Der Kotau des SPD-Chefs Gabriel ändert Rentenpläne
23.09.2012, 20:47 UhrDie Rentenpolitik ist eines der großen Reizthemen in der SPD. Parteichef Gabriel weiß dies nur zu gut und kommt nun den Gewerkschaften entgegen. 200.000 Menschen könnten von seinen geplanten Nachbesserungen profitieren, das Nachsehen allerdings hat die Rentenkasse.
Parteichef Sigmar Gabriel ist nach Kritik auch aus den eigenen Reihen und den Gewerkschaften am SPD-Rentenkonzept zu Korrekturen bei der Rente mit 67 bereit. Im Gegensatz zur bisherigen Linie will Gabriel nun nachbessern, damit mehr Menschen als bislang geplant ohne Einbußen auch vor dem 65. Lebensjahr in Rente gehen können. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, will Gabriel dies bei 45 Versicherungsjahren - zu denen auch beitragslose Zeiten wie etwa Kindererziehungsjahre zählen - möglich machen. Bislang erhalten Arbeitnehmer nur dann ihre volle Rente, wenn sie 45 Versicherungsjahre nachweisen können und 65 Jahre alt sind.
Die nun geplante Abmilderung würde es bis zu 200.000 Beschäftigten insbesondere der Industrie und des Handwerks in den nächsten Jahren erlauben, schon vor dem 65. Lebensjahr ohne Abschläge in den Ruhestand zu gehen, wie die Zeitung weiter berichtete. Akademiker würden davon nicht profitieren, da sie kaum auf 45 Versicherungsjahre kämen. Die Kosten lägen bei rund 5,4 Milliarden Euro, die aus der Rentenkasse bezahlt werden sollten. Im Gegenzug solle auf die bislang vereinbarte zwischenzeitliche Beitragssenkung auf 19 Prozent verzichtet werden, der Beitrag solle stetig auf den für 2030 angepeilten Satz von 22 Prozent steigen.
Der Vorschlag sei mit den Gewerkschaften abgestimmt und solle auch den SPD-Streit um das künftige Rentenniveau entschärfen, so der Bericht. Die Rente mit 67, die die SPD in der großen Koalition mit der Union durchsetzte, hatte zu einer Eiszeit im Verhältnis mit den Gewerkschaften geführt und viele Anhänger der Partei dauerhaft verärgert.
Das Rentenkonzept der SPD sieht zudem einen deutlichen Ausbau von Betriebsrenten und eine "Solidar-Rente" von 850 Euro für langjährig versicherte Geringverdiener vor. Wenn die Ansprüche aus mindestens 40 Versicherungs- und 30 Beitragsjahren nicht mehr als die Grundsicherung ergeben, soll der Staat die Rente auf 850 Euro aufstocken.
Rentenniveau sinkt
Zugleich hält Gabriel dem Bericht zufolge daran fest, dass das von derzeit 50 Prozent des Nettolohns schrittweise auf 43 Prozent absinkt. Weil maßgebliche Teile der SPD aber ein Rentenniveau von 50 Prozent fordern, solle nicht der Vorstand am Montag, sondern ein kleiner Parteitag im November diese Frage entscheiden.
Die ostdeutschen SPD-Landesverbände verlangten derweil weitere Nachbesserungen. "Wir wollen eine Angleichung der Ost- und Westrenten. Die fehlt bisher im SPD-Konzept", sagte die SPD-Chefin von Sachsen-Anhalt, Katrin Budde, der "Welt am Sonntag". Sie werde dazu am Montag einen Antrag im Parteivorstand stellen. Thüringens SPD-Vorsitzender Christoph Matschie äußerte sich ähnlich: "Die Angleichung der Rentensysteme muss ins Konzept." Gefragt sei ein "Stufenplan", der das derzeitige Niveau der Ost-Renten erhöhe.
Kompromisse kosten
Im Gegensatz zur SPD setzt Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf eine teils aus Beiträgen finanzierte Zuschussrente für Geringverdiener. Ihr Konzept ist aber in der Union und der Koalition heftig . Allmählich zeichnen sich Eckpunkte für eine Kompromisslösung ab - die allerdings auch kostet.
So werden nach einem "Spiegel"-Bericht für eine Änderung der bisherigen Anrechnung der bei der Grundsicherung im Alter bis zu vier Milliarden Euro veranschlagt. Mit der Maßnahme will die Union private Vorsorge besser belohnen. Zudem sollen bei Müttern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, die Erziehungszeiten bei der Rente höher bewerten werden.
Nach Angaben der "Leipziger Volkszeitung" haben sich Union und FDP auf eine grundsätzliche Verbesserung beim Erwerbsminderungsschutz für jene verständigt, die nicht bis zum 67. Lebensalter arbeiten können.
Der Arbeitnehmerflügel der CDU mahnte ein rasches Konzept an: "Wir müssen verhindern, dass die Altersarmut zunimmt", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler. Es müsse jetzt gehandelt werden. Sonst werde bis 2030 mindestens ein Drittel der Arbeitnehmer weniger als die Grundsicherung im Alter erhalten.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP