Zweites Konjunkturpaket Geringere Steuern im Juli
13.01.2009, 21:54 UhrDie von der großen Koalition für 2009 geplanten Steuernachlässe gibt es nach Angaben des Bundesfinanzministeriums ab 1. Juli. "Man kann davon ausgehen, dass das bis dahin umgesetzt ist", sagte ein Sprecher des Ministeriums in Berlin. Für das erste Halbjahr zuviel gezahlte Steuern würden mit der Lohnsteuererstattung verrechnet.
In Regierungskreisen hatte es zuvor geheißen, die Steuernachlässe flössen erstmals im Juli als Rückerstattung in die Taschen der Bürger. Die rückwirkend zum 1. Januar 2009 geplanten Senkungen bei der Einkommensteuer sollten dann für das erste Halbjahr auf einen Schlag möglichst mit der Gehaltsabrechnung für Juli vergütet werden, hieß es.
In dem Monat soll erstmals auch der niedrigere Krankenkassenbeitrag gelten. Zusammen mit der ohnehin schon für die Jahresmitte beschlossenen Erhöhung der Renten und der Hartz-IV-Bezüge könnten die Entlastungen dann zusammen einen spürbaren Konsumanreiz schaffen.
Koalition stolz auf ihr Ergebnis
Bundeskanzlerin Merkel hatte zuvor gemeinsam mit dem SPD-Kanzlerkandidaten und Außenminister Frank-Walter Steinmeier sowie dem CSU-Chef und bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer das in seinem Ausmaß in der deutschen Nachkriegsgeschichte einmalige zweite Konjunkturpaket vorgestellt. Der "Pakt für Deutschland" kommt nach Ansicht der Großen Koalition genau zum richtigen Zeitpunkt und hat mit 50 Milliarden Euro auch den angemessenen Umfang. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte vor der Bundespressekonferenz in Berlin, das Paket sei die "größte Maßnahme in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland".
Steinmeier bezeichnete das Konjunkturpaket als "gelungenen Mix aus Maßnahmen", mit dem das Vertrauen in die Politik gestärkt werden könne. "Wir in Deutschland haben immerhin die Kraft zu handeln", sagte Steinmeier mit Blick auf die anderen europäischen Länder. Die Bundesrepublik könne "so etwas wie den Kompass liefern, der uns durch diese Krise führen kann". Weil Deutschland bis vor wenigen Monaten eine erfolgreiche Haushaltskonsolidierung betrieben habe, sei es "handlungsfähiger als viele andere in Europa".
Der Vizekanzler forderte insbesondere Länder und Kommunen auf, sich an der gemeinsamen Kraftanstrengung zu beteiligen. Steinmeier bekräftigte, dass mit dem starken Ansteigen der Neuverschuldung gleichzeitig ein Schuldentilgungsplan verabschiedet werden solle.
Paket im Februar verabschieden
Die Spitzen von Union und SPD hatten sich erst in der Nacht auf Steuer- und Abgabensenkungen, Investitionen und einen Rettungsschirm für Unternehmen verständigt. Bürger und Unternehmen sollen in zwei Schritten - teils rückwirkend zum 1. Januar und dann zum 1. Juli - bei den Steuern um insgesamt 9 Milliarden Euro entlastet werden: Der Eingangssteuersatz in der Einkommensteuer sinkt von 15 auf 14 Prozent und der steuerliche Grundfreibetrag steigt von 7664 auf 8004 Euro. Bereits für Mittwoch steht das Paket auf der Tagesordnung des Bundestages. Bis Ende Januar soll es nach den Worten von SPD-Fraktionschef Peter Struck durch den Bundestag gepeitscht werden, so dass im Februar der Bundesrat endgültig grünes Licht geben kann.
Merkel, Steinmeier und Seehofer sprachen von "nennenswerten" Entlastungen in einer "durchaus wirksamen Größenordnung" durch die Steuersenkungen, einen niedrigeren Krankenkassenbeitrag sowie mehr Geld für Kinder. Sie könnten sich für Familien nach Koalitionsangaben auf mehr als 500 Euro im Jahr summieren. Auch Firmen profitieren von der Entlastung um insgesamt 18 Milliarden Euro in diesem und im nächsten Jahr.
Kampf gegen "Kalte Progression"
Zugleich soll das Problem der "Kalten Progression" angegangen werden. Sie ist eine Art heimliche Steuererhöhung, weil vor allem bei unteren und mittleren Einkommen die Steuersätze stark steigen und einen Großteil jeder Lohnerhöhung wieder aufzehren. Daher sollen die Eckwerte in der Steuertarifkurve - ebenfalls in zwei Stufen - verschoben und damit der Anstieg flacher werden. Von den Maßnahmen profitieren auch viele Mittelstandsbetriebe, die als Personengesellschaften der Einkommensteuer unterstehen
Sinkende Kassenbeiträge
Die Senkung der Beiträge zu den gesetzlichen Krankenkassen auf wieder 14,9 Prozent bedeutet ebenfalls eine Entlastung von rund 9 Milliarden Euro. Dazu wird der Bundeszuschuss mit Wirkung zum 1. Juli 2009 für dieses Jahr um 3 Milliarden und für das kommende Jahr um 6 Milliarden erhöht. Die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern paritätisch finanzierten Beitragssätze werden so um 0,6 Prozentpunkte gesenkt.
