Regierung muss Dokumente herausgeben Gericht arbeitet Kundus-Angriff auf
17.04.2013, 15:24 Uhr
Am Bonner Landgericht haben Demonstranten ihre Spuren hinterlassen.
(Foto: dpa)
Der von der Bundeswehr angeordnete Bombenangriff im afghanischen Kundus hat ein gerichtliches Nachspiel. Um Entschädigungsforderungen von Hinterbliebenen zu überprüfen, will das Bonner Landgericht den Vorgang vom September 2009 aufarbeiten. Die Regierung muss dazu Dokumente herausgeben. Oberst Klein könnte ebenfalls vorgeladen werden.
Nach fast vier Jahren muss sich die Bundesregierung wieder mit den Bombenabwürfen und Zivilopfern im afghanischen Kundus auseinandersetzen. Die Umstände des von einem Bundeswehr-Offizier angeordneten tödlichen Luftangriffs sollen vor dem Landgericht Bonn erstmals gerichtlich aufgeklärt werden. Auch der damalige Kommandeur Georg Klein, der den Einsatz anordnete, muss möglicherweise vor Gericht aussagen. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse will das Gericht über Entschädigungsansprüche afghanischer Zivilopfer gegen die Bundesrepublik entscheiden.
Das Landgericht fordert in einem Beschluss von der beklagten Regierung (vertreten durch das Verteidigungsministerium) genaue Informationen über den Hergang der Bombenabwürfe auf zwei von Taliban-Kämpfern entführte Tankwagen im September 2009. Dazu soll sie innerhalb eines Monats Video- und Tonaufnahmen mit Gesprächsprotokollen über die Entscheidungsabläufe vorlegen. Der Prozess soll nach Auswertung dieser Dokumente voraussichtlich im August mit der Beweisaufnahme und Zeugenanhörungen fortgesetzt werden.
Zunächst geht es dem Gericht darum, ob sich ein schuldhafter Verstoß Kleins gegen Amtsverpflichtungen zum Schutz der Zivilbevölkerung feststellen lässt. Ob der hohe Offizier selbst geladen werde, sei noch zu entscheiden, sagte Richter Heinz Sonnenberger. Dem inzwischen zum General beförderten Klein war von der Bundesanwaltschaft kein Fehlverhalten nachgewiesen worden.
Vergleich zeichnet sich nicht ab
In dem Prozess geht es um erste Schadenersatzklagen von Zivilopfern. Zwei Hinterbliebene fordern von der Bundesregierung eine weit höhere Entschädigung als die bisher geleistete. Ein solcher individueller Anspruch auf Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld im Zuge einer Staatshaftung komme durchaus in Betracht, erklärte das Gericht. Ein vom Gericht vorgeschlagener Vergleich zeichnete sich bislang nicht ab.
In dem Verfahren verlangt ein Vater zweier vermutlich bei dem Angriff getöteter Söhne 40.000 Euro. Eine Witwe und Mutter von sechs Kindern, die nach Angaben ihrer Anwälte ihren Vater und Ernährer verloren haben, will 50.000 Euro. Laut Verteidigungsministerium wurden als humanitäre Leistung bereits 90 Mal je 5000 US-Dollar (rund 3800 Euro) an afghanische Familien gezahlt - insgesamt sind das etwa 350.000 Euro. Inzwischen haben 79 Familien beim Bonner Landgericht ähnliche Klagen eingereicht. Die genaue Zahl der Getöteten ist unklar.
Vor dem Prozess hatten Unbekannte das Gerichtsgebäude beschmiert. Blutrote Farbe verfärbte den Säuleneingang. An der Wand wurden der Einsatz in Kundus als "Bundeswehr Massaker" und Klein als "Mörder" bezeichnet. Demonstranten kritisierten das Bombardement und den Bundeswehreinsatz am Hindukusch.
Quelle: ntv.de, dpa