Mehr als 135.000 Verfahren Geburtstag in Karlsruhe
28.09.2001, 00:08 UhrMit einem Festakt in Anwesenheit von Bundespräsident Johannes Rau und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sein 50-jähriges Bestehen gefeiert. Die Veranstaltung im Badischen Staatstheater in Karlsruhe mit zahlreichen prominenten Gästen war von starken Polizeikräften gesichert.
Die Anschläge in New York und Washington hätten deutlich gemacht, "wie gefährdet unsere Rechtsordnung ist, die eine Friedensordnung ist", sagte Rau auf dem Festakt. Sie müsse geschützt werden. Die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, erinnerte an die weltweite Geltung der Menschenrechte. "Die Ereignisse des 11. September haben uns nachdrücklich deutlich gemacht, dass wir uns im Respekt der Grundwerte unserer Rechtskultur nicht irre machen lassen dürfen, wenn wir in der Abwehr des Terrorismus obsiegen wollen."
Am 28. September 1951 war das höchste deutsche Gericht vom damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss und von Bundeskanzler Konrad Adenauer im Karlsruher Konzerthaus eröffnet worden. In der Geschichte des Gerichts hatten die beiden Senate mehr als 135.000 Verfahren - überwiegend Verfassungsbeschwerden - zu bearbeiten.
Vor allem in der Bevölkerung genießt das Bundesverfassungsgericht ein hohes Ansehen. Viele Bürger sehen in den 16 Richtern oft die vermeintlich letzte Hilfe vor staatlicher Ungerechtigkeit: Jährlich annähernd 5.000 Verfassungsbeschwerden werden beim Gericht eingelegt. Nur etwa zwei Prozent haben jedoch Erfolg - was aus Sicht der Verfassungsrichter für die Qualität deutscher Gerichte spricht.
Von politischer Seite ist das Gericht vor allem dann Kritik ausgesetzt, wenn es unbequeme Urteile verkündet. Dazu gehören das Urteil, mit dem 1975 die Fristenregelung bei Schwangerschaftsabbrüchen für verfassungswidrig erklärt wurde, die umstrittenen Urteile zu Kruzifixen in Klassenzimmern und zu dem Spruch "Soldaten sind Mörder" in den neunziger Jahren.
In letzter Zeit wird Kritik vor allem bei Urteilen geäußert, deren Umsetzung den Bund sehr viel Geld kostet. Am folgenschwersten sind in dieser Hinsicht die Beschlüsse des BVerfG von 1999 zur steuerlichen Entlastung von Familien, die den Staat Milliarden kosten dürften. In die gleiche Kategorie fallen die Urteile zur Pflegeversicherung vom April 2001, wonach Familien weniger Versicherungsbeiträge zahlen müssen als Kinderlose.
Bundeskanzler Schröder hatte die Karlsruher Richter wiederholt zu mehr Zurückhaltung bei solchen finanziell folgenschweren Urteilen aufgefordert: "Ich würde mir wünschen, dass man sich auch fragt, woher das Geld kommen soll", sagte er.
Die Richter selbst äußern sich zu solchen Vorwürfen allerdings nicht in der Öffentlichkeit. "Das Gericht muss sich nicht rechtfertigen, es spricht durch seine Urteile ", heißt es.
Quelle: ntv.de