Diplomatische Krise abgewendet Geheimagenten ausgetauscht
09.07.2010, 16:43 UhrRasches Ende im großen Agentenkrimi: Nach den Schuldbekenntnissen aller Beteiligten folgte die Reise an einen neutralen Ort, um den Austausch zu vollziehen - in diesem Fall war es Wien. Dann war das Leben mit gefälschten Identitäten zuende.
Agentenaustausch vor der Weltöffentlichkeit: Wien bietet die Kulisse. Am Flughafen landen Jets aus den USA und Russland.
(Foto: AP)
Am Ende ging alles ganz schnell. Das Finale des großen Agentenkrimis folgte einem unsichtbaren Drehbuch, dessen Szenenfolge in Geheimgesprächen zwischen Moskau und Washington ausgehandelt worden war. Nur zwölf Tage saßen die zehn russischen Agenten in US-Haft, ehe sie im Eilverfahren in New York abgeurteilt und nach Russland abgeschoben wurden. Im Gegenzug ließ Moskau vier wegen Spionage verurteilte Häftlinge ausreisen. Der größte Agentenaustausch seit mehr als einem Vierteljahrhundert demonstriert, wie ernst es beiden Ländern mit der Verbesserung ihrer Beziehungen ist.
Der Ablauf der Aktion folgte dem bewährten Beispiel aus der Zeit des Kalten Kriegs. Alle Beteiligten gaben Schuldbekenntnisse ab, deren Stichhaltigkeit im Einzelfall sicherlich angezweifelt werden darf. Es folgte die Reise an einen neutralen Ort, um den Austausch zu vollziehen - in diesem Fall war es der Flughafen Wien-Schwechat, wo Maschinen aus den USA und aus Russland Halt machten. Für die einen war es ein Weg in die Heimat: Neun der zehn in den USA Festgenommenen sind Russen. Für andere war es ein Weg in die Fremde: Für die von Moskau freigelassenen Russen werden die USA zur neuen Heimat.
Die Masken sind gefallen
Vor dem Abflug hatte US-Bundesrichterin Kimba Wood in New York buchstäblich kurzen Prozess mit den Angeklagten gemacht. Einer nach dem anderen bestätigten sie mit einem kurzen "Ja", dass sie sich schuldig bekennen, sich in den USA nicht als Agent eines anderen Landes registriert zu haben. Die Beschuldigten, die sich in den USA als Amerikaner ausgegeben hatten, ließen ihre Masken fallen: Die netten Vorort-Eheleute Richard und Cynthia Murphy etwa wurden wieder zu dem, was sie eigentlich sind: Wladimir und Lydia Gurjew.
Anna Chapman, 28, rothaarig, geborene Kuschtschenko - als "Agentin 90-60-90" macht sie nun in den Medien Furore.
(Foto: AP)
Teil der vom Gericht abgesegneten Vereinbarung ist, dass die zehn Männer und Frauen nicht mehr in die USA zurückkommen dürfen. Sollten sie ihre Geschichten je für Geld verkaufen, würde dies an die US-Staatskasse fließen. Die Existenz, die sie sich über Jahre in den USA aufbauten, ist zunichte gemacht. Der Anwalt der rothaarigen Anna Chapman, die in den vergangenen Tagen dank rassiger Fotos im Internet zu globaler Prominenz aufgestiegen war, klagte: "Das wird wohl ihr Geschäft zerstören." Chapman war erfolgreiche Immobilienmaklerin.
Bitter ist es auch für die Kinder einiger Verurteilter, die in den USA geboren wurden: Wenn sie ihren Eltern nach Russland folgen, verlieren sie ihre Heimat. Moskau hatte extra Konsularangestellte geschickt, um den Beschuldigten das Leben in Russland schmackhaft zu machen. Sie hätten "das Leben beschrieben, dass die Angeklagten in Russland erwartet", sagte ein US-Staatsanwalt. Der US-Peruanerin Vicky Pelaez - einzige Nicht-Russin unter den Angeklagten - wurden eine Gratis-Wohnung, eine lebenslange Apanage von 2000 Dollar im Monat und Besuchsvisa für ihre Kinder zugesagt.
Für bessere Beziehungen
Parallel zu den Ereignissen in New York drehten sich in einigen russischen Gefängnissen die Schlüssel im Schloss der Zellentür. Vier Häftlingen, die wegen Kontakten mit westlichen Geheimdiensten verurteilt waren, öffnete sich der Weg in die Freiheit. Unter ihnen ist der Waffenexperte Igor Sutjagin, der 2004 zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden war, weil er Geheimunterlagen an die USA weitergegeben haben soll.
Ebenfalls freigelassen wird der frühere russische Offizier Sergej Skripal, der für Großbritannien spioniert haben soll und 2006 zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Frei kommen zudem die früheren russischen Geheimdienstmitarbeiter Alexander Saporoschski und Gennadi Wasilenko.
In dürren Worten erklärte der Kreml, worauf es bei der Angelegenheit eigentlich ankam: "Diese Maßnahmen wurden im allgemeinen Kontext der verbesserten Beziehungen zwischen den USA und Russland ausgeführt." Im Klartext: Ihre jüngsten Erfolge bei der Überwindung der politischen Konfrontation war Moskau und Washington wichtiger als das Schicksal einiger Agenten.
Quelle: ntv.de, AFP