Politik

Dilettanten unter sich Gesundheitsfonds ohne Experten

Wegen Meinungsverschiedenheiten in zentralen Punkten des geplanten Gesundheitsfonds ist der wissenschaftliche Beirat beim Bundesversicherungsamt (BVA) zurückgetreten. Am Zeitplan werde sich aber nichts ändern, sagte BVA-Sprecher Theo Eberenz in Berlin. CSU und Betriebskrankenkassen halten eine Verschiebung des für Anfang 2009 geplanten Fonds nun aber für immer wahrscheinlicher. Dem Vernehmen nach kam der Rücktritt mitten in der heißen Vorbereitungsphase für den Fonds überraschend und ist auf unterschiedliche Ansichten über den Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen zurückzuführen.

BVA und Ministerium beratungsresistent

Das sechsköpfige Gremium hatte die Behörde bei der Weiterentwicklung des Finanzausgleichs beraten. Die Pläne, bei denen es um Milliardensummen geht, sind bei Experten, Krankenkassen und in der Koalition höchst umstritten. Von 2009 an sollen Kassen mit mehr Kranken höhere Zuschläge von Kassen mit einer günstigeren Versichertenstruktur bekommen. Da die Kassen zunächst Einheitsbeträge aus dem Fonds erhalten sollen, gilt der größere Ausgleich als nötig. Sonst müssten Kassen mit vielen Kranken mehr Zusatzbeiträge von ihren Mitgliedern verlangen.

Ein Gutachten des sechsköpfigen Beirats sieht vor, dass beim Finanzausgleich zwischen den mehr als 200 Kassen künftig 80 Krankheiten berücksichtigt werden sollen. Genauere Festlegungen will das Amt ungeachtet des Rücktritts wie geplant bis zum 1. Juli treffen.

Ohne einen fachlich sauber ausgearbeiteten Finanzausgleich sei der Gesundheitsfonds ein Torso und werde nicht zum 1. Januar 2009 in Kraft treten können, sagte die bayerische Sozialministerin Christa Stewens (CSU) dem "Handelsblatt". Das Gremium habe seine Entscheidung dem Gesundheitsministerium in einem kurzen Schreiben ohne Angabe von Gründen mitgeteilt, berichtet die Zeitung. Es habe erhebliche Differenzen zwischen BVA und Gesundheitsministerium auf der einen Seite und den Wissenschaftlern über die Umsetzung des Ausgleichs gegeben.

Kassen streiten wie die Kesselflicker

Der im Januar im SPD-geführten Gesundheitsministerium vorgestellte Gutachter-Vorschlag hatte umgehend Streit ausgelöst. Große Kassen wie die Barmer hatten gefordert, dass Kassen mit vielen chronisch Kranken mehr Geld bekommen als vom Beirat vorgeschlagen. Kritiker hatten moniert, Krankheit statt Vorsorge solle bezuschusst werden, sogenannte Chronikerprogramme gerieten unter Druck. Die Betriebskrankenkassen (BKK), die bereits bisher zu den Geberkassen zählen, hatten dagegen vor einer zu großen Umverteilung gewarnt.

Respekt für Rücktritt der Experten

Dem Rücktritt müsse man Respekt zollen, sagte BKK-Verbandssprecherin Ann Hörath. "Lieber in Würde abtreten, als sich zum Feigenblatt der Politik degradieren zu lassen." So versuche die Politik offensichtlich, im Interesse einiger weniger Kassen eine weitere Förderung von Chronikerprogrammen über den Finanzausgleich durchzusetzen. Dies sei unnötig. Gesundheitsvorsorge müsse Kernkompetenz jeder gut gemanagten Kasse sein. Sie kritisierte, dass mit dem BVA nun eine Verwaltungsbehörde eine Milliardenentscheidung offensichtlich im Alleingang treffe. Die Union hatte die Pläne zu einem weitgehenden Finanzausgleich heftig kritisiert und will die Verteilung kleiner halten. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sieht in dem Ausgleich ein Mittel für mehr Gerechtigkeit gegenüber den Versicherten.

Quelle: ntv.de

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