Beratung über Kanzleretat Generalabrechnung im Bundestag
20.01.2010, 07:24 UhrKanzlerin Merkel verteidigt im Bundestag die ersten Haushaltspläne der schwarz-gelben Koalition. Sie spricht über die Bedeutung der "Schuldenbremse als Leitplanke für die wirtschaftlichen Wege der kommenden Jahre". Die Opposition nutzt die Haushaltsdebatte zur Generalkritik an der Regierung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Bürger auf eine langanhaltende Periode wirtschaftlicher Schwäche eingestimmt. "Dieser Wirtschaftseinbruch wird uns über weite Teile dieser Legislaturperiode beschäftigen", sagte Merkel in der Generalaussprache des Bundestages über den Bundeshaushalt 2010. Das Niveau vor der Krise werde wohl erst 2013 wieder erreicht. Die Regierung will in diesem Jahr mit fast 86 Milliarden Euro so viele neue Schulden aufnehmen wie noch nie seit Gründung der Bundesrepublik, um die Wirtschaft zu stützen.
Merkel sagte, es sei der Anspruch ihrer Koalition, dass Deutschland stärker aus der Krise herausgehe als es hineingegangen sei. Die bisherige Krisenbekämpfung sei erfolgreich gewesen: "Wir haben es geschafft, international und national die richtigen Lehren zu ziehen und den Absturz in den Abgrund zu verhindern." Die Krise sei aber noch nicht vorbei. "Jetzt geht es darum, klug aus dem Abschwung herauszukommen."
Die Kanzlerin sprach sich erneut für weitere Steuersenkungen aus. Mit weiteren Entlastungen werde Wachstum geschaffen. "Das ist unsere Überzeugung." Merkel betonte, dass die Steuerschätzung im Mai abgewartet werde. Danach werde ein Gesetzentwurf für 2011 vorbereitet. Die Steuerstrukturreform bleibe auf der Tagesordnung. Zugleich werde die Schuldenbremse eingehalten. Diese sei eine Art Leitplanke.
Zurück in die Bimbesrepublik?

Steinmeier: "Sie stehen mit beiden Füßen in den Wolken und faseln von einer bürgerlichen Mehrheit."
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Opposition warf der schwarz-gelben Regierung einen eklatanten Fehlstart vor. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf der schwarz-gelben Koalition Versagen und Schönfärberei vor. Die ersten 100 Tage der Koalition könnten nicht nur als Fehlstart bezeichnet werden. "Das ist politisches Totalversagen", sagte der Ex-Außenminister. Union und FDP wollten nicht wahrhaben, dass die Krise auf dem Arbeitsmarkt noch bevorstehe. "Diese Regierung steht mit beiden Füßen in den Wolken, faselt von einer bürgerlichen Mehrheit." Steinmeier warf Union und FDP Klientelpolitik vor. Noch nie in der Nachkriegsgeschichte habe sich eine Bundesregierung so offensichtlich in den Dienst von Lobbyisten gestellt. "Sind wir schon wieder zurück in der Bimbesrepublik?", fragte er in Anspielung auf einen von CDU-Altkanzler Helmut Kohl geprägten Begriff. Nach den Worten von Steinmeier verschleudern Union und FDP das Geld und treiben die Kommunen in den Ruin: "Nie hat eine Regierung den finanzpolitischen Vertrauensvorschuss (..) so schnell verspielt wie diese." Eine Opposition könnte sich darüber freuen. "Aber das ist ein Drama."
Regierung begünstigt Lobbygruppen
Linke-Fraktionschef Gregor Gysi sprach von einem "angekündigten Wahlbetrug", wenn die Regierung erst nach der NRW-Wahl im Mai ihre Steuerpolitik festlegen wolle. Die Begründung, erst die Steuerschätzung abzuwarten, sei absurd, da die meisten Zahlen schon bekannt seien und die Schätzung ohnehin sich meist als falsch erweise. Zudem warf Gysi der Bundesregierung eine einseitige Begünstigung von Lobbygruppen vor und verlangte, die Banken stärker zur Kasse zu bitten. "Ich finde es unerträglich", sagte er mit Blick auf die seit Januar geltende Senkung der Mehrwertsteuer bei Hotel- Übernachtungen von 19 auf 7 Prozent. Zugleich bekräftigte der Linken-Fraktionschef seine Forderung nach einer "Finanzkrisen-Verantwortungsgebühr", ähnlich wie sie in den USA geplant ist.
Ohne Ziel, Plan und Mut
Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast, warf der Koalition ein fehlendes Zukunftskonzept und Klientelpolitik vor. "Dieses Land hat ernsthafte Probleme." Der schwarz-gelben Wunschkoalition fehle aber der "Mumm, eine Strukturreform anzupacken". Diese Regierung sei ohne Wert, ohne Ziel, ohne Plan und auch ohne Mut, auf die Herausforderungen zu reagieren. "Der Haushalt 2010 ist ein Armutszeugnis", sagte Künast weiter. Er gehe zulasten von Familien und Kindern sowie der Kommunen. "Unter Schwarz-Gelb geht es einigen wenigen besser, aber vielen schlechter". Künast warf Merkel mit Blick auch auf den Hotel-Steuerbonus und die Förderung von Agrardiesel vor, immer nur schön zu reden, am Ende aber eine Klientelpolitik der CDU zu verfolgen.
Merkel erteilte dem Vorstoß von Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) nach einer strengen Arbeitspflicht für Hartz IV-Empfänger eine Absage. Sie bekannte sich auch zu einem Betreuungsgeld für die Erziehung von Kleinkindern zu Hause. Es soll 2013 kommen. Der Bundestag debattiert bis Freitag über den Etatentwurf.
Manager zur Rechenschaft ziehen
Die FDP will derweil die Verantwortlichen für die Finanzkrise stärker zur Rechenschaft ziehen. Es müsse eine zivilrechtliche Haftung für diejenigen Bankmanager geprüft werden, die Fehler gemacht haben, sagte FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger. "Dies sind wir den Steuerzahlern schuldig." Die Finanzmärkte müssten künftig auch schärfer kontrolliert werden. Auf jeden Fall wolle die FDP an ihrem Kurs weiterer Steuerentlastungen festhalten und damit "Impulse für Wachstum und Beschäftigung" geben, betonte Homburger. Vorschläge für weitere Einsparungen kündigte sie für den Etat 2011 an. Dazu gehörten der Abbau von Bürokratie und Änderungen an der Struktur des Haushalts. Auch das Steuersystem soll laut Homburger vereinfacht werden. Auf die umstrittenen Steuervergünstigungen für Hoteliers ging Homburger nicht ein.
Deutschland macht Rekordschulden
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte gestern zum Auftakt der Haushaltswoche im Bundestag "schwerwiegende Entscheidungen" angekündigt. Dabei drohen ab 2011 auch Einschnitte bei Sozialleistungen. Details für das Milliarden-Sparpaket ließ Schäuble allerdings offen. Die Opposition warf Union und FDP wegen der Steuergeschenke für Hotels und hoher Parteispenden aus der Hotelbranche vor, sich von Lobbyisten kaufen zu lassen.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP