Politik

Erfurt nach der Tragödie Gedenken, Tränen, Ratlosigkeit

Mit Schweigeminuten vor Unterrichtsbeginn haben am Morgen Lehrer und Schüler in ganz Thürigen der Opfer des Amoklaufes gedacht. Vor dem Erfurter Gutenberg-Gymnasium versammelten sich Hunderte Jugendliche und Erwachsene. Danach wurden sie mit Bussen zum Rathaus gefahren, wo sie die ganze Woche über psychologisch betreut werden sollen. Unterricht findet nicht statt.

Um 11.05 Uhr versammelten sich in ganz Deutschland Menschen zu einer Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer. Dazu hatten der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Gewerkschaft GEW aufgerufen. Nach Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Außenminister Joschka Fischer (Grüne) hat am Vormittag auch die Unionsspitze der Opfer des Amoklaufs gedacht. Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) legte gemeinsam mit CDU-Chefin Angela Merkel Blumengestecke am Gutenberg-Gymnasium nieder.

Geplanter Wahnsinn

Die Polizei geht mittlerweile davon aus, dass der 19-jähige Amokläufer Robert Steinhäuser seine Tat geplant hat. Erfurts Polizeichef Rainer Grube sagte im ZDF, Steinhäuser habe per Kurzmitteilung über das Handy "informiert, dass bestimmte Leute am Tattag nicht in die Schule gehen sollten". Die polizeilichen Ermittlungen hätten zudem ergeben, dass Steinhäuser sich sehr intensiv mit Gewaltvideos beschäftigt habe.

Der junge Mann habe sehr zurückhaltend gelebt und nur einen kleinen Freundeskreis gehabt. Es gebe Indizien, dass sich der 19-Jährige "intensiver als üblich mit Waffen und Töten beschäftigt hat". Steinhäuser war aktiver Sportschütze und im Besitz der erforderlichen Genehmigungen für die Waffen, die er bei sich hatte.

Amoklauf und Wahlkampf

Unterdessen entbrannte zwischen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und seinem bayerischen Amtskollegen Günther Beckstein (CSU) eine heftige Kontroverse über ein Verbot gewaltverherrlichender Videos und Computerspiele. Schily wies den Vorwurf Becksteins zurück, die Bundesregierung habe eine Bundesrats-Initiative zum Verbot von Gewaltvideos verschleppt. Das disqualifiziere ihn als Mitglied von Stoibers Wahlkampfteam, sagte Schily im ZDF. Beckstein mache "schamlos und unanständig" Wahlkampf.

Der bayerische Innenminister wiederholte im ZDF den Vorwurf der "skandalösen Untätigkeit". Zur Verschärfung des Waffenrechts schlug er vor, die Kriterien zur Vergabe von großkalibrigen Waffen zu überprüfen, die normalerweise nicht zu sportlichen Zwecken benutzt würden. Schily hatte vorgeschlagen, das Alter für die Vergabe von Waffen von jetzt 18 auf 21 Jahre zu erhöhen. Der Bundestag hatte erst am Freitag ein neues Waffenrecht beschlossen, das an einigen Stellen schärfere Bestimmungen enthält, aber zugleich einige Vorgaben für Schützenvereine und Jäger lockerte. Die Zustimmung des Bundesrates steht noch aus.

Panik in Varel

Nach einem anonymen Drohbrief an einem Gymnasium in Varel in Niedersachsen hat die Polizei für die Abiturprüfungen strenge Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Beamte mit Hunden hätten am Sonntagabend ohne Ergebnis das Schulgebäude durchsucht, sagte ein Polizeisprecher am Montag und bestätigte einen Bericht der Oldenburger "Nordwest-Zeitung".

Ein Unbekannter hatte in einem Brief seinen Selbstmord angekündigt und gedroht, weitere Schüler "mitzunehmen". Der Brief sei bereits am vergangenen Donnerstag bei der Schulleitung eingegangen, also einen Tag vor dem Amoklauf in Erfurt, sagte eine Sprecherin der Bezirksregierung Weser-Ems. Die Eltern der Vareler Gymnasiasten seien über den Vorfall informiert worden. Während der Abiturprüfungen hätten außer den Abiturienten alle Schüler frei.

Quelle: ntv.de

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