Politik

Schulz gibt sich nicht geschlagen Gerangel um EU-Spitze beginnt jetzt richtig

Was macht Martin Schulz aus dem Wahlergebnis?

Was macht Martin Schulz aus dem Wahlergebnis?

(Foto: picture alliance / dpa)

Ohne die Stimmen der Sozialdemokraten kann Jean-Claude Juncker nicht Kommissionspräsident werden. Doch Martin Schulz weigert sich. Er behauptet, selbst das Amt zu wollen – dabei hat er wohl ganz andere Pläne.

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als führe die komplizierte Europawahl zu einem einfachen Ergebnis: Im Parlament bekommt die konservative EVP wieder die größte Fraktion und auch im Europäischen Rat, der aus den Regierungschefs besteht, gibt eine Konservative den Ton an – Angela Merkel. Die lässt nun verkünden, dass sie hinter dem Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker steht. Kann jetzt also alles ganz schnell gehen?

So einfach ist es nicht, im Gegenteil: Jetzt läuft erst einmal die Konsensmaschine EU an. Monatelang wird sie arbeiten. Welche Einigung dabei herauskommt, ist noch nicht klar.

Der größte Störfaktor ist Martin Schulz. Niemand sonst hat im Wahlkampf so sehr betont, dass es letztlich die Wähler sein müssten, die über den Kommissionspräsidenten entscheiden. Er rechnete sich gute Chancen aus. Nun aber will er sich nicht so einfach geschlagen geben, und sogar nach eigenen Mehrheiten suchen. Leicht wird das nicht: Nicht einmal zusammen mit Liberalen, Grünen und Linken hätten die Sozialdemokraten eine Mehrheit – zu viele der neuen Europaparlamentarier gehören dem euroskeptischen bis rechtsextremen Spektrum an, mit dem es keine Zusammenarbeit geben wird.

Europäischer Rat muss überzeugt werden

Das heißt: Schulz bräuchte auf jeden Fall auch konservative Stimmen. Das klingt unwahrscheinlich, ist aber nicht undenkbar. So etwas wie einen Fraktionszwang gibt es im Europaparlament nicht.

Bevor Schulz sich an die schwierige Aufgabe macht, seine eigene Mehrheit zu organisieren, könnte er sich etwas viel Leichterem widmen: eine Mehrheit für Juncker zu verhindern. Wenn Juncker ohne die Stimmen der Sozialdemokraten gewählt werden wollte, müsste er schon die Liberalen, die Grünen und gleichzeitig auch noch die Linken hinter sich bringen. Das scheint ausgeschlossen zu sein.

Es bleibt also dabei: Der neue Kommissionspräsident braucht eine Art Großer Koalition hinter sich, Konservative und Sozialdemokraten müssen sich einig sein. Doch damit ist die Sache noch nicht erledigt. Auch der Europäische Rat wird gefragt. Dort hat zwar Angela Merkel viel zu sagen, es gibt aber auch einige Sozialdemokraten und drei Liberale. Halten die Konservativen zusammen, müssen sie mindestens drei weitere Regierungschefs überzeugen.

Finten und Drohgebärden

In dieser Gemengelage kommt nun das Gerücht auf, die Liberalen könnten sich auf die Seite der Sozialdemokraten schlagen, wenn ihr Spitzenkandidat Guy Verhofstadt dafür Parlamentspräsident werden darf. Verhofstadt selbst sagt sogar, dass er selbst noch Kommissionspräsident werden könnte, sollten Juncker und Schulz keine Mehrheit finden. Möglich ist es, dass die Liberalen das ernsthaft verfolgen. Mindestens genauso gut möglich ist aber, dass sie den Konservativen nur Zugeständnisse abringen wollen.

Auch die Mehrheitsfindung von Martin Schulz ist wohl eher eine Drohgebärde als ein echter Griff nach dem Amt. Denn bei diesen Verhandlungen geht es – wie immer in der EU – um mehr als eine einzelne Personalie. Auch das Arbeitsprogramm der Kommission für die kommenden fünf Jahre spielt eine Rolle und die parteipolitische Ausgewogenheit des Gremiums.

Außerdem geht es um weitere Spitzenposten: Bald wird es einen neuen Parlamentspräsidenten geben, einen neuen Präsidenten des Europäischen Rates, einen neuen Außenbeauftragten und vielleicht auch einen neuen Eurogruppenchef. Dabei sollen sich die Parteien vertreten fühlen, die kleinen und die großen Mitgliedstaaten, der neue Osten und der alte Westen. Martin Schulz wird schon einen dieser Jobs im Blick haben. Und es soll mindestens eine Frau an der Spitze der EU geben. Wo die herkommen soll, ist bislang noch völlig offen.

Quelle: ntv.de

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