferes Vorgehen gegen Armutsmigration aus anderen Mitgliedstaaten. "Alle notwendigen Maßnahmen müssen ergriffen werden, um den Folgen dieser Einwanderung zu begegnen und ihre Ursachen zu bekämpfen", heißt in einem Schreiben, das der Nachrichtenagentur AFP vorlag. Die EU-Kommission reagierte zurückhaltend.

Weise Voraussicht oder populistische Stimmungsmache? Innenminister Friedrich hat Angst vor sozialbetrügerischen Migranten.
(Foto: picture alliance / dpa)
Auslöser des Vorstoßes sind Klagen von Gemeinden - auch in Deutschland - über zunehmende Fälle von Migranten besonders aus Rumänien und Bulgarien, die Sozialleistungen beantragen. Dadurch würden die Sozialsysteme ihrer Länder mit "beträchtlichen zusätzlichen Kosten" etwa in den Bereichen Bildung und Gesundheitsversorgung sowie durch die Bereitstellung von Unterkünften belastet, heißt es in dem Brief an die irische Ratspräsidentschaft und die EU-Kommission.
Die Minister begründen ihre Forderungen aber auch mit Sorgen um die Freizügigkeit in der EU: "Diese Art von Einwanderung bedroht unser gemeinsames Ziel, die Mobilität der europäischen Bürger zu fördern, die in anderen Mitgliedstaaten arbeiten, studieren oder ein Unternehmen aufbauen wollen." Friedrich und seine Kollegen fordern die Ratspräsidentschaft auf, das Thema auf die Tagesordnung des EU-Innenministerrats im Juni zu setzen.
"Sprengsatz für die europäische Solidarität"
Friedrich hatte den Brief bereits bei einem Treffen der EU-Innenminister im März angekündigt. Damals nannte der Konservative den Sozialbetrug durch EU-Bürger anderer Staaten einen "Sprengsatz für die europäische Solidarität". Die Größenordnung des Problems bezifferte Friedrich allerdings nicht. Die vier Innenminister rufen die EU-Kommission nun auf, "schnell Vorschläge zur weiteren Beratung vorzulegen", da die geltenden Regeln "nicht effektiv" seien.

Roma in Berlin-Neukölln: Grünen-Chefin Roth wirft Friedrich eine "üble Kampagne" gegen die Minderheit vor.
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Dabei machen sie in dem Schreiben auch deutlich, welche Vorstellungen sie haben: Sozialbetrüger aus anderen EU-Ländern sollen ausgewiesen und mit einer "Wiedereinreisesperre" belegt werden können. Eine Ausweisung ist zwar bereits möglich, EU-Bürger dürfen aber umgehend zurückkehren. Die Herkunftsstaaten der Einwanderer sollen zudem die Lebensbedingungen der Migranten verbessern, bei denen es sich oft um Angehörige der Roma-Minderheit handelt. Die dafür vorgesehenen EU-Gelder sollten effektiv eingesetzt und möglicherweise aufgestockt werden.
Die EU-Kommission bestätigte den Eingang des Briefes, reagierte jedoch zurückhaltend. Sie werde sich der Sache annehmen und Stellung nehmen, sagte ein Sprecher. Aber: "Wir haben von keinem Mitgliedstaat irgendwelche Zahlen zum Ausmaß dieses vorgeblichen Sozialleistungs-Tourismus erhalten." Es gebe zudem bereits Regeln zur Verhinderung von Sozialbetrug durch Bürger anderer EU-Länder.
Kritik erntete Friedrich für die Initiative von der Opposition. "Statt populistischer Stimmungsmache sollte sich die Bundesregierung darum bemühen, den besonders von der Armutswanderung betroffenen Kommunen in Deutschland kurzfristige Hilfe zur Verfügung zu stellen", sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese. Grünen-Chefin Claudia Roth warf Friedrich eine "üble Kampagne" gegen Roma vor. "Denn als vermeintlich Schuldige für die Einschränkung der Freizügigkeit wird die Diskriminierung und der Rassismus gegenüber Roma in Ländern wie Bulgarien und Rumänien damit noch befeuert", sagte Roth der Internetausgabe der "Berliner Zeitung.
Quelle: ntv.de, jve/AFP