Pandemrix im Überfluss GSK zeigt sich kulant
07.01.2010, 13:47 UhrDie Zahl des Schweinegrippe-Impfstoffes Pandremix wird deutlich reduziert: Angesichts großer Überschüsse ist der Pharmakonzern GlaxoSmithKline zu einer Rücknahme des Mittels bereit. Mehrere Länder hatten zuvor einen Produktionsstopp gefordert, da die gelieferten Impfdosen bereits jetzt die Nachfrage übersteigen.

Ein Mitarbeiter von GlaxoSmithKline in Dresden in einem Labor bei der Bestimmung des Proteinmusters des Virus.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Entwarnung für die Bundesländer: Angesichts deutlicher Überschüsse des Schweinegrippe-Impfstoffes Pandemrix ist der Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) zu einer Reduzierung der bereits bestellten Lieferung bereit. "Wir haben Signale der Kulanz erhalten, einen größeren Teil der überschüssigen Impfstofflieferungen zu stornieren", teilte die niedersächsische Gesundheitsministerin Mechthild Ross-Luttmann nach einem Gespräch mit Vertretern des Pharmakonzerns mit. "Die harten – aber fairen – Verhandlungen haben den Weg für einen guten Kompromiss freigemacht", erklärte Ross-Luttmann. Details wollte sie nicht nennen, zudem müssen nun noch alle Länder dem Kompromiss zustimmen.
Niedersachsen hat derzeit den Vorsitz der Gesundheitsministerkonferenz der Länder und leitet damit Gespräche mit GlaxoSmithKline. Mehrere Bundesländer hatten angesichts der Impfstoff-Überschüsse vor den Verhandlungen einen Produktionsstopp gefordert. "Wir haben jetzt viel zu viel davon", sagt ein Sprecher des niedersächsischen Gesundheitsministeriums auf Anfrage von n-tv.de.
Verantwortlich für den großen Überschuss sind zwei Gründe: Zum einen gingen Bund und Länder bei der Bestellung des Mittels im Sommer 2009 noch davon aus, dass für eine wirksame Impfung eine zweifache Dosis nötig ist. Das hatten nach Angaben des niedersächsischen Gesundheitsministeriums die dafür zuständige EU-Gesundheitsbehörde EMEA und die Ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts empfohlen. Doch seit Anfang Dezember ist klar, dass auch eine einfache Dosis wirksamen Schutz bietet: Damit reicht der Impfstoff nicht wie geplant für nur etwa 30 Prozent der Bevölkerung, sondern es könnten rund 60 Prozent geimpft werden.
Deutsche sind Impfmüde
Da zum anderen die Impfbereitschaft in der Bevölkerung bei der Schweinegrippe längst nicht so hoch wie erwartet ist, befürchten die Bundesländer nun einen großen Überschuss an Pandemrix, sollte die bestellte Menge in vollem Umfang geliefert werden. In Niedersachsen haben sich beispielsweise bislang etwa nur 10 Prozent gegen den H1N1-Erreger impfen lassen – selbst bei einer normalen saisonalen Grippe liegt die Zahl mit 22 Prozent deutlich höher. In Nordrhein-Westfalen sind es nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums mit 1,4 Millionen Impfungen anteilig sogar noch weniger und in Thüringen wird mit etwa 15 Prozent die Quote der normalen Grippe ebenfalls nicht erreicht.

Geringe Nachfrage: Bislang wollen sich nur wenige Deutsche gegen die Schweinegrippe impfen lassen.
(Foto: AP)
"Wir haben eine ganz andere Ausgangssituation als noch im Sommer", sagt ein Sprecher des sächsischen Gesundheitsministeriums gegenüber n-tv.de. Das erklärte Ziel der Bundesländer in den Verhandlungen mit GlaxoSmithKline ist deshalb eine Halbierung der bestellten Impfstoffmenge. Doch "eigentlich können sie die Produktion einstellen", erklärt der Sprecher. Diese Einschätzung teilte man auch in Niedersachsen.
Zwar weisen alle Bundesländer einstimmig darauf hin, dass die Grippesaison noch nicht vorbei ist und mit einer erneuten Grippewelle im Januar oder Februar zu rechnen sei. Doch mit einem regelrechten Ansturm auf den Impfstoff scheinen sie nicht zu rechnen. Auch wenn sie nach wie vor zu den Impfungen auffordern, zumal die Wirksamkeit des Schutzes zwei bis drei Wochen daure.
Erst ein Drittel abgerufen
Um nicht auf den Kosten sitzenzubleiben, wollten die Bundesländer deshalb eine Reduzierung bei GlaxoSmithKline erreichen, was nun gelungen ist. Zwar übernehmen die Krankenkasten Impfkosten bis zu einer Milliarde Euro – das gilt jedoch nur für tatsächliche Impfungen, nicht für bestellte Mittel. Die Länder hatten insgesamt 50 Millionen Dosen des Impfstoffes Pandemrix für 416,5 Millionen Euro geordert. Der Impfstoff kostet etwas mehr als 8 Euro pro Dosis.

Niedersachsens Gesundheitsministerin Mechthild Ross-Luttmann hat sich aber schützen lassen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Ein Grund für die Kulanz-Bereitschaft des Pharmakonzerns GSK dürfte die Hoffnung auf weitere Großaufträge von Bund und Ländern im Bedarfsfall sein. Zum anderen sind die bestellten Impfdosen noch nicht in vollem Umfang an die Länder geliefert worden: Pandemrix wird in wöchentlichen Lieferungen übergeben.
So wurde bislang etwas mehr als ein Drittel des Impfstoffes an die Länder geliefert. In Nordrhein-Westfalen sind es etwa 3,5 Millionen von 10,9 Millionen Dosen und in Niedersachsen 1,74 von 4,85 Millionen.
"Seit Dezember Überangebot"
"Seit Anfang Dezember haben wir ein Überangebot", erklärt der niedersächsische Ministeriumssprecher. Kritik an den Impfstoffüberschüssen weist er allerdings mit dem Hinweis auf die veränderte Dosis zurück. "Es wäre fahrlässig gewesen, wenn wir über die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts hinweggegangen wären." Sein thüringischer Amtskollege weist zudem auf die damalige Kritik, insbesondere in den Medien hin. "Uns wurde doch vorgeworfen, dass wir Impfdosen für nur 30 Prozent der Bevölkerung bestellen", sagt er. Viele hätten Pandemrix für 100 Prozent gefordert.
Um am Ende nicht auf überflüssigen Impfdosen und damit unnötigen Kosten sitzenzubleiben, wollen Bund und Länder Pandemrix möglicherweise auch ins Ausland weiterverkaufen. Der Sprecher des niedersächsischen Gesundheitsministeriums bestätigt entsprechende Anfragen anderer Länder, bei der Bundesregierung heißt es, man verhandele mit etwa zehn Staaten. Die Bundesländer fordern, dass die Bundesregierung diese Verhandlungen und den Verkauf übernimmt, Bundesgesundheitsminister Philip Rösler hat bereits Hilfe zugesagt.
Quelle: ntv.de