Politik

Berlin und das transatlantische Bündnis Gerhardt sieht "keine Alternative"

Die deutsche Fahne weht vor dem Weißen Haus.

Die deutsche Fahne weht vor dem Weißen Haus.

(Foto: REUTERS)

Auch wenn US-Präsident Barack Obama Kanzlerin Angela Merkel auszeichnet, glänzt doch nicht alles im deutsch-amerikanischen Verhältnis. Wolfgang Gerhardt, verantwortlich für internationale Beziehungen in der FDP-Bundestagsfraktion sieht in Washington eine gemischte Stimmungslage. Vor allem der Libyen-Resolution hätte Berlin seiner Ansicht nach zustimmen sollen.

n-tv.de: Immer wieder heißt es, es stünde schlecht um die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle meinte nun in Washington, allein an der Herzlichkeit des Empfangs der Bundeskanzlerin durch den US-Präsidenten habe man sehen können, dass es gar nicht so schlecht um die Beziehungen stehen könne.

Obama führte Merkel in Washington aus.

Obama führte Merkel in Washington aus.

(Foto: AP)

Wolfgang Gerhardt: Die Beziehungen sind im Kern unverwundbar. Beide Gesellschaften und ihre politischen Eliten wissen, dass sie einander brauchen. Es gibt geostrategisch keine Alternative zum transatlantischen Bündnis, und das hält auch schon einiges aus. Dann soll man es aber auch offen sagen. Es gibt in Washington durchaus gemischte Reaktionen auf das deutsche Abstimmungsverhalten zu Libyen im UN-Sicherheitsrat. Hinzu kommen Bemerkungen unserer europäischen Verbündeten, die uns kritisieren. Insofern ist die Stimmungslage in Washington gegenwärtig gemischt. Aber dass man trotzdem auf gehobenem Niveau miteinander umgeht, ist andererseits auch klar, wie die Auszeichnung der Kanzlerin zeigt.

Sind Sie für ein stärkeres Engagement Deutschlands im arabischen Raum? Das wird ja immer wieder gefordert, bis hin zu einem gewissen militärischen Engagement.

Das können wir uns gegenwärtig wirklich nicht leisten. Das hätten wir aber offen sagen können. Und das wäre auch verstanden worden, denn wir bauen die Bundeswehr um. Zunächst müssen wir diese Hauptaufgabe lösen. Das hätte uns aber nicht daran hindern sollen, der Libyen-Resolution zuzustimmen, um anderen Rückhalt zu geben für das - aus meiner Sicht - notwendige militärische Eingreifen. Den militärischen Entscheidungen fehlt aber die politische Einsicht, wo am Ende die Lösung liegt. Es wäre gut, wenn Deutschland darauf dringen würde und in den Augen der Verbündeten nicht als das Land erscheinen würde, dass sich nicht engagieren will.

Es gibt in den Beziehungen zu den USA aber wohl noch andere Reibungspunkte, wie den deutschen Atomausstieg. Außerdem schwingt immer noch die Forderung von Herrn Westerwelle nach einem Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland mit.

Wolfgang Gerhardt ist Mitglied des Bundestags und Vorstandschef der Friedrich-Naumann-Stiftung.

Wolfgang Gerhardt ist Mitglied des Bundestags und Vorstandschef der Friedrich-Naumann-Stiftung.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Ausstieg aus der Kernenergie wird in Washington mit Interesse beobachtet. Wenn Deutschland den Ausstieg tatsächlich schafft, zugleich die Versorgungssicherheit garantiert und mit den erneuerbaren Energien vorankommt, dann wäre dies tatsächlich ein weltweites Beispiel, das auch in der politischen Szenerie Amerikas viele Nachahmer finden würde. Die Atomwaffen auf deutschem Boden sind bei meinem jüngsten Aufenthalt in den USA von keinem Gesprächspartner erwähnt worden. In der gegenwärtigen Situation ist das weltpolitisch nicht das Hauptproblem.

Die Lage auf dem europäischen Finanzmarkt ist sehr schwierig. Es sind erstaunlicherweise immer wieder US-amerikanische Ratingagenturen, welche die Kreditwürdigkeit europäischer Länder zurückstufen. Ich werde Sie als Marktwirtschaftler nicht dazu bringen, dass Sie sagen: "Schafft die Agenturen ab!" Müsste man die Agenturen aber nicht zumindest erheblich stärker kontrollieren, damit sie nicht mit dem Schnipsen eines Fingers Einfluss auf die Entwicklung ganzer Staaten und Staatengruppen nehmen können?

Ja, da gebe ich Ihnen Recht. Das ist auch das Ergebnis vieler Diskussionen nach der Finanzmarktkrise, dass die Ratingagenturen in ihren Urteilen nicht jene Objektivität gepflegt haben, die man eigentlich hätte erwarten können.

Ist es Zufall, dass es namentlich US-amerikanische Agenturen sind, welche sich auf die europäischen Märkte stürzen?

Ich erblicke dahinter kein besonderes politisches oder Wettbewerbsinteresse. Aber es interessiert die Menschen schon, vor welchem Hintergrund diese Urteile gefällt werden.

Muss es nicht früher oder später, eher früher, zu einer Umschuldung für Länder wie Griechenland, Portugal, möglicherweise einmal auch Spanien oder gar Italien, kommen?

Bleskin und Gerhardt in Berlin.

Bleskin und Gerhardt in Berlin.

Wir müssen den Ländern helfen. Ich bedauere, dass sich in den betroffenen Ländern eine antieuropäische Stimmung breitmacht. Nicht nur bei denen, die Geldgeber sind, sondern auch in Griechenland, wo Deutschland unzutreffende Vorwürfe gemacht werden. Es führt kein Weg daran vorbei, diesen Ländern zu helfen, Aber dann bitte müssen auch die Gläubiger selbst, die Banken selbst ihren Beitrag leisten. Es kann nicht sein, dass die Banken sich jedes Engagement leisten können und sich der Steuerzahler im Ernstfall immer hinter die Banken stellt. Das kann niemandem, auch nicht einem Marktwirtschaftler wie mir gefallen. Deshalb müssen die Gläubiger einen sehr ordentlichen Beitrag leisten, um aus schwierigen Situationen herauszuhelfen.

Mit Wolfgang Gerhardt sprach Manfred Bleskin

Quelle: ntv.de

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