Politik

Was bringt der Sonntags-Einkauf? "Gelegenheit macht Kunden"

Berliner Läden dürfen nach einem Verfassungsgerichtsurteil nicht mehr an allen Adventssonntagen öffnen. Während der Einzelhandelsverband nun mit Einbußen rechnet, glaubt die Gewerkschaft Verdi, dass offene Sonntage ohnehin nicht mehr Umsatz bringen. Nur mehr Arbeit.

Nicht mehr an allen Adventssonntagen dürfen Berliner Einzelhändler ab dem kommenden Jahr ihre Läden öffnen.

Nicht mehr an allen Adventssonntagen dürfen Berliner Einzelhändler ab dem kommenden Jahr ihre Läden öffnen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Zahlen klingen dramatisch: 17.000 Arbeitsplätze im Einzelhandel hängen laut Handelsverband allein in Berlin vom Tourismus ab. Und – glaubt man den Berliner Händlern – dann kaufen Touristen vor allem am Sonntag ein.

"Geöffnete Läden am Sonntag sind ein Touristenmagnet", sagt Hubertus Pellengahr, Sprecher des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE). Deshalb würden auch nicht nur Läden davon profitieren, sondern auch Hotels. "Offene Läden am Sonntag bringen Hoteliers mehr als die geplante Mehrwertsteuersenkung der Bundesregierung", so Pellengahr im Gespräch mit n-tv.de.

Abfuhr für "bloße Profitinteressen"

Auch Detlef Steffen, Geschäftsführer des Kaufhof-Kaufhauses am Berliner Alexanderplatz, bestätigt: "Die Sonntagsöffnungszeiten sind ein erheblicher Standortvorteil." Künftig soll dieser Vorteil aber geringer ausfallen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts dürfen die Geschäfte im kommenden Jahr nicht mehr an allen vier Adventssonntagen in Folge öffnen. Die Richter haben "bloßen Profitinteressen" eine Abfuhr erteilt. Für die Hauptstadt sei das keine "glückliche Situation", sagt HDE-Sprecher Pellengahr. "Die Berliner Händler müssen im nächsten Weihnachtsgeschäft wohl mit Abstrichen rechnen."

Ein Blick in die Statistik macht jedoch deutlich, dass der Sonntagseinkauf bisher gar keinen messbaren Vorteil für den Berliner Einzelhandel gebracht hat. Im Gegenteil: Nach Berechnungen des Landesamtes für Statistik ist der Gesamtumsatz der Händler in der Hauptstadt innerhalb eines Jahres sogar um 1,5 Prozent zurückgegangen.

Shoppingparadies Deutschland

Das sei auf die generell schwierige wirtschaftliche Situation zurückzuführen, sagt Pellengahr. "Ohne die offenen Sonntage wären die Umsatzrückgänge in Berlin noch massiver gewesen."

Gut ein Prozent des Jahresumsatzes entfallen nach seiner Aussage auf die Sonntage. Das Geld wäre nicht an anderen Tagen ausgegeben worden. Wenn die Läden geschlossen seien, würden die Umsätze im Internet oder im Ausland gemacht werden.

So würden beispielsweise Händler in Nordrhein-Westfalen regelmäßig darüber klagen, dass die Läden jenseits der holländischen Grenze jeden Sonntag geöffnet seien und so Umsätze verloren gehen. Vor der Liberalisierung des Ladenschlussgesetzes sei das auch nicht nur sonntags so gewesen. "Die längeren Öffnungszeiten haben aus Deutschland ein Shoppingparadies gemacht", sagt Pellengahr. Und er ist sich sicher: "Mit den alten Öffnungszeiten stünde der Handel heute viel schlechter da."

Sonntagsshopping im Advent ist nur noch dieses Jahr uneingeschränkt möglich.

Sonntagsshopping im Advent ist nur noch dieses Jahr uneingeschränkt möglich.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Allerdings gibt der HDE-Sprecher zu, dass sich die Einnahmen durch die Freigabe der Öffnungszeiten auch nicht grundlegend verbessert haben. Blickt man auf die langfristigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes, dann stagnieren Umsätze und Beschäftigungszahlen deutschlandweit seit Jahren. Die Ausweitung der Öffnungszeiten hat daran nichts geändert.

"Unterm Strich nicht mehr Umsatz"

Die Gewerkschaft Verdi sieht in der Liberalisierung vor allem eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Erika Ritter, Leiterin des Fachbereichs Handel bei Verdi beobachtet eine stete Zunahme von "prekären Beschäftigungsverhältnissen". Sonntags und spät abends setzten die Läden in erster Linie geringfügig Beschäftigte und Leiharbeiter ein.

In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, wo die Läden ebenfalls an den Sonntagen vor Weihnachten geöffnet haben, hat Verdi nun zum Boykott des Adventsshoppings aufgerufen. Die Verkäuferinnen in den Läden hätten weniger Zeit für die Familien, begründet Jörg Lauenroth-Mago, der für die Aktion verantwortlich ist. Und: "Die Ausdehnung des Weihnachtsgeschäfts auf die Sonntage bringt unterm Strich nicht mehr Umsatz."

Laut Gewerkschaft haben die liberalen Öffnungszeiten ohnehin nur eines gebracht: einen stärkeren Konzentrationsprozess. Die großen Kaufhäuser, Discounter und Ketten hätten ihre Marktanteile ausbauen können, während die Zahl der kleineren Geschäfte abgenommen habe.

Hubertus Pellengahr vom Einzelhandelsverband widerspricht dem. Der Strukturwandel im Einzelhandel habe sich in Deutschland schon lange vor der Liberalisierung vollzogen und stehe damit in keinem Zusammenhang. Erfolg hänge heute weniger von der Größe als viel mehr von der Lage eines Geschäftes ab. Und deshalb sei es wichtig, attraktive Angebote zu machen. "Gelegenheit macht Kunden. Das Rad der Liberalisierung lässt sich sowieso nicht mehr zurückdrehen", so Pellengahr.

Quelle: ntv.de

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