Politik

GdP-Chef im Gespräch "Gangster haben die schnelleren Autos"

So mancher Polizist schlägt angesichts der Personalsituation die Hände über dem Kopf zusammen.

So mancher Polizist schlägt angesichts der Personalsituation die Hände über dem Kopf zusammen.

(Foto: dpa)

Bernhard Witthaut ist der neue Chef der Gewerkschaft der Polizei. Aber ihn quälen die alten Probleme, mit denen sich auch schon sein bekannter Vorgänger Konrad Freiberg herumschlagen musste. Vor allem von Personalknappheit und steinzeitlicher Ausrüstung erzählt Witthaut im Interview mit n-tv.de.

n-tv.de: Von Ihnen stammt der Satz "Wer längere Laufzeiten für Atomkraftwerke beschließt, darf sich nicht über längere Laufzeiten für Castor-Transporte wundern." Stehen Deutschlands Polizisten in dieser Frage zwischen Baum und Borke?

Bernhard Witthaut: Ganz offensichtlich. Wir haben als GdP im Vorfeld des letzten Castor-Transports mit der Bürgerinitiative diskutiert und zum Ausdruck gebracht, dass gerade wir aus Niedersachsen in dieser Frage sehr sensibel sind. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen sagen, das hätte die Bundesregierung nicht machen dürfen. Wir stehen im wahrsten Sinne des Wortes zwischen den Fronten. Viele meiner Kollegen meinen, diese politische Entscheidung werde auf ihrem Rücken ausgetragen.

Bernhard Witthaut folgte Konrad Freiberg ins Amt.

Bernhard Witthaut folgte Konrad Freiberg ins Amt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Ihr Amtsvorgänger Konrad Freiberg hat eine umfassende Information über Terrorwarnungen gefordert. Sind Sie als Chef der GdP vorab ausreichend informiert? Oder erfahren Sie die Terrorwarnungen aus der Zeitung?

Das ist ja ohnehin ein Phänomen in unserer Gesellschaft: Viele Dinge entnimmt man eher aus der Zeitung, obwohl sie mit dem Hinweis "Nur für den Dienstgebrauch" oder "Streng geheim" versehen sind. Der Bundesinnenminister hat uns informiert, nachdem wir diese Forderung erhoben hatten. Ich wünsche mir, dass dies künftig im Vorfeld geschieht, und dass wir mehr in diese Fragen einbezogen werden.

Polizisten werden mit immer neuen Herausforderungen konfrontiert: Internetkriminalität, zum Beispiel. Reicht die Qualifikation?

Der Polizistenberuf erfordert permanentes Lernen, eine permanente Veränderung in seinen Wahrnehmungen. Es kommt natürlich darauf an, auf welchem Gebiet jemand eingesetzt wird. Trotzdem muss man sich fortbilden. Gerade im Bereich der Internetkriminalität haben wir nur ganz, ganz wenige Spezialisten. Da ist der Generationswechsel sehr hilfreich, weil junge Menschen ganz anders mit diesen Dingen umgehen. Mir bereitet aber Sorge, dass wir als Polizei in vielen Bereichen nicht auf dem neuesten Stand sind.

Die Gangster haben manchmal schnellere Autos als Sie!

Sie haben nicht nur schnellere Autos, sie haben auch schnellere PCs. Wenn sich manche Kollegen an ihren Dienst-PC setzen, sagen sie: Mann, bin ich schon wieder in der Steinzeit gelandet.

Sie monieren immer wieder, dass es in Deutschland 10.000 Polizisten zu wenig gibt. Wird sich das ändern? Terrorgefahren kann man ja nicht nur mit technischen Mitteln entgegentreten.

Wir werden als GdP immer den Finger in die Wunde legen. Vor allem, weil bis zum Jahre 2020 noch einmal 10.000 Stellen abgebaut werden sollen, so zumindest die Absichtserklärung von Bund und Ländern. Ich bin davon überzeugt, dass mittlerweile der Bundesinnenminister, aber auch die Innenminister der Länder begriffen haben, dass der Personalabbau so nicht weitergehen kann. Sonst können wir die Sicherheit in diesem Land nicht mehr gewährleisten.

Werden Polizisten ausreichend bezahlt angesichts der Gefahren, denen sie sich aussetzen?

Nein, auf keinen Fall. In vielen Bundesländern wurde die sogenannte zweigeteilte Laufbahn noch nicht eingeführt. Was wir machen, erfordert ein Studium. Und nach dem Studium haben meine Kolleginnen und Kollegen auch Anspruch darauf, aus dem gehobenen Dienst heraus bezahlt zu werden. Und sie müssen sich beruflich weiterentwickeln können. In einigen Ländern klappt das gut, in anderen überhaupt nicht.

Witthaut im Gespräch mit Manfred Bleskin.

Witthaut im Gespräch mit Manfred Bleskin.

Haben Sie Beispiele für gut und schlecht?

In Hessen ist die zweigeteilte Laufbahn umgesetzt. Da werden die Kolleginnen und Kollegen im gehobenen Dienst eingestellt. Bei der Bundespolizei zum Beispiel erfolgen die Einstellungen im mittleren Dienst. Das ist für mich überhaupt nicht akzeptabel.

Was halten Sie von der Ausbildung von Polizisten in Afghanistan oder in Somalia? Immerhin sind dort gut 1.000 Polizisten, in deren Ausbildung die Bundesregierung fast eine Million Euro gesteckt hatte, verschwunden und möglicherweise zu den Islamisten übergelaufen.

Das ist eine schwierige Frage. Es ist eine politische Entscheidung, dass wir der Polizei in Afghanistan oder Somalia, aber auch in vielen anderen Ländern, helfen. Es ist jedoch ein komisches Gefühl, wenn man plötzlich, nicht nur in Somalia, auch in Afghanistan, feststellt, dass man eigentlich seinen Feind ausgebildet hat. Regulär würde er nach der Ausbildung 100 Dollar bekommen, die andere Seite gibt ihm aber 200 oder 300.

Sollte man nicht mehr tun, um die Ursachen von Terrorismus zu bekämpfen, also namentlich in Afghanistan eine politische Lösung herbeiführen?

Eine politische Lösung muss dringend her. Es ist natürlich schwierig, alles, was gemacht wird, von heute auf morgen zurückzudrehen. Wir werden die  Probleme dort in den nächsten vier bis fünf Jahren weder mit militärischen noch mit polizeilichen Mitteln lösen.

Also Abzug so rasch und so sinnvoll wie möglich?

Ich persönlich meine, dass wir als Polizei gerade in Afghanistan nichts mehr verloren haben, weil dort bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen. Viele Kolleginnen und Kollegen, die vor Ort sind, machen aber eine gute Arbeit. Deshalb ist diese Position "Ganz schnell raus" sicher richtig, aber schwer kommunizierbar.

Mit Bernhard Witthaut sprach Manfred Bleskin

Das Fernsehinterview sehen Sie am Sonntag, 5. Dezember, 10.15 Uhr, bei n-tv

Quelle: ntv.de

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