Ruf nach Wachablösung Gegenwind für Steinmeier
29.09.2009, 11:15 Uhr
Das wars: Die Zeiten des Hoffens und Bangens sind erstmal vorbei.
(Foto: REUTERS)
Am Wahlabend jubelte die SPD im Willy-Brandt-Haus der gerade erst grandios gescheiterten SPD-Spitze minutenlang zu. Und unter großem Applaus erklärte Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, er werde weiter Verantwortung übernehmen und der Fraktion auf der Oppositionsbank vorstehen. Was als "Ich mache mich nicht aus dem Staub" aufgefasst wurde, war möglicherweise aber vielmehr eine Flucht nach vorne nach dem Motto "Bitte mich nicht rausschmeißen" und der Versuch, sich schnell den Posten des Fraktionschefs zu sichern. Das hat funktioniert. Das Steinmeier zusätzlich aber noch den Vorsitz der SPD von Franz Müntefering übernimmt, wird zunehmend unwahrscheinlicher. Zu groß ist die Ernüchterung und Enttäuschung über das miese Wahlergebnis, zu laut werden die Stimmen, die einen radikalen Neuanfang verlangen. Auf die Spitze bringt das die Berliner SPD: "Wir wollen neue Gesichter", hört man aus der Hauptstadt.
Aber auch andere drängen Steinmeier mit schönen Worten aber klarer Absicht zum Verzicht. Der Sprecher des konservativen "Seeheimer Kreises", Johannes Kahrs, erklärt, neben dem Fraktionsvorsitz auch das Amt des Parteichefs zu übernehmen, das "sollte man keinem Menschen zumuten". Beide Aufgaben gleichzeitig seien zu viel für einen. Früher hieß es immer, nur beide Ämter in einer Hand sorgten für wenig Reibungsverlust und ein möglichst schlagkräftiges Auftreten.
Auch aus der linken Ecke kommt Kritik. Ottmar Schreiner hält eine "Zweierlösung für sinnvoller". Schreiner, der wie viele SPD-Linke in Steinmeier den Architekten der Agenda-Politik sieht, fordet zunächst "schonungslose Aufarbeitung" von Versäumnissen der jüngsten Zeit. So müssten Schwachstellen der Agenda 2010 wie die Hartz IV und die Ein-Euro-Jobs grundlegend diskutiert werden. Sie seien ein Grund dafür, dass die SPD seit Jahren Probleme habe, bei den Wählern anzukommen. Nur folgerichtig, dass Schreiner auch personell die Abkehr von dieser Politik zum Ausdruck gebracht sehen will. "Wir haben eine Reihe von auch jüngeren Kräften, die jetzt dringendst gefordert sind, Führungsverantwortung wahrzunehmen", sagt Schreiner. Die SPD habe große Aufgaben vor sich. "Die sind von einem Mann an der Führung schwieriger zu schultern als von zwei Persönlichkeiten."
Kritik an Kurs

Parteichef Müntefering hat bereits einen möglichen Rückzug angedeutet.
(Foto: dpa)
Ins gleiche Horn bläst der Sprecher der SPD-Linken und Vertraute von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit, Björn Böhning. Die SPD sei zuletzt offensichtlich "nicht sozialdemokratisch genug" gewesen, meint der 31-Jährige. Ihr schwaches Abschneiden bei der Wahl trotz einer hohen Akzeptanz in der Bevölkerung für sozialdemokratische Inhalte wie einen Mindestlohn offenbare eine Kluft zwischen Partei und Wählern, die geschlossen werden müsse. Er forderte eine Verjüngung der Parteiführung. "Die SPD könnte diejenigen nach vorne bringen, die in der Lage sind, programmatische Alternativen zu entwickeln", so Böhning. Namen wollte er nicht nennen: "Das würde nur einen Keil in die SPD treiben."
Berliner SPD für radikale Erneuerung
Der erweiterte Landesvorstand der Berliner Sozialdemokraten geht noch weiter. Er sprach sich für einen personellen Neuanfang auf Bundesebene aus. Dieser sei glaubwürdig nur ohne Frank-Walter Steinmeier, Franz Müntefering und Peer Steinbrück möglich, heißt es nach einem Bericht des rbb in einem internen Papier. SPD-Landeschef Michael Müller sagte dazu: "Wir wollen neue Gesichter und neue Namen. Der Generationenwechsel muss jetzt auch personell spürbar sein." Geeignet dafür seien die stellvertretende Parteivorsitzende Andrea Nahles, die bisherigen Bundesminister Sigmar Gabriel (Umwelt) und Olaf Scholz (Arbeit) sowie Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit - der angeblich mit am Tisch saß.
Für Frank-Walter Steinmeier wird es ungemütlich.
Quelle: ntv.de, mit dpa/AP