Mehr Geld für Familien
Auch Familien mit Kindern erhalten mehr Geld. An alle Kindergeldbezieher wird ein einmaliger Kinderbonus von 100 Euro je Kind gezahlt. Nach Angaben von Finanzminister Peer Steinbrück soll der Bonus bereit im März oder April ausbezahlt werden. Der Betrag soll zusammen mit dem Kindergeld an alle Eltern überwiesen werden. Von der Einmal-Zahlung profitieren vor allem Familien mit kleinem Einkommen. Bei Besserverdienenden wird das Geld später mit dem Kinderfreibetrag bei der Einkommenssteuererklärung für 2009 verrechnet.
Zudem sollen die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder von Langzeitarbeitslosen im Alter von 6 bis 13 Jahren auf 70 Prozent des vollen Regelsatzes angehoben werden. Schon seit 1. Januar gilt ein höheres Kindergeld und ein höherer Kinderfreibetrag. Von 2010 an soll zudem die Absetzbarkeit der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung beim Fiskus verbessert werden - eine weitere Milliarden-Entlastung.
Laut Finanzministerium reicht die Entlastung durch das Konjunkturpaket II von 30 Euro bei einem Ledigen ohne Kind mit einem Jahres-Bruttolohn von 10.000 Euro bis hin zu 564 Euro bei einem verheirateten Alleinverdiener mit zwei Kindern und einem Brutto-Lohn von 80.000 Euro.
CSU-Chef Seehofer rechnete vor, dass bei einem Durchschnitts-Bruttolohn von 30.000 Euro im Jahr die Steuer- und Abgabenlast um gut 269 Euro sinke, bei 45.000 Euro um rund 363 Euro und bei 70.000 Euro um 404 Euro. Verheiratete mit zwei Kindern kämen bei einem Brutto-Lohn von 30.000 Euro auf eine Entlastung von 314 Euro und bei 70.000 mehr als 526 Euro. Hinzu komme der Kinderbonus. Die Entlastung habe eine wirksame Größenordnung und sei ein wichtiger Beitrag zur Milderung der Rezession.
Milliarden für Bildung
Die Investitionen etwa in Schulen, Hochschulen, Verkehrswege und Kommunikationsnetze werden nach den Worten von SPD-Fraktionschef Struck 17 bis 18 Milliarden Euro umfassen. Ausbau und Sanierung von Kindergärten, Schulen und Hochschulen bilden den Schwerpunkt des kommunalen Investitionsprogramms. Der Bund stellt Kommunen und Ländern in diesem und im nächsten Jahr insgesamt 6,5 Milliarden Euro für den Bildungsbereich zur Verfügung. Dies sind 65 Prozent der Finanzmittel des kommunalen Investitionsprogramms, sagte Bundeskanzlerin Merkel.
Ein Teil des Geldes wird auch für Forschungsbauten ausgegeben. Ein größerer Betrag soll nach den Vorstellungen der Koalition jedoch insbesondere für wärmedämmende Maßnahmen (energetische Sanierung) aufgewandt werden. Profitieren werden davon viele Kindergärten, Schulen und auch Hochschulen, die in den 70er Jahren oder noch früher errichtet wurden und dringend sanierungsbedürftig sind. Damit die einzelnen Projekte beschleunigt realisiert werden können, werden für zwei Jahre die öffentlichen Vergaberichtlinien erleichtert.
Prämie bei Neuwagenkauf
Neuwagenkäufer erhalten eine Prämie von 2500 Euro, wenn sie ihr mindestens neun Jahre altes Auto abmelden. Damit soll die angeschlagene Autoindustrie gestärkt werden.
Rettungsschirm ohne Firmen-Beteiligung
Die Große Koalition verständigte sich darüber hinaus auf ein Programm zur Absicherung von Krediten an Großunternehmen. In Regierungskreisen hieß es, dies werde ein Volumen von bis zu 100 Milliarden Euro haben. Es werde bei der staatlichen Förderbank KfW angesiedelt. Eine direkte Kapitalbeteiligung des Staates an Firmen, wie sie die CDU im Vorfeld nicht ausgeschlossen hatte, sei aber nicht vorgesehen.
Merkel verwies aber auf Fälle in den Bundesländern, wo Ministerpräsidenten eine aktive Industriepolitik betrieben hätten. Dies sei zum Beispiel in Hamburg beim Konsumgüterhersteller Beiersdorf so gewesen. Sie habe diese Länderbeteiligungen nicht kritisiert.
Quelle: ntv.de