"Geh mit Allah, aber geh" Gerhardt will Massenrücktritt
01.11.2002, 17:52 UhrErst sickerte es nur aus Teilnehmerkreisen der Klausurtagung von Bundesvorstand und Fraktion der Liberalen in Berlin: Fraktionschef Wolfgang Gerhardt habe wegen der Parteispendenaffäre um Jürgen Möllemann den Rücktritt des gesamten Vorstands der nordrhein-westfälischen FPD gefordert, Landesvizechefin Ulrike Flach habe aber abgelehnt. Kurze Zeit später warf Flach entnervt das Handtuch. "Ich bin es leid, mich von allen Seiten ankeilen zu lassen", sagte Flach der Nachrichtenagentur dpa, der Vorstand erwäge seinen Rücktritt. 
Jeder Landesverband glaube inzwischen, der FDP in Nordrhein-Westfalen hereinreden zu können. Die Landespartei müsse nun zeigen, dass sie hinter ihr stehe, forderte Flach einen Vertrauensbeweis. Ein endgültiger Beschluss solle bei der auf Montag vorgezogenen Sitzung des Landesvorstandes fallen.
Die Kandidaten für den künftigen Landesvorstand sollten sich auf dem Landesparteitag den Delegierten stellen. Der für den 10. November geplante Parteitag solle verschoben werden, sagte Flach. Die FDP-Bundestagsabgeordnete will als Nachfolgerin des wegen der Spendenaffäre zurückgetretenen NRW-FDP-Vorsitzenden Jürgen Möllemann kandidieren.
Weiter Zweifel an Flach 
Die Misere der FDP wird nicht mehr nur dem ehemaligen Parteivize Möllemann angehaftet, sondern am gesamten Vorstand des nordrhein-westfälischen Landesverbandes festgemacht. Ein Neuanfang nach Möllemann sei nötig, hat Gerhard nach Angaben aus Fraktionskreisen gesagt. Alle Vorstandsmitglieder müssten auf dem geplanten Sonderparteitag neu gewählt werden. Er sei der Auffassung, dass der NRW-Vorstand eine Verantwortung für die gesamte Partei habe, sagte er vor Journalisten.
Bei den Liberalen waren erneut Zweifel aufgekommen, ob Flach in das Vorsitzenden-Amt gewählt werden kann. "Die Zweifel bestehen", hieß es. In der Klausursitzung gab es nach Teilnehmerberichten mehrfach Kritik an den Aufklärungsbemühungen der Düsseldorfer. Der Landesvorstand habe die Untersuchung der Finanzaffäre nicht intensiv genug vorangetrieben.
FDP-Mitarbeiter räumt Überweisungen ein
Inzwischen hat auch ein Mitarbeiter der nordrhein-westfälischen FDP eingeräumt, in der Spendenaffäre als Strohmann Geld überwiesen zu haben. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios räumte der Mitarbeiter der FDP-Landeszentrale ein, für einen anderen Geld auf das Spendenkonto zur Finanzierung des Flugblattes des zurückgetretenen FDP-Landeschefs Jürgen Möllemann überwiesen zu haben. Bei zwei weiteren Mitarbeitern besteht der Verdacht, bei der Zerstückelung geholfen zu haben.
FDP-Bundesschatzmeister Günther Rexrodt sagte der ARD, es gebe auf dem offiziellen FDP-Konto etwa 60 Zuläufe, die verdächtig zu sein schienen. Darunter seien zehn oder zwölf Einzahlungen, die auf Baranweisungen zurückzuführen seien.
Heimliche Hoffnung 
Unterdessen wächst bei immer mehr Parteimitgliedern der Wunsch nach einem weiteren Rückzugs Möllemanns aus der FDP. "Geh mit Allah aber geh", sagte so Mehmet Daimagüler, Beisitzer im FDP-Bundesvorstand. Viele Vorstandsmitglieder hoffen dabei auf Möllemanns Einsicht, selbst aus der Partei auszutreten. 
Nach der zweitägigen Klausurtagung schloss Westerwelle einen Parteiausschluss von Möllemann nicht völlig aus, verwies aber auf die außerordentlich strengen Regeln für solch ein Verfahren. 
"Strategie 18" beerdigt 
Bereits verabschiedet hat sich die FDP von der im Bundestagswahlkampf verfolgten "Strategie 18". Dieses Wahlziel hatten die Liberalen von dem inzwischen von allen Parteiämtern zurückgetretenen Möllemann übernommen. Westerwelle machte Möllemann mit seiner Antisemitismus-Kampagne verantwortlich für das enttäuschende Abschneiden am 22. September.
Quelle: ntv.